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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Afrika - und wir peinlichen Westler

∞  1 Oktober 2014, 23:50

#484896077 / gettyimages.com


Afrika hat eine traditionelle Volkskrankheit, die den Kontinent bedroht, zumindest die armen Afrikaner, und eine neue, die noch mehr Opfer forderte, weil sie auf kulturelle Voraussetzungen traf, die sie begünstigten: Wir sprechen im Zusammenhang mit Afrika die Krankheiten Malaria und Aids fast simultan aus. Und wir müssen uns dabei gleich zweimal einen Spiegel vorhalten lassen:

Aids ist in westlichen Ländern heute viel besser kontrolliert als in Afrika, weil es genügend – zwar aufwendige, aber regulierende – Therapien gibt, welche der Krankheit den Schrecken des sicheren Todes genommen haben. Was bleibt, ist ein grosses Geschäft, weil die teuren Behandlungen lebenslang notwendig sind – und im Westen von den Krankenversicherungen bezahlt werden. Was dazu führt, dass hier geforscht und investiert wird – während die gleichen Therapien in Afrika von praktisch niemandem bezahlt werden können – weshalb sie nur dann Nachdruck erleben, wenn gerade ein Pharmariese ein wenig Image-Werbung nötig hat.

Noch viel bemerkenswerter und beschämender ist die Situation bei der Bekämpfung der Malaria. Wenn wir Westler von der Malaria Notiz nehmen, dann steht unsere eigene Ferienreise bevor, und wir lassen uns aufklären, dass es die gängige wirklich unproblematische Malariaprophylaxe – je nach Region gar nicht mehr gibt. Das Problem ist, dass die Erreger-Mücken resistent gegen die extensiv angewendeten Mittel geworden sind, und die Forschung für Alternativen vernachlässigt wurde: Wir zetern unseren Protest und finden es skandalös, erleben aber nur für einmal, dass es beklemmend ist, mit dem eigenen medizinischen Problem zu einem uninteressanten kleinen Markt zu gehören, für den sich die Forschung der Pharmafirmen nicht lohnt: Die meisten Afrikaner, die Malaria-Medikamente nötig hätten, könnten sich die alternativen Medikamente gar nicht leisten – zumindest nicht mit den hohen üblichen Margen für die Pharmafirmen. Also keine Forschung. Oder nur eine eingeschränkte.

Nun haben wir die Sequenzen der Ebola-Epidemie auf den Bildschirmen und sehen die surreal wirkenden Bilder der vermummten Gestalten in ihren Schutzanzügen, Gummistiefeln und Latexhandschuhen und denken uns den Kontinent Afrika einmal mehr weit weg von allem, was bei uns vorstellbar wäre. Und wir lesen oder sehen vielleicht noch die Reportagen der mutigen und idealistischen medizinschen Helfer, die vor Ort ihr Leben riskieren – für die Infizierten oder jene, denen die Krankheit droht. Aber es ist weit weg.

Aber das ist vorbei. In den USA, so wurde nun bekannt, ist ein Ebola-Patient eruiert worden. Einer. Sofort werden die Reportagen fetter. Wir erfahren, dass der Mann in Quarantäne liegt und ein Teil seiner Verwandten auch. Und die Berichte gleichen sich: Die Offiziellen der Gesundheitsbehörden fühlen sich genötigt, in der Tatsache, dass der Patient zuerst wieder nach Hause geschickt wurde, bevor er beim zweiten Besuch aufgenommen wurde, ein Versäumnis zu sehen, das so bestimmt nicht mehr vorkomme – und die Deutschen betonen sogleich, dass so was bei ihnen gar überhaupt nicht vorkommen könnte, weil die Sicherheitsmassnahmen viel besser wären.

Da verspricht jeder Verantwortliche Dinge, die gar nicht zugesagt werden können, verdeutlicht man sich auch nur ansatzmässig, wie weitmaschig das Netz bleiben muss, in dem die Symptome einer solchen Infektion zu lange verborgen bleiben können – oder falsch diagnostiziert. Dafür wird dann noch angefügt, dass die Ebola-Krise nun wirklich gezielt, fundiert und mit aller Macht bekämpft werden müsste. Peinlicher könnte der Westen nicht mehr bezeugen, wie selbstbezogen er agiert – wie alle Regierungen aller Länder auf der ganzen Welt. Das Unerträgliche ist nicht so sehr die Vorstellung, dass allen das eigene Heil am Nächsten liegt, sondern der Umstand, dass der Westen immer so schnell dabei ist, weis machen zu wollen, er würde anders handeln.