Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Macht des Wortes und sein Ton

∞  4 Februar 2012, 16:49

Kalte Worte lassen Menschen erstarren, hitzige Worte schmerzen sie. Bittere Worte machen sie bitter, und zornige Worte machen sie zornig.
Freundliche Worte bringen gleichfalls ihr Abbild im Gemüt des Menschen hervor: Sie erheitern, besänftigen und trösten ihn.

Blaise Pascal


Manchmal redet man sich nicht nur ins Feuer – man schreibt auch so. Es gibt auch einen Ton hinter jeder geschriebenen Zeile.

Mancher Text ist rhetorisch gut, sehr geschliffen. Das kann dann Leser begeistern, und gefällt auch mir – zumindest in der aktuellen Gemütslage, die ich dann adäquat wiedergegeben auf dem Papier stehen sehe – oder im Computer, im Netz. Und aus dem Publikum mag ich hören: JA! Dem hast Du es aber jetzt mal gegeben.

Manchmal ist so Luft abzulassen, und öffentlich arbeitende Personen, welche ihrerseits das öffentliche Element ganz bewusst einsetzen und dabei auch auf Polemik setzen, können das sicher ab, ja, mögen irgendwelche Blogger gar nicht wahrnehmen. Darum geht es hier aber gar nicht. Es geht um den Schreibenden selbst und seinen direkten Leser.

Wenn ich also sehr oft zu polemisch bin, so vermisse ich umgekehrt in vielen Medienarbeiten den Versuch und Willen, konstruktiv auf die Dinge einzuwirken und also erstens nicht nur Wiederkäuer zu sein und zweitens die Kritik nicht mit dem Angriff abzuschliessen – sondern sie mit einem konstruktiven Grundton abzuschliessen: Der Kritik folgen müsste der Willen zur Veränderung, das Risiko eines Vorschlags, einer anderen Methodik, die ihrerseits wiederlegt werden kann. Die Kritik offensichtlicher Missstände, das Hervorheben eindeutiger Fehler ist für sich noch nichts, was uns einer Verbesserung näher bringt – bzw. erhebt manchmal den Eindruck, dem Schreibenden, der sich wie ein “Aktivist” gebärdet, gehe es nur darum, jemanden von einem Amt weg zu schreiben oder ein Gerüst nieder zu reissen.

Nun beginnt manchmal der Neubau sehr wohl mit einer Zerschlagung, und auch auf dem Bau sind für die einzelnen Schritte unterschiedliche Firmen spezialisiert. Innerhalb einer Zeitung aber sollte die Gestaltung unserer politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Welt mit dem Mitbauen, der intellektuellen Beisteuer an konstruktive Prozesse, ihren festen Platz haben.
Das vermisse ich oft.

Hier wechseln sich politisch-gesellschaftliche Themen oft unwillkürlich mit eher kontemplativ-spirituellen Texten ab, und mancher Leser mag sich nur für die eine Art an Texten erwärmen können. Das ist auch völlig “in Ordnung” so; trotzdem denke ich nicht daran, dies irgendwie einzugrenzen. Ich kann das gar nicht, denn ich folge dabei dem inneren Impuls: Ich schreibe wie mir ist und über das, was in meinem Gedanken- und Gefühlshaushalt eben ist. Das ist die Freiheit des Bloggers.

Dennoch möchte ich wieder vermehrt versuchen, Texte jeder Art versöhnlicher zu halten, ihnen einen positiven Grundton mitzugeben und dafür auch innerlich zu kämpfen: Denn tatsächlich bin ich mit den Jahren, in denen ich mich freier meinem Schreiben widmen kann, nicht positiver gestimmt worden, was den Glauben an uns und “unsere” Welt betrifft. Aber ich habe nur diese Welt, nur mich, der ich Teil davon bin und genügend eigene Widersprüche habe. Ich bin sie, diese berstende Umwelt und ich habe diesen Wunsch in mir, es möge doch alles viel besser werden, verantwortlicher – und versöhnlicher zwischen den Extremen unserer Wünsche und den Notwendigkeiten von Glück. Denn diese Distanz ist im Grunde eine Künstliche. Wir machen sie selbst, wir fabrizieren sie – mit Konsumartikeln, aber auch mit einer entseelten Wertvorstellung, welche all das auslagert, was nicht messbar ist. Wie hiess es diese Woche in der “Heute-Show”, eine Polit-Cabaret-Sendung mit Brüllcharakter im 2DF, die eigentlich nur deshalb zu beachten ist, weil sie dabei wirklich kein Blatt vor dem Mund zu akzeptieren scheint? Also genau da fiel im Zusammenhang mit der Zukunftsfrage des Euros die Mutmassung, wir könnten eines Tages in den Laden gehen und zum Verkäufer sagen:

Ich brauche einen neuen Kühlschrank und schenke ihnen dafür meine Zuneigung.

Jenseits jedes Ulks in diesem Zusammenhang:
Es ist schwer im heutigen Kontext der öffentlichen Diskussion zu allen gesellschaftlichen Fragen auf die Zwischenmenschliche Sensibilität als Lebensprinzip zu setzen und dafür nicht umgehend belächelt oder gar verlacht zu werden. Sie wissen ja, das Gutmenschentum… Zumal, wenn man sich erdreistet, solche Prinzipien nicht nur anwenden, sondern auch noch darüber reden zu wollen. Gerade darum wäre die Kunst, einen kritischen Text aufbauend wirken zu lassen, ein hervorragendes Mittel, einen Zustand zu beschreiben – und gleichzeitig eine Stimmung zu beeinflussen:

Freundliche Worte bringen gleichfalls ihr Abbild im Gemüt des Menschen hervor: Sie erheitern, besänftigen und trösten ihn.

Es soll immer noch Menschen geben, welche die Beobachtung teilen, dass solchermassen erreichte Herzen auch eher die Kraft aufbringen, sich stärker nach der inneren eigenen Wahrheit auszurichten – zum Wohl auch der Umgebung. Wir haben nur dieses eine Leben und der Schreibende hat immer den einen nächsten Text vor sich. Es gibt also immer wieder Gelegenheit zur Übung. Das ist wirklich ein tröstender Gedanke. Und ein anspornender dazu.