Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Angekommen. Mit Ruhepuls.

∞  1 März 2012, 15:45

Zeit haben ist auch die Gelegenheit, zu bemerken, wie sehr ich Zeit brauche.


Allmählich komme ich an, lasse ich los, geniesse ich den Moment, verliere alle Unruhe. Bergen ist freundlich zu mir, indem es vor sich hinrieselt und mich so einlädt, mir bei allem wirklich Zeit zu lassen.

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Ich schaue mir die ersten Photos von gestern Abend an, und ich tue es voller Freude über die Tatsache, dass ich hier sein darf. Ich freue mich am Moment, und ich freue mich auch auf die Zeit nach der Reise, wenn mir die Fotos die Gelegenheit geben, in der Nachbearbeitung alles immer wieder zu erinnern, zu vertiefen und damit die Reise lange nachklingen zu lassen.

Wir sind heute in der Lage, die Welt so schnell zu umrunden, an jeden Ort der Welt zu springen. Um so erstaunter bin ich, und das nimmt jedesmal zu, wie grundlegend verschieden sich das Alltagsleben präsentiert, reist man nur ein paar Stunden in eine andere Himmelsrichtung.

Es liegt kein Schnee in Bergen. Es ist die zweitgrösste Stadt Norwegens, der Augsangspunkt fast jeder touristischen Unternehmung in die Fjorde Norwegens, und damit sind nicht die Expeditionen gemeint, sondern die durchaus sehr komfortablen Möglichkeiten, wie sich heute Norwegen entlang der Küste nordwärts erkunden lässt.
Wir haben Nieselwetter, keine Minustemperaturen. Wolkenfetzen lassen sich über die Hügel hängen, und doch wirkt alles beschaulich, eingerichtet. Auch Bergen ist nicht fertig gebaut, stellen wir fest. Aber wir können auch bemerken, schon hier, dass der Norden Europas auch in den gemässigten Gefilden den Menschen schon andere Lebensumstände beschert. Alles wirkt ein bisschen rauher, die Menschen wirken ein bisschen knorriger, kantiger, die Häuser haben liebliche Fassaden, aber es lässt sich gut erahnen, dass man hier jederzeit auf mehr Härte eingestellt ist, als wir sie kennen: Es ist, als könnte das Hudelwetter jeden Moment kommen und keinen würde es richtig kümmern.

Das Hotelzimmer ist warm geheizt, zu warm. Norwegen hat Öl, die Energie scheint kein Problem. Trotzdem dürfte jeder Einheimische grinsen, wenn wir draussen die Nase in den Kragen stecken, nach Kuschelwärme suchend. Norweger sind dafür bekannt, dass sie die Natur suchen, als hätten sie den Wintersport erfunden. Wie gesagt: Es ist mild in Bergen. Aber ich kann ihn spüren, den Winter, seine schon hier andere Sprache, mögen wir auch aus einem für Schweizer Belange harten Flachlandwinter hierher gereist sein.

Wir werden also hinein schnuppern ins Leben der Norweger, entlang der Küste, hoch bis nach Kirkenes, auf dem Hurtigruten-Postschiff-Kurs, von dem die Werbung sagt, es wäre die schönste Seereise der Welt. Wir werden sehen, was uns der Wettergott beschert, und wir werden es demütig annehmen. Und uns an allem freuen, was wir von diesem Teil Europas erstmals kennen lernen dürfen.