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Die treue Seele in Marcel Koller

∞  30 Oktober 2013, 20:17

Heute ist nicht auf der Weltbühne, aber doch in der Öffentlichkeit etwas Bemerkenswertes kommuniziert worden: Marcel Koller verzichtet auf das Amt des Nationaltrainers in der Schweiz und bleibt in Österreich. Schlussendlich ist das für ihn eine Werteabwägung, und er hat sich aus Loyalität und Treue entschieden. Und das passt zu diesem Mann.

FIFA WC-qualification 2014 - Austria vs Faroe Islands 2013-03-22 (25)Wie haben sie geschnödet in Österreich, als da ein Schweizer ankam, um die österreichischen Kicker das Fussballspielen zu lernen. Uns ginge das ja ähnlich, wobei wir uns schon im Skifahren längst auf die Zunge beissen, wenn da ein österreichisches Trainerteam bereit ist, unsere Cracks vermutlich etwas schneller zu machen. Trainer wie ihn, hat Prohaska gemeint, gibt’s unzählige. Ausgerechnet! Zwei Jahre später ist alles anders. Dabei hat Österreich die WM-Qualifikation schon in den Gruppenspielen verpasst. Aber Marcel Koller arbeitet. Und das hat er schon immer so getan, dass man als Beobachter und Mitarbeiter schnell merkte, dass da zäh aber durchaus mit Köpfchen das gesucht und voran getrieben wird, was Hand und Fuss hat.

Koller hat sich nicht lange mit Animositäten aufgehalten, sondern akzeptiert, dass er mit Leistung und Präsenz überzeugen muss, und er hat sofort den Draht zu den Spielern gesucht – und gefunden. Nun wollten sie ihn unbedingt behalten, und sie haben ihr Ziel erreicht. Ein Spieler, der als Aktiver seinem Stammverein 25 Jahre lang die Treue hielt, kann gar nicht anders. Auch, weil die Österreicher dem Schweizer den Teppich ausfahren ihm Anerkennung entgegen schlägt und er damit rechnen kann, dass seine Vertragsverlängerung nochmals einen Schub auslöst. Und genau das interessiert Koller. Er will etwas entwickeln, die Mannschaft weiter bringen, Einfluss haben, gestalten, einwirken können. Wir hätten ihn gern genommen. Und Koller hat lange überlegt: Als Schweizer Trainer die Schweizer Nati übernehmen können – diese Konstellation bietet sich meistens nur einmal im Leben, und einem verdienten Nationalspieler wie Koller fiel da der alblehnende Entscheid ganz gewiss nicht leicht.

Aber wer Koller kennt, wer sich in ihn hinein versetzt, wird feststellen: Marcel Koller ist sich treu geblieben. Österreich ist zu beglückwünschen. Und Koller auch. Für diese seine Haltung und den Wert, den sie darstellt. Ich wünsche Österreich ganz ehrlich viel Erfolg! Es wäre ein Beispiel dafür, dass sich Teamwork und das Festhalten an Bindungen auch in der vertikalen Ebene der Zusammenarbeit auszahlen kann. Und noch etwas:

So sehr, wie man Koller halten wollte, besteht noch eine weitere Chance: Sollte das Team nicht so schnell weiter Fortschritte machen, wie erhofft, ist die Möglichkeit doch gegeben, dass man in Österreich die Nerven bewahrt, auf dem Teppich bleibt und weiter arbeitet. Koller wird voraus gehen. Mit Sinn und sehr viel Sachverstand und Sozialkompetenz.

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Bild-Credit: Fußball-Weltmeisterschaft 2014/Qualifikation am 22. März 2012 beim 6:0-Sieg von Österreich gegen die Färöische Fußballnationalmannschaft im Wiener Ernst-Happel-Stadion – Teamchef Marcel Koller; foto by Steindy.
Verwendung: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0