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Eine Art Seeleninferno, nicht nur in Dublin

∞  26 November 2009, 20:17

Eine Hundertschaft katholischer Priester in einer einzigen Stadt wird des Kindsmissbrauchs verdächtigt. In Dublin macht der Staat strafrechtlich gegen die Kirche mobil, und das unglaubliche Ausmass führt vor allem eines vor Augen:
Eine Gemeinschaft mag, egal welchen Couleurs, noch so sehr auf Zusammenhalt fokussiert sein und Verfehlungen einzelner Mitglieder nach aussen zu kaschieren versuchen – es hat stets zur Folge, dass diese Kräfte nie stark genug sind, wenigstens nach innen gerichtete Säuberungen aus eigenem Antrieb zu erwirken.

Und so machen sich die obersten Kleriker selbst zu Tätern, indem sie, wenn überhaupt, Verdächtigte oder erwiesene Fehlbare einfach versetzen und Erziehern gleichen, die nicht weiter in eine Schulstube gucken mögen, Hauptsache, der Lärm ist moderat. Wie muss sich die geistliche und die katholische Gesellschaft der Gläubigen verkrustet haben, dass eine solche Entwicklung wie in Dublin überhaupt möglich wurde?

Wie kann es sein, dass sich die Führungsspitze der irischen katholischen Kirche veranlasst sieht, vor mehr als zwanzig Jahren eine Versicherungspolice gegen Schadenersatzforderungen wegen sexuellen Missbrauchs durch geistliche Straftäter zu kaufen? Und was bedeutet es, dass es trotz ganz offensichtlichem Bewusstsein für das Problem bis weit in die Neunziger Jahre zu keinen Anzeigen von Geistlichen bei der Obrigkeit gekommen ist? Das Problem wird eben nur in seiner Wirkung nach aussen wahrgenommen.

Das Dunkel in Kirchen und stillen, verschwiegenen Pfarrers-Stuben in grauen oder scheinbar hellen Strassen – wie viel Leid hat es verursacht, schafft es weltweit in jeder Stunde, und wie viel durch Autoritäten missbrauchtes Vertrauen pflanzt sich in Opfern, die zu Tätern werden, fort? Wer Gewalt gegen sich erlebt, ist geneigt, die gelernten Mechanismen seinerseits anzuwenden. Wir können nur weitergeben, was wir gelernt haben, und es bedeutet einen riesigen Effort, sich aus diesen Zwängen zu befreien. Obwohl: Vollständig gelingt so was wohl nie.
Das grösste Verbrechen liegt genau in der Brechung des inneren Urvertrauens junger oder gar ganz junger Menschen.

Auch für die christlichen Gemeinschaften gilt: Sie gehören in einen weltlichen Staat integriert, in dem dieser Staat nach wirklich objektiven, nichtreligiösen, aber den Menschen- und Freiheitsrechten verpflichteten Kriterien die Regeln setzt – und Sanktionen anwendet, wenn diese Regeln verletzt werden.
Und wir alle sollten gleichzeitig in unserem Alltag weniger nach dem Staat oder nach der Polizei rufen, und uns bewusst sein, dass wir am Ende selbst dieser Staat und diese Polizei sind: Wir leben in einer jener Demokratien, in welchen selbstverantwortliches Handeln auch politische Konsequenzen zeitigen kann. Unsere Umgebung und unser inneres Bild von uns selbst beeinflusst es in jedem Fall.


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Links zum Thema:
Spiegel online: Kirche gesteht massenhaften Kindesmissbrauch
DRS 1: Irische Bischöfe vertuschten Missbrauch
NZZ Online: Irland erschrickt über sich selbst
update vom 17.12.09
Kindsmissbrauch in der Kirche: Irischer Bischof geht
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