Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Weltsport vor einem möglichen Höhepunkt

∞  3 Juni 2007, 22:26

In Paris kann sich nächste Woche Sporthistorisches ereignen. Vor mehr als vierzig Jahren ist es mit Rod Laver zum letzten Mal einem Profispieler gelungen, alle vier Tennis-Grandslam-Turniere eines Kalenderjahres zu gewinnen.

Seither hat sich eine Menge verändert. Die Vielfalt der Beläge hat zugenommen. Heute wird nicht mehr vornehmlich auf Gras und Asche gespielt. Jedes dieser vier wichtigsten Turniere der Welt hat seinen eigenen typischen Belag, der aus Tennis ein ganz anderes Spiel macht, indem die Bälle ganz unterschiedlich abspringen und damit das Spiel schnell oder langsam machen. Entsprechend anders ist auch die Laufarbeit auf Gras, Sand oder z.B. Hartplatz.
Zu den verschiedenen Bedingungen kommt der grössere Konkurrenzkampf, die Ausbildung von Spezialisten für die einzelnen Beläge und der extreme Druck durch Verpflichtungen neben dem Platz: Die Medienarbeit ist eine Kunst für sich geworden.

Mit Roger Federer schickt sich nun ein Sportler an, zumindest den ersten Teil des Unmöglichen zu schaffen: In Paris schlägt er zum „Roger-Slam“ auf: Gewinnt er das Turnier, ist er zumindest der erste, der seit 1967 alle vier Turniere in Folge gewinnt, wenn auch nicht im gleichen Kalenderjahr.
Für die meisten Fachleute des Sports wäre das die Krönung einer so schon aussergewöhnlichen Laufbahn des wahrscheinlich besten Tennisspielers aller Zeiten. Und Paris ist das Pièce de Resistance, der schwierigste Teil, um anschliessend mit Wimbledon und dem US-Open auch den echten Grand-Slam zu schaffen.
Aber in Paris wartet nicht nur der tiefe Sand, der die Bälle langsam macht und bei feuchtem Wetter auch noch quälend schwer, es wartet mit Rafael “Rafa” Nadal auch der Sandplatzspieler schlechthin darauf, als erster seit Björn Borg Paris drei Mal in Folge zu gewinnen.

Mit Ausnahme der engsten Nadal-Fans fiebern wohl die meisten Tennisfreunde einem möglichen Erfolg Federers entgegen, ja wünschen ihn sich mit heissem Herzen: Man will das Aussergewöhnliche erleben, den Helden den Olymp erklingen sehen.
Es wäre das leistungsmässige Zeichen dessen, was jeder eh erkennt, wenn er ihn spielen sieht:
Wenn Roger Federer den Grand Slam nicht schafft, wird es niemand je noch einmal erreichen. Er ist der Beste, der je ein Racket in der Hand hatte.

Und eine der herausragendsten Persönlichkeiten, die der Weltsport je gesehen hat. Seine Freundlichkeit und Verbindlichkeit ist sprichwörtlich, seine Medienarbeit exzellent, die Pressekonferenzen ergeben in aller Regel Aussagefähiges, und die Veranstalter kriegen in begleitenden Events zu den Turnieren die vereinbarte Gegenleistung, was nicht immer selbstverständlich ist. Aber bei Federer werden auch alle seine Kollegen lammfromm, oder eben professionell: Eine Autogrammstunde ist eine Stunde, ein Training mit Junioren dauert die vereinbarte Zeit, der Eurosport-Kommentator freut sich über ein Plauschmätschchen mit dem berührbaren Star. Alles ist wunderbar geerdet, nur sein Tennisspiel ist nicht von dieser Welt.

Selten hat ein Weltstar so gut mit den Anforderungen seines Berufs harmoniert und dabei auch vorgelebt, dass dies auch mit erfolgsorientierten Entscheidungen funktioniert. Bei aller Affinität für die Pflichten, die er kennt, bleibt Federer kompromisslos auf Erfolgskurs: Stimmt das kleinste Detail nicht, wird reagiert. Und dabei entscheidet der Spieler aus dem Bauch heraus. Er, der die gefährlichste Ablenkung in einem Turnier nicht selten im Umstand ausmacht, dass er sich mehr um die Befindlichkeit seiner Entourage kümmern muss als um die eigene, hat immer ein feines Gehör für den eigenen Körper und Geist.
Als er sich zu Beginn seiner Profikarriere zwischen zwei Trainern entscheiden musste, entschied er sich nicht für seinen väterlichen Freund Peter Carter, sondern für Lundgren. Als er just Wimbledon zum zweiten Mal gewann, entliess er genau diesen Lundgren, um allein weiter zu machen. Und nun, zwei Wochen vor Paris, trennte er sich von der australischen Legende Tony Roche. Dabei hinterlässt er immer Enttäuschung, aber nie Unverständnis. Weil im Innersten Kürzel seinem Bauchgefühl recht gegeben werden muss, lange bevor selbst die professionellsten Personen im Umfeld das Problem auch erkennen.
Typisches Statement von Federer zu diesem Punkt, sinngemäss: Wenn wir zuwenig reden, ich mir nach dem Match Gedanken machen muss, was der andere wohl jetzt denken mag und wie es ihm geht, dann habe ich meine Gedanken bald auch nicht mehr auf dem Platz beisammen.

Vorläufig geht alles seinen Lauf in die Richtung eines absoluten Showdowns: Federer hat das Turnier in Hamburg ohne Coach gewonnen und damit Nadal nach dessen 81 Siegen auf Sand die erste Niederlage beigebracht. Doch der Spanier marschiert unbeeindruckt durchs Pariser Tableau und wird morgen wohl genau so problemlos wie Federer heute den Viertelfinal erreichen.

Es ist hergerichtet für den Showdown am nächsten Sonntag. Noch hoffen mindestens alle Nicht-Schweizer auch für Nadal das Beste: Der Final soll das Kräftemessen der Besten ermöglichen.