Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die SVP fördert jugendliche Behördenvertreter

∞  18 Mai 2008, 12:06

Die SVP portiert den Nachwuchs, der hoffentlich geschickter ist, als er dargestellt wird…

Ich habe Post bekommen. Also, genauer, Werbung. Aber ich bin angesprochen als Bürger, oder besser Wähler in unserer Gemeinde. In meinem Briefkasten fand sich ein Flyerchen der örtlichen SVP. Sie weist mit Stolz darauf hin, dass sie (auch) in meiner Gemeinde den grössten Wähleranteil hat. Scheinbar hat sie auch die gleichen Probleme wie viele ihrer Schwesterorganisationen in anderen Dörfern: Es fehlen die Vertreter in den Behörden. Und so ist sie denn bei uns in der RPK (Rechnungsprüfungskommission) nicht vertreten. Noch immer nicht!

Jetzt will sie das also ändern. Auf dem Flyer, sorry, Flugblättchen, lacht mir ein junger Mann entgegen, im saloppen, fesch-jugendlichen wenn auch etwas sehr grauen Polo-Shirt. Der wackere SVP-Jungspund ist, kann ich lesen, ein junges kompetentes Mitglied für die RPK, weil der Herr auf Grund seines beruflichen Hintergrundes das nötige Fachwissen für die komplexen Finanzgeschäfte einer Gemeinde mitbringe. Zudem tun wir mit seiner Wahl ein gutes Werk [ich gebe zu, das ist meine persönliche Zuspitzung], da wir damit das Zeichen setzen, das bestimmt weitere junge Dörflerinnen und Dörfler motivieren wird, sich für ein öffentliches Amt zur Verfügung zu stellen.

Ich lese das Blättchen wirklich sorgfältig und gleich drei Mal durch – aber ich finde die Information nicht: Welche Ausbildung hat denn der Herr Jungspund für dieses Amt nun wirklich? Ich muss das und darf das ganz offensichtlich der SVP einfach so glauben, schliesslich hat sie ja das grösste Reservoir für die Rekrutierung der Behördenmitglieder. Ausser dem Alter des Kandidaten und seinem Namen erfährt man über den Kandidaten keine Fakten, es sei denn, man nimmt das, was die Partei über ihn denkt, als so oder so auch gegeben an.

Da ich aber nicht SVP-Wähler bin, aber Schweizer (auch wenn nicht Bündner), habe ich mit dieser vorauseilenden Gläubigkeit gewisse Schwierigkeiten, bleibe dann aber doch noch ein bisschen länger am roten Schriftzug über dem SVP-Logo hängen. Da steht: “Schweizer Qualität”.

Wie es die SVP wünscht, möchte ich tatsächlich “richtig wählen”. Thinkabouts Wife hilft mir dann wieder mal weiter, da sie im Lokalteil unserer Zeitung gestern den Artikel zur bevorstehenden Wahl entdeckt. Darin kann ich dann auch lesen, dass der Herr Jungspund Wirtschaftsinformatiker FH gelernt hat und als “Berater” arbeitet.

Dass ich mir unter einem Berater nicht so viel vorstellen kann, ist ja vielleicht mein Problem. Aber es scheint ja eben gerade nicht nur mein Problem zu sein, sondern auch das jener, die den jungen Mann portieren. Denn jedem Flyer ist eigen, dass er auch mit dem, was nicht darauf steht, eine ganze Menge aussagt.
Tut mir Leid. Ich bin absolut für Jugendförderung (wobei ja so oder so festgestellt werden darf, dass der Jahrgang 78 schon länger nicht mehr in Sandkastennähe anzutreffen sein dürfte, wenn er keine Kinder hat), aber ich finde doch, dass es uns Beiden nicht besonders hilft, wenn die komplexen Finanzgeschäfte am Schluss mit meinen Steuergeldern bachab gehen.

Liebe SVP: Das hier ist die andere Seite des Jordans. Da genügt es nicht, ein standhaftes NEIN formulieren zu können, noch nicht mal ein JA, ABER. Da ist zumindest Sachprüfung gefragt, und zwar inhaltlich. Jugendförderung für 30-jährige gehört nicht in die RPK einer Gemeinde, und auch in Eurer Partei in geschicktere Hände. Und mit diesem ganzen Artikel sei damit rein gar nichts gegen den Herrn Kandidaten gesagt. Er lässt sich schlicht auf Grund Eurer peinlichen Vorgehensweise nicht beurteilen.