Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der Technopark namens Paralympics

∞  10 März 2014, 19:44

Zahlen, die ein Problem beleuchten, zusammengetragen aus einem lesenswerten Artikel in der NZZ ( Zwiespältige Kultur der Bewunderung ):

An den Winter-Paralympics in Sotschi stellt ein deutsches Unternehmen den Athleten einen Reperaturservice für deren Ausrüstungen zur Verfügung: 28 Techniker aus 11 Ländern stehen 11000 Ersatzteile und drei Tonnen Ausrüstung zur Verfügung.
600 Athleten aus 45 Ländern nehmen teil, 80% stammen aus Europa.

Bei den Paralympics in London stammten 40% der 4500 Teilnehmer aus neun wohlhabenden Ländern, obwohl total 164 Nationen vertreten waren.

Mehr als eine Milliarde Menschen, 15 Prozent der Weltbevölkerung, haben eine Behinderung, 80% von ihnen leben in Entwicklungsländern.

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Technik-Hype mit Universitäts-Knowhow auf der einen Seite, typische Auswirkungen des Gefälles von Reich und Arm andererseits. Mut machende Vorbildwirkung von Spitzensportlern, die absoluten Lebenswillen demonstrieren? Oder Entfremdung für den Grossteil jener, für welche die Behinderung bedeutet, erst mal drei grosse Herausforderungen des Tages zu meistern, mit jedem Sonnenaufgang neu: Gehen, Essen, Toilettengang.

600 Athleten an den Paralympic-Wintergames? Wie viele Disziplinen werden ausgetragen – und wie werden diese nach Behinderungsgrad noch in Klassen aufgeteilt? Ich will überhaupt keine Leistung schmälern, aber hier werden Botschaften gesucht und Bilder gemalt, die doch höchst fragwürdig sind – und auf der andern Seite fehlt dann die Aufmerksamkeit und das Geld für ein in der Breite wirksames Förderprogramm? Es kommt einem gerade so vor, als würde explizit im Behindertensport über die Maxime des Leistungssports die Bitterkeit des Einzelschicksals und das Verständnis für den täglichen Berg negiert, vor dem Behinderte stehen. Auch hier sind immer wieder für mich jene Menschen mit Handicap beeindruckend, die uns immer mal wieder in Erinnerung rufen, dass das Problem des unwürdigen Alltags unverrückbar quälend bleibt, wenn die Grundfunktionen des Körpers nicht funktionieren oder ihm abgetrotzt werden müssen.

Es wäre also schön, wir würden auch da mehr hinsehen – und auch mal gestatten, dass man das als Betroffener einfach zum Kotzen finden kann – und an manchem Tag eigentlich gar nicht mehr möchte – gerade so, wie manch “Gesunder” auch.