Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Krux mit den Good News

∞  2 Dezember 2011, 21:12

Es gibt sie, die guten Nachrichten. Aber genau so, wie wir unterschiedlich auf Bad News reagieren und uns davon mehr oder eher weniger beeinflussen lassen, so unterschiedlich können wir scheinbar positive oder zumindest neutrale Nachtrichten sehen. Unser Urteil ist von persönlichen Motivationen, kulturellen Werten und allgemeinen Stimmungen geprägt. Dennoch täten uns Allen mehr Good News sehr gut. Wir können dafür auch als Leser etwas tun, indem wir überprüfen, was unsere Aufmerksamkeit findet, und warum.


Wir haben den mycomfor-Dossiers eine neue Artikelsammlung hinzugefügt. Sie nennt sich schlicht Positive News, und will genau das versuchen: Uns Nachrichtenkonsumenten ein wenig umpolen und den Spot auf positive Entwicklungen richten, ohne dabei Zuflucht zu Hinweisen wie dem tollen Coop-Millionenspiel zu nehmen, wie es die Happy Times gerade macht. Was uns zur Frage bringt: Wie einfach oder schwierig ist es eigentlich, wirklich positive Nachrichten auszumachen? Und wie weit wird unser Eindruck durch die Selektion und Gewichtung sowie die Art der Berichterstattung durch die Redaktionen beeinflusst. Und was fesselt unsere Aufmerksamkeit wirklich? Wir werden uns dabei ertappen, dass wir unsere gefühlsmässig knappe Zeit dafür einsetzen, die News-Angebote danach zu durchkämmen, vor was wir uns allenfalls ganz aktuell zu wappnen haben könnten. Dass uns dann irgendwie der Busunfall in Spanien beschäftigt und doch auch wieder nicht, ist genau ein Teil des Problems.

Aber eben, was ist eine positive Nachricht? Wir alle haben unser Wertesystem, und die Gesellschaft, in der wir leben und an der wir uns orientieren, besetzt Vorgänge mit Urteilen, eben Wertungen, welche ausserhalb dieser Kultur ganz anders vorgenommen werden können. Und zu den meisten Nachrichten ist man irgendwie auch Partei. Nicht nur der Terrorist freut sich gar nicht so sehr darüber, wenn irgendwo eine Zelle ausgehoben wird. Der Angehörige einer Ethnie, zu der die Attentäter gehören, wird anhand der Nachricht befürchten, dass auf seine ganze kulturelle Gruppe nun schwere Zeiten mit Voruteilen warten.

Die Nachricht: Die Kuh gibt drei Liter mehr Milch ist für den Bauern eine gute Nachricht, für den Bürger, der sich um die genügende Selbstversorgung sorgen mag, vielleicht auch. Der Tierschützer vermutet dahinter wohl eher mehr Leid fürs Tier und eine denaturalisierte Tierhaltung.

Ein Rekordergebnis für die deutsche Autoindustrie ist eine Positivmeldung für die Volkswirtschaft, nicht aber so unbedingt für die Klimaziele der Regierung. Umgekehrt erscheint uns die Einbusse des Prestiges, ein Auto zu besitzen, unter jungen Leuten ein Hoffnungsschimmer für eine urbane Mobilität, die mehr auf öV und Carsharing setzt. Die Autobauer dürften dies wiederum nicht so toll finden. Es ist also häufig echt schwierig, und setzt man den Hebel ein wenig über dem Boden an, scheint Vieles durchs Raster zu fallen und die vermeintlich so positive Nachricht bekommt einen faden Beigeschmack.

Es kommt noch dicker:
Selbstverständlich gehörten in dieses Dossier, hätte es dieses schon zu Beginn des Jahres gegeben, viele Nachrichten über die erstaunlichen Entwicklungen im arabischen Frühling, ganz bestimmt auch zur ägyptischen Revolution. Wie sehr viel nüchterner sich die Situation ein paar Monate später doch darstellen kann… Liest man ein solches Dossier also ein paar Monate später, so wird man sich auch zerschlagener Hoffnungen neu bewusst. Nur: Dies würde auch für so manche Hiobsbotschaft gelten, die sich im Nachhinein als nicht ganz so gravierend heraus gestellt hat. Nur ist da das nächste Grossproblem ganz bestimmt schon auf der (politischen) Agenda und in allen Nachrichten.

Wie also sich behelfen? Man kommt nicht umhin, eine Wertung vorzunehmen. Ein Weg kann sein, dass man dem folgt, was man im Moment der Lektüre empfindet: Das Rekordergebnis der Autoindustrie macht in Zeiten schlechter Konjunktur Mut. Der veränderte Umgang Jugendlicher mit dem Auto aber auch. Beides spricht Grundsorgen unseres Denkens an.

Ich habe mir keine Ziele gesetzt, wie oft dieses Dossier gefüttert wird. Ich finde es nur wichtig, dass wir Alle immer mal wieder gewahr werden, dass nicht alle Entwicklungen schlecht laufen auf der Welt, und dass wir diese anderen Nachrichten auch wahrnehmen können. Damit stützen wi r die positiv denkenden Kräfte in uns ganz allgemein.

Sehr passend ist es, dass gerade heute DRS 2 sich während sieben Stunden mit dem Thema “Good News” beschäftigt hat. Die Wiederholung läuft gerade noch – seit 17 Uhr. Es kann dazu aber auch im Internet nachgelesen werden:
DRS 2 sendet am 2. Dezember einen Tag lang nur gute Nachrichten aus dem vergangen Jahr. Zu Wort kommen Korrespondenten und Redaktoren sowie das Publikum selbst mit seinen persönlichen good news.

Reinhören tut gut!

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Update vom 3.12.2011, 12h41: Aktuell neu im Dossier: Brasiliens würdevolles Wachstum dank Hungerbekämpfung, oder: Wenn der politische Wille nur gross genug ist…