Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die moralisch kaputte Gesellschaft

∞  11 Januar 2008, 19:30

Wir haben uns gestern die Finalsendung von Stephan Raabs Gesangs-Casting-Show angesehen – und durchgehalten bis zum Schluss. Und wir stellen fest:

Wenn Sie mal ein paar Wochen – oder im Fall von Thinkabouts Wife ein paar Monate nicht oder kaum mehr fern gesehen haben, vor allem kein Privatfernsehen mehr, dann kennen Sie sich nicht mehr aus. Unglaublich, welcher Schrott da gesendet wird! Und zwar meinen wir in diesem Fall mehr das Drumherum. Abends um elf ist es ganz offensichtlich schwierig, Werbung zu verkaufen. Also wird ein Trailer des Senders ausgestrahlt, in voller Länge eines Songs von Mel C, wie man lesen kann. Das Ding ist aufwendig gemacht, keine Frage. Aber dass ich mir das in drei Werbeblöcken hinter einander drei Mal ansehen muss? Dazu kommen unzählige Trailer auf kommende sensationelle Blockbuster, auch diese immer wiederholt.

Um ein Uhr in der Nacht gibt es dann Werbung. Und wie! Jetzt suchen nicht nur notorisch 18-jährige „Girlies“ per Videobotschaft einen Freund, und natürlich gerade Sie oder Dich, jetzt wird es ja privat, nein, jetzt wird’s vor allem handfester. Die Welt muss von unbefriedigten Ehe- und Hausfrauen nur so wimmeln, die sich ultimativ einen Seitensprung wünschen, natürlich genau mit Ihnen. Rufen Sie an! Kontaktaufnahme in Ihrer Umgebung garantiert. Die Botschaften sind eindeutig, an Schamlosigkeit nicht zu überbieten und die Bilder passen dazu. Auffallend die immer sehr jungen Frauenstimmen aus dem Off.

Wissen Sie, was der eigentliche Skandal an dieser Werbung ist? Nicht die Werbung an sich, sondern unser und mein Verhalten. Natürlich lebe ich nicht hinter dem Mond und weiss um diese Spots schon länger, aber erst jetzt habe ich dabei Magengrimmen. Bisher habe ich einfach weiter gezappt. Tatsache aber ist doch, dass eine Gesellschaft sich selbst begräbt, die eine solche menschliche Verluderung hin nimmt, ohne dass sich irgendeine Diskussion darüber in der Öffentlichkeit und in den Medien ergäbe. Gerade die Jugendlichen, die auf Orientierungssuche sind, können sich heute an keinen Wertmassstäben mehr orientieren, es gibt keine Grenzen, alles verwirrt sich im Nebelgeschwader der scheinbar so offenen Toleranz.

Was mir besonders zu denken gibt, sind die jungen Frauen(stimmen) in den Spots, die sehr oft ganz eindeutig nicht deutscher Muttersprache sind. Wenn man nun annimmt, und davon darf man nun wirklich ausgehen, dass das ertragreichste Zielpublikum damit angesteuert werden soll, so äussere ich die Vermutung, dass gerade nicht besonders gut integrierte Jugendliche ausländischer Eltern gesucht werden.

Die Jungen aller Nationalitäten lehnen die ihnen fremd und eng erscheinenden alten Regeln ihrer Eltern ab oder bekommen gar keine vorgelebt, weil diese selten zu Hause sind. Es bildet sich eine Macho-Subkultur junger Menschen mit kulturell entfremdetem Hintergrund und Sinnentleerung in der Pubertät. Ein Fressen für jeden, der eine Sexualität vorgaukelt, die nur konsumiert werden kann.

Warum wird das nicht verboten? Niemand würde heute mehr ein solches Verbot mit Erfolg fordern können, und wahrscheinlich wäre es auch nicht zu wünschen. Was geschieht, wenn eine staatliche oder kirchliche moralische Instanz Durchsetzungskraft gewinnt, ist in der Weltgeschichte hinlänglich oft bewiesen worden, nicht nur von fremden Männern mit Turban, dunklem Teint und langen Bärten.

Was hier aber geschieht, ist die völlige Versudelung des höchsten menschlichen Gutes: Der Fähigkeit zu sozialer Begegnung. Die Tatsache, dass wir Sender mit solchem Finanzierungskonzept nicht boykottieren und mit empörten Briefen eindecken, schafft die Grundlage für die nächste Bodenlosigkeit.

Ich weiss, niemand mag sich als Moralist hinstellen, vielleicht auch deshalb, weil er weiss, dass er selbst auch seine Fehler hat. Wir alle sind in unseren Beziehungen mal standfest, dann wieder zweifelnd, schwankend, vielleicht unehrlich, und es ist tatsächlich unsere ganz private Angelegenheit, wie wir damit zurecht kommen, wann immer möglich zu zweit.

Also will man in Ruhe gelassen und nicht beobachtet werden. Aber diese Dinge gehen uns alle an. Und ganz egal, wie gut wir selbst danach leben können, wir WISSEN, dass dies, was hier propagiert und angepriesen wird, ein Ausverkauf unserer Werte ist. Oder der Ziele, die wir uns doch wünschen. Sie werden nicht wertlos, wenn wir daran scheitern und es neu versuchen müssen, aber sie werden besudelt und entwertet, wenn wir nicht dazu stehen, dass wir SO, wie in der Werbung suggeriert, nicht leben wollen.