Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Räuber kommen aus der Bank, nicht rein

∞  4 Juli 2008, 21:27

Ein plötzlich positiver Börsenkurs und die negativen Gefühle, die er damit in mir auslöst.


Es mag komisch klingen, in Zeiten wie diesen, in denen die Medien voll sind von negativen Berichten zur Weltwirtschaftslage, zu den allgemeinen Aussichten und der Subprime- und Bankenkrise ganz allgemein.
Und trotzdem dreht es mir in solchen Phasen vor allem den Magen um, wenn ich daran denke, wo und wie gerade jetzt Geld verdient wird. Und damit meine ich nicht die Spekulationen an den Rohstoffbörsen für Nahrungsmittel. Nicht einmal. Sondern ich denke an die kleinen feinen Tricks der grossen Players im Banken- und Börsengeschäft.

Aktuelles Beispiel:

Die UBS informierte vor ein paar Tagen über den Geschäftsgang im zweiten Quartal dieses Jahres. Nicht wenige Analysten gingen von einem weiteren Abschreibungsbedarf aus, konkrete Fragen und Antworten wurden darauf anlässlich der Orientierung nicht gegeben. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass keine Gewinnwarnung verlautbart werden muss, wenn alle Welt eh von einem schlechten Ergebnis ausgeht. Es lässt sich dann vielmehr mit allgemeinen Formulierungen dagegen in einer Art Widerspruch einlegen, dass man als Zuhörer der Eindruck bekommt es würde halbherzig geschehen und man sich noch ärgert, Ergebnisse würden beschönigt.

Dabei hoppelt der Hase wahrscheinlich allzu oft ganz anders: Stellen Sie sich vor, es ist zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass das – an sich ja sehr relative Quartalsvorläufigkeitszwischenergebnis besser ist, als der Tenor der Beobachter es erwartet. Tatsache ist, dass dies eine ganze Reihe von Personen wissen MUSS – und davon profitieren kann. Indem er oder sie hurtig an der Börse Aktien kauft, um sie noch schneller wieder abzustossen, wenn bekannt wird, was man schon weiss. Ist ein Papier mal so ins schwarze Loch getaucht, wie es für die UBS-Aktie gilt, so schlägt der Zeiger schon mal wie ein Erdbebenseismograph nach oben aus, wenn dann eine positive Nachricht einen Silberstreifen am Horizont verspricht.

Heute früh war bekannt, dass die UBS in diesem zweiten Quartal ein ziemlich ausgeglichenes Ergebnis ausweisen können soll – schwupps war das Papier zu Beginn des Handelstages 8% mehr wert, zwei Stunden später nur noch 4%. Gewinnmitnahmen, nennt man das. Das alles höre ich vom Radio im Auto. Es würde dieser bildhaften Abgeschiedenheit nicht bedürfen: Wir Alle haben täglich den gleichen Gedanken: Was wird da alles an uns vorbei gespielt?

Besonders störend ist, dass man sich hier denken muss, dass just jene Spieler Kapital aus solchen Dingen schlagen, die mit ihrer Gier zuvor für das Schlamassel mit verantwortlich waren. Insiderhandel ist verboten. Aber brutal schwer nachweisbar. Denn die Hände, die hier in einander spielen, sind aalglatt und keine Krähe hackt der andern ein Auge aus. Informationen werden als Gegengeschäfte und Gefälligkeiten ausgetauscht, und unter dem Strich sind alle früher oder später die Gewinner.

Das System börsenkotierter Grossunternehmen mit der Managerkaste der risikolosen Grossverdiener lässt den Archetypus des wahren Unternehmers untergehen: Ein Besitzer einer Firma, der sein Geld in sein Unternehmen reinvestiert und seine Befriedigung in der Schaffung von Arbeitsplätzen – und in dessen Erhaltung – sieht, oder dies zumindest mit zu seinen Prinzipien zählt und dafür mit seinem erwirtschafteten Geld und neuen Investitionen immer wieder als Risikoträger einsteht, ist heute schon fast ein Sozialromantiker.

Vornehm geht die Welt zu Grunde, sagt der Volksmund. Ich beobachte, dass die Welt und ihre Bedürfnisse an den teflonbeschichteten Seelen der obersten Kader abperlen, denn es gibt immer noch eine Sparte, ein Investment-Team, ein Hedge Fond, eine Broker-Einheit, die noch besser verdient. Und mag es auch nur dem Hören Sagen nach so sein, es ist trotzdem dominierendes Gesprächsthema.

Grausam ist die Welt, wenn sie sich der Gier ergibt.




[Bildquelle: © Chappatte in “NZZ am Sonntag” (Zurich) Feb 01, 2008


°
Nachtrag 1 vom 5. Juli 2008, 16h20:

Am Ende des gestrigen Börsentages war der Kurs 2.4% unter Vortagesniveau… Timing ist alles… Und das Feld für den nächsten Clou dürfte schon bestellt werden.

Nachtrag 2 vom 6. Juli 2008, 11h55:

Grund des anfänglich hohen Kursausschlags war die Bekanntgabe eines Steuergeschenks von 3 Mia Franken, von dem erst im Lauf des Tages klar wurde, dass dieses Geld eifach vorgezogene Steuerersparnisse sind und somit zukünftige Gewinne schmälern. Sofort sank die Aktie wieder.
Die Informationspolitik war also einfach schlecht, oder berechnend schlecht, wenn jemand Schlechtes denken will…


°