Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 2 (2)

∞  9 April 2007, 20:39

Gereist am 8. Juli 2006, von Ulaanbaatar zum Ogiy-See


Nässe in Variationen


Schon bald fällt uns auf: Die Weiden sind sehr grün. Es muss sehr viel mehr geregnet haben, als wir das von 2002 kannten. Und auch jetzt ist der Himmel bewölkt und grau.

Ein grüner Sommer ist ein guter Sommer.

Von Zeit zu Zeit leuchtet eine Jurte am Horizont, als wäre sie am Himmel aufgehängt, und als Silhouette, wie festgeklebt am Boden, stehen in deren Nähe gesattelte Pferde, angebunden am gespannten Seil.

Wir besuchen eine Ruine,

deren Namen mir leider entfallen ist. Sie soll aus dem 15./16. Jh. stammen (Kharbuch?, der Name soll “der schwarze Bulle” bedeuten). Die Steine wirken so sauber und flach auf einander gelegt, als wäre gestern die Rekonstruktion fertig gestellt worden… In einem Ger dokumentiert eine Art Museum die frühere Siedlung.

Wir machen kurz Picknick und schauen, dass wir weiterkommen. Ein Gewitter kündigt sich an, und als es sich entlädt, werden die Fahrrinnen links und rechts der Mittelnase der Strasse rasch zu kleinen Rinnsalen, dann zu Bächlein. Kein Fahrer fährt gerne durch Wasser, denn dann fährst Du immer “blind” und weisst nicht, ob nicht ein scharfer spitzer Stein Ungemach verspricht, oder ein überschwemmtes Schlagloch. Also fahren wir in Kurven Umwege durchs Gras. Der Boden ist zum Glück nicht so aufgeweicht, dass wir häufig stecken bleiben. Nur einmal müssen wir zurücksetzen, bevor sich die Räder im Schlamm eingraben.
Während sich der graue Himmel im stehenden Wasser in den Fahrbahnen spiegelt, suchen alle ihren“ Reise-Rhythmus“. Baktar muss genau so seinen Rhythmus beim Fahren finden wie wir beim Beifahren. Auch wenn Du nur sitzt: Du kannst Dich gegen die „Pumps“ und das dazu gehörende Schütteln wehren oder nicht – und nicht immer ist die gleiche Strategie erfolgreich, um weniger zu ermüden…

Immer wieder geht unser Blick auch nach oben, wo sich selbst jetzt der Himmel weitet. Die Wolkenbilder, die sich über die Landschaft spannen, wechseln immer wieder, als würde der Wind den Himmel bemalen wollen.

Nach achtzehn Uhr, nach mehr als acht Stunden Fahrt, treffen wir am Ogiy-See ein, gerüttelt und geschüttelt.

Es geht ein rauher Wind. Leider sind die Jurten im Camp alle belegt. Aber ein Holzhaus ist frei, das genau so im Rundbau angelegt ist wie ein Ger. Es gibt sogar Strom. Auch wenn das die Glühbirne nicht unbedingt erahnen lässt: Sie hängt nackt von der Decke, und das Regenwasser rinnt dem Kabel entlang, bis es schliesslich auf den Boden tropft…

Ein bisschen Rumoren auf dem Dach und das Tropfen wird weniger. Wir machen Feuer im Ofen und Kochwasser auf dem Gasherd. Die Wärme in der Hütte ist gemütlich. Danach zieht es Thinkabout with Wife und Thomas hinaus auf Erkundung. Der See scheint recht gross zu sein. Es geht eine steife Brise und das Strandgut ist fast so vielfältig wie an einem Meeresstrand. Meine Frau findet eine Riesenmuschel, und, als zusätzliche Besonderheit, einen recht grossen Süsswasserschwamm.

Ein paar leicht verlotterte Pedalos stehen am Ufer und leuchten in der Abendsonne. Auf dem Rückweg zum Camp finden wir gar ein Gewächshaus, das in bestem Zustand ist – es wird ein seltener Anblick bleiben. Hier auf jeden Fall gibt es für das Gemüse über die Jahreszeiten hinweg regelmässig und ausreichend Wasser.

Die Schatten werden von der Dämmerung verschluckt, und es zieht uns unter die Bettdecken. Schon kurz nach dem Lichterlöschen zersägt das regelmässige, tiefe Schnarchen von Thomas die Stille, doch ich finde sie schnell in meinem eigenen Schlaf wieder. Wann habe ich zum letzten Mal mit “fremden” Menschen in einem Raum geschlafen? In der Armee? Ich lausche seinem Atmen, wünsche ihm etwas mehr Regelmässigkeit, und dann habe ich in meiner eigenen Ruhe keine Wünsche mehr.