Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Eine Jugendbuchautorin und ihre Leserschaft

∞  19 Januar 2010, 20:39

Dieser Tag hielt eine Fülle von Inspirationen für mich bereit. Dabei war es ein grauförmiger Hochnebeltag, der, wenn er sich über eine Stadt legt, den Beton noch grauer erscheinen lässt, als er schon ist. Und Beton hält dieses Quartier weiss Gott genug bereit. Auf jeden Fall hat es seinen entsprechenden Ruf schon lange weg und auch schon längst aufgehört, sich dagegen laut zu wehren. Stattdessen wird gelebt. Und dieses Leben scheint ganz schön farbig zu sein.

Ich befinde mich in einer öffentlichen Bibliothek, feiere ein erhofftes Wiedersehen mit einem Menschen, den ich dabei ganz bewusst treffen wollte, und ein gänzlich unverhofftes mit jemandem, den ich wohl fünfzehn Jahre nicht mehr gesehen habe. Aber die Details dazu behalte ich für mich. Schön war’s auf jeden Fall!
Und dann bin ich stiller Zuhörer einer Lesung geworden.


Frau Zappadong mit Jugendlichen zu erleben, ist etwas fürs Herz. Das Funkeln in ihren Augen sehe ich meist nicht, denn ich sitze leicht versetzt hinter ihr, im Hintergrund eben, denn ich bin nur Zaungast. Aber ich kenne dieses Funkeln ja, und ich erkenne es wieder in den Gesichtern der rund zwanzig Jugendlichen, welche in keinem Moment so wirken, als sässen sie hier eine Pflichtübung ab, zu der sie die Schule verdonnert hat. Sie sind erstaunlich aufmerksam und stellen genau die Fragen, welche wir auch stellen würden, wenn wir einmal jemandem gegenüber sässen, welche® die Bücher schreibt, die wir lesen (könnten). Und ganz offensichtlich ist dieses Interesse echt, auch hier, unter jungen Menschen, von denen die meisten einen Migrationshintergrund haben. Es gibt ganz offensichtlich Fragen, die richtig unter den Fingernägeln brennen, und Alice geht auf jede einzelne mit Freude ein. Anderthalb Stunden sitzen die Jugendlichen auf harten Stühlen, und es entsteht kaum je Unruhe. Sie werden ernst genommen, bestimmen das Programm mit ihren Fragen selber. Vorgelesen wird wenig. Es geht nicht darum, die Bücher zu verkaufen. Verkauft, ja angepriesen wird das Lesen und das Schreiben an sich. Und diese Jungen sitzen da, als gäbe es im Zeitalter der Computergames und des Internets nichts Spannenderes, als Papierseiten zwischen Kartonage, welche auch noch erfordern, dass man das eigene Kopfkino in Bewegung setzt…

Das war ein sehr ermutigender Tag für mich, an dem mir viel geschenkt wurde.
Im Café höre ich dann noch von besonderen Initiativen von Lehrern, wenn es darum geht, den Schülern Lehrstellen zu vermitteln, oder von einem Personalverantwortlichen aus dem Umfeld der Eltern, der Jugendliche für Vorstellungsgespräche coacht. Ich höre von einer Elternschaft, welche sich daran gewöhnt, Barrieren zwischen sich und Lehrern abzubauen und die Ausbildung der Kinder als verbindende Aufgabe zu begreifen.
Auch einen Literaturclub gibt es im Quartier. usw. Ich habe Verwandtschaft da, meinen Lebensmittelpunkt aber ziemlich am anderen Ende der Stadt. Doch was ich aus flüchtigen Besuchen von früher schon wusste, nämlich, dass aller grauer Beton nur Fassade ist, dass Multikulti im Mikrokosmos von Quartierzellen wirklich gelebt werden kann, das erfahre ich heute ein Stück weit ganz neu. Und dafür musste mich eine liebe Freundin aus dem fernen Zappadonghausen im Schweizer Grenzgebiet in meine “eigene” Stadt locken und mich daselbst die Luft schnuppern lassen.

Grau? Hochnebel? Winterkälte? War heute irgendwie alles kein Thema. Trotz starker Erkältung der Autorin. Einen solchen langen Tag so durchzustehen – es wäre ohne diese Art Feedback härteste Knochenarbeit. Ein Dankeschön allen, welche mir diesen Tag ermöglicht haben.


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Links:
Das Autorenblog von Frau Zappadong: Alice Gabathuler’s Blog
Wenn die Finger ganz spontan in die Tasten greifen, wird Alice zu Frau Zappadong
Ihre (Jugend-)Bücher: Aufstellung
Und eine ganz konventionelle Webseite hat sie auch.
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