Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ein positiv beKloppter

∞  16 September 2012, 13:59

Jürgen Norbert Klopp, Fussballtrainer, brennt immer. Der Mann scheint ständig unter Strom zu stehen.

Nun ist Fussball ja eh ein Spiel für Enthusiasten, das Männer zu Kindern macht – oder zu Schlimmerem. Sagen zumindest die, welche den Sport für reine Zeitverschwendung halten und die Aufregung um den einen Ball auf einem grünen Rasen völlig lächerlich finden. Aber sobald man Fussball, wie er heute präsentiert wird, als Bühne begreift, auf der man gruppendynamische Prozesse vorgeführt bekommt, ist Fussball durchaus ein Spielfeld, auf dem man Führungskompetenz vorgeführt bekommen kann – samt der Erkenntnis, dass es für echtes Leadership einheitliche Grundsätze geben mag, aber ganz offensichtlich äusserst verschiedene Stilrichtungen.

istockphoto.com/koun

Autorität mag sich auf verschiedenste Weise begründen. Kloppo, wie der Trainer von Borussia Dortmund genannt wird, hat sie ganz offensichtlich, obwohl er dafür auf so ziemlich alles verzichtet, was mit dem Führungsanspruch normalerweise einher geht: Nämlich auf jede gesetzte Attitüde, welche Distanz zum Geschehen suggeriert. Kein anderer Trainer ist so nah an seinen Spieler dran, geht so leidenschaftlich mit, tobt so sehr an der Seitenlinie und herzt “die Jungs” so inniglich auf dem Platz wie ein höchstens Sechsjähriger allensfalls seinen Teddy verknutschen würde. Hier lebt ein männliches Alphatier mit ständig höchst ungepflegtem Mindestensdreitagestoppelbart und jedem Verzicht auf einen Anflug von Frisur seine Lust auf Emotionen aus und lässt jedem seiner Angestellten öffentlich und bedingungslos seine Wertschätzung in innigen Umarmungen zuteil werden.

Er hat für jeden seiner Küken ein gutes Wort übrig, strotzt vor flapsigen und doch intelligenten Sprüchen und lässt dabei immer Empathie erkennen. Der Mann scheint sich für alles Menschliche und die unterschiedlichsten Typen erwärmen zu können, und man fragt sich, wie der Kerl es auf die Reihe bringt, auch mal einen seiner Untergebenen unmissverständlich deutlich in die Spur zu bringen. Aber ganz offensichtlich muss er das schaffen, und dass man davon wenig in der Öffentlichkeit hört, passt ins Bild. Jürgen Norbert Klopp brennt für Fussball und für die Leidenschaft, mit der Menschen ein gemeinsames Ziel verfolgen können. Eigentlich müsste sich das in kurzer Zeit, in solcher Intensität vorgelebt, abnützen. Aber das war in Mainz nicht der Fall und ist es in Dortmund nun auch nicht.

Klopp scheint nichts davon mit Kalkül zu tun und von den Menschen nicht mehr zu verlangen, als sie geben können. Er schliesst von sich nicht auf andere, lässt jedem seine Persönlichkeit, und formt aus dieser Vielfalt jene Einheit, die sich in einem Ziel mit ihm verbinden soll und muss: Wir tun alles, was wir tun, für das gemeinsame Ziel und freuen uns nicht nur, wenn wir es erreichen, sondern schon deswegen, weil wir es versuchen dürfen. Ich glaube, dass für den Trainer Klopp die Emotionen auf und rund ums Spielfeld so was wie ein Zückerchen sind, eine Belohnung für die sehr akribische Arbeit, die dahinter steht: Er ist durchaus versessen auf die Technik des Spiels, auf Taktik, Trainingsmethoden und -unterstützungen, die absolut modern sind. So bekommt Borussia Dortmund eine absolut moderne Trainingshalle für den so genannten Footbonauten, und ist damit auch hier eine Nasenlänge voraus, um nur ein Beispiel zu nennen.

Und: Es ist äusserst reizvoll, dem Menschen Klopp jenseits des Fussballplatzes zuzuhören, wenn er über Gott und die Welt spricht. Es gibt eine Erdung für ihn, welche Emotionen nährt, so dass seine Kerze nie an beiden Enden zugleich zu brennen scheint. Ich bin immer wieder fasziniert von diesem Typen – und hoffe, er bleibt weiter gelassener gegenüber dem Hype, den er selbst verursacht, als dies für seine Umgebung gilt, diesen Tempel des Fussball-Enthusiasmus namens BVB.