Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Den Türken die rechte Information?

∞  23 Juni 2013, 14:28

Demokratie ist eine feine Sache. Vergleichen wir unsere politischen Systeme des Westens mit dem Rest der Welt, haben wir es nicht schwer, allen anderen unser Glück zu wünschen – und Menschenrechte und alle weiteren Insignien dieses Segens anzumahnen. So, wie sich das dann manifestiert, erscheinen wir den Betroffenen aber nicht unbedingt als Heilsbringer, sondern als arrogante Besserwisser.

credit: istockphoto.com/perepelova: “Vote”



Das kann sich schon in der Art der Berichterstattung in den Medien äussern. Das Verhältnis Deutschland – Türkei ist dazu im Moment ein sehr gutes Beispiel.

Da streitet man sich in Deutschland monatelang um die Vergabe der Beobachtungsplätze im Gerichtssaal im NSU-Prozess, schliesst türkische Medien aus und betrachtet es auch nicht als notwendig, dem türkischen Botschafter einen Beobachtungsplatz anzubieten, ganz so, wie wenn es sich bei diesem Prozess um eine deutsche Privatsache handeln würde. Der Meinung kann man ja vielleicht auch sein. Einigermassen absonderlich wird es dann allerdings, wenn umgekehrt Claudia Roth anlässlich der Unruhen in der Türkei nach Istanbul reist, um sich vor Ort ein Bild zu machen (dass sie dabei tatsächlich Tränengas abbekommt, passt ins Bild) – und der Spiegel 10 Seiten auf türkisch veröffentlicht – wohl, um den in Deutschland lebenden Türken das richtige Bild von den Ereignissen in deren Heimatland zu vermitteln.

In diesen Gewichtungen und in den Handlungen mag auch eine gute Absicht liegen – ihr eigen ist aber eine Grundhaltung, nach der Spiegel, Claudia Roth und die Poliitik und Medien im Allgemeinen den Anspruch erheben, über eine Objektivität zu verfügen, die dem türkischen Volk sonst fehlte – gerade so, wie wenn die deutsche Sichtweise als EU-Land und massgeblich am Entscheidungsprozess der möglichen Verbindungen der Türkei zur EU beteiligte Partei, eine in diesem Sinn objektive Sichtweise sein könnte und wollte.

Angesichts der Mängel, die wir in der Ausübung und Ausgestaltung unserer eigenen Demokratie offenbaren, empfinde ich solches Gebaren je länger je mehr als schlichtweg peinlich und anmassend: Wir haben wirklich ausreichend damit zu tun, mit der Gestaltung und Wahrung unserer eigenen politischen Prozesse uns demokratischen Regeln wieder mehr anzunähern – und dann könn(t)en wir auch darauf hoffen, dass das Beispiel Schule macht, oder die Haltung auch Glaubwürdigkeit besitzt. So aber ist jede Initiative Richtung Istanbul, genau so die unterlassenen Aktivitäten einfach nur Aussenpolitik.