Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Auch ohne Netz mit dem Leben vernetzt

∞  20 April 2008, 21:27

Manchmal ist es gut, Freunde zu Besuch zu haben, denen das Internet nicht viel mehr ist als mir früher Meyers Lexikon: Eine Möglichkeit, etwas nachzuschlagen, ein Gang zum Büchergestell, der erst einmal angetreten sein will, die Suche nach einer Information, und dann ist es auch gut und man legt den Band gerne zurück an seinen Ort und wendet sich wieder anderem zu.
Wenn ich in solchen Kreisen erzähle, was ich so online erlebe und womit ich und andere ihre Zeit so verbringen, dann ist es gut, dass der leise Zweifel in den Augen gegenüber von einem mir gut gesinnten Herzen getragen wird. Und es ist dann auch eine Wohltat, wenn mir bedeutet wird:

Diese scheinbar so grosse Welt ist gleichzeitig eine so kleine und für mich so unwirklich, dass ich ein Verweilen darin nie einem Kaffee mit Dir vorziehen würde.

Mag sein, dass in zehn Jahren kein Alltag mehr ohne Internet auskommt. Jetzt aber ist es nicht so, und gerade, wenn ich mir bewusst bin, dass ich nie ohne mein Selbst unterwegs bin, virtuell oder reell, ist es wohltuend, zwischendurch weit weg von Bits and Bytes zu sein. Ich denke an die Kinder, von denen wir reden, die einem Ball nachrennen und sich in der Gruppe balgen, während ich im Netz einen rhetorischen Kampf ausfechte, bei dem ich mich immer in mir selbst spiegle, ohne zu riechen, zu schmecken. Ich denke, ohne dass mein Kopf freier wird. Ich bekomme stattdessen Kopfschmerzen.

Gehe ich aber spazieren, so denkt es sich anders. Der Kopf wird frei. Das Denken ist Teil von ihm, und mein Hirn nimmt körperlich daran teil, der Sauerstoff ist Doping, das Lächeln liegt viel näher, der Gedanke jagt nicht den nächsten, er sucht die Fortsetzung viel eher im Verborgenen, ohne dass ich unruhig würde.

Kurz gesagt: Ich lebe. Ich nehme teil. Gerade, weil mir im Moment schlicht das Atmen genügt. Ich lausche meiner Lunge, und staune: Ohne mein Zutun ist für so Vieles gesorgt.

Und dann gehe ich irgendwann zurück an den PC und schreibe diesen Text. Und wissen Sie was? Es ist plötzlich nicht wichtig, ob er gut ist. Es zählt nur, dass er jetzt für mich stimmt, zu mir gehört wie mein Atmen. Zumindest wie das, was ich vom grossen Geheimnis des Atems gedanklich verstehen kann.

Bild: praeventivpraxis-kiel.de