Reflexionen

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Vietnam: Hue - Thien Mu Pagode, Zitadelle, Kaiserstadt und Grabmal von Tu Duc

∞  7 September 2009, 08:58

Erlebt am 6. April 2009, nachmittags


[ Bilder des Berichts vollständig im Album ab hier ]


Um 12:30 steigen wir in ein Drachenboot, in dem der Bootsführer mit seiner Familie auch wohnt. Dafür, dass die Frau während der 40minütigen Fahrt auf dem Parfümfluss (Song Huong) versucht, uns von T-Shirts bis Karten alles Mögliche zu verkaufen, habe ich recht wenig Sinn: ich schaue demonstrativ in den Regen hinaus. Auch bei schönem Wetter gäbe es hier nicht wirklich viel zu sehen.
Die Kinder der Familie kümmert das alles reichlich wenig.



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Es geht zur Thien Mu Pagode, die der Himmelsgöttin geweiht und eines der meistverehrtesten Heiligtümer Vietnams ist. Der Tempel wurde 1601 erbaut, der achteckige Turm mit sieben Stockwerken 1840 hinzugefügt.




Zu der Kloster-Anlage gehört auch noch ein Seerosenteich in einem wunderbaren Garten mit vielen Bonsais in allen Variationen. Ich glaube, ich weiss jetzt, was Thinky unter guten Stimmungsbildern versteht, zumindest visuell.






Ebenfalls hier zu besichtigen ist das Auto, mit dem ein Mönch dieses Klosters – Tich Quang Duc – am 11.6.1963 nach Saigon fuhr, wo er sich selbst anzündete, um so gegen die Unterrückung, Verhaftung und Hinrichtung tausender Buddhisten unter der Diem-Regierung zu protestieren und dessen Gedenktafel wir bei dem grossen Buddha in Nha Trang gesehen haben.

Zurück geht es mit dem Auto und direkt zur Zitadelle.




Hue war zwischen 1802 und 1945 die Hauptstadt Vietnams und somit die Residenz von dreizehn Kaisern der Nguyen-Dynastie.

1804 wurde die Zitadelle erbaut, die ein 5,2 km2 grosses Gebiet umfasst. Darin sind in konzentrischen Ringen die Kaiserstadt und die Verbotene Purpurstadt angelegt, die während des Krieges leider fast vollständig zerstört wurde. Einige Gebäude wurden von der UNESCO restauriert, andere werden wieder aufgebaut.

Wir überqueren den 40m breiten Wassergraben mit seinen Kois und Seerosen,




steigen auf einen Turm der Zitadelle. Die grün glasierten Ziegel auf den Dächern kontrastieren wunderbar mit dem Gelb und Rot der Wände, den beiden Farben, die dem Kaiser vorbehalten sind.




Wir gehen durch die Kaiserstadt mit ihren Audienzhallen, Tempeln, Teichen und Gärten, durch unzählige Tore, an denen der Zahn der Zeit nagt, die Farben etwas verblassen lässt, aber gerade dadurch eine so starke Wirkung entfalten,




kommen zur Purpurstadt. Jedes Detail ist gewollt, nichts zufällig, alles hat Symbolcharakter und ist zum Schutz und Ruhm des Himmlischen Herrschers und seiner nie enden wollenden Macht da. Die Klinkerplatten am Boden glänzen im Regen, erzeugen Spiegelungen.



Auf den Dächern sorgen riesige Fischmünder für den Ablauf des Wassers.
Was für ein traumhafter Ort!
Am Anfang lief D ständig ins Bild, jetzt ist er immer schon um die Ecke und weit voraus, Thinky kommt nach, wenn er die Weitwinkel-Fotos gemacht hat, ich halte die Verbindung. Weshalb D nicht hinter uns stehen bleiben kann, weiss nur er. Aber er gibt sich Mühe – und hat.

Zwei Stunden sind wir geblieben. Auf dem Rückweg zum Auto sagt er, es freue ihn, wenn es uns gefalle.

Um 16:15 sind wir beim Grabmal von Kaiser Tu Duc, das sieben km ausserhalb Hue liegt, auf dem halben Weg zum Hotel. Auch das ist wieder eine ganze Anlage,




die u.a. einen sehr schönen Holzpavillon, der auf Stelzen halb in einem künstlichen See steht, und sich darin dekorativ spiegelt,




einen Ehrenhof mit Mandarin-, Pferde- und Elefantenfiguren, einen weiteren Pavillon




und schliesslich das Grab selbst umfasst.

Im Palast residierte der Kaiser noch zu Lebzeiten.

Die Vietnamesen sagen über den Ort: „Wo die Trauer lächelt, und die Freude weint“. Da gibt es nichts hinzuzufügen.

Es ist nach 17:00, die Anlage ist eigentlich schon geschlossen. Wir schlüpfen wohl als Letzte hinaus. Ich bin nur noch müde, freue mich aufs Hotel, wo es gemäss Programm auch etwas zu essen gibt.

Nix da, die Agentur zahle kein Nachtessen in einem 5-Sternhotel, das sei viel zu teuer, wir könnten uns im Hotel umziehen und würden dann zum Essen ins 15 km entfernte Hue zurückgefahren und wieder hingebracht. Das wurde D angeblich so von der Agentur beschieden, mit dem netten Nachsatz, wir könnten ja die zuviel bezahlte Differenz bei Kuoni zurückfordern. Ich habe keine Lust zu streiten, aber auch keine, sinnlos in der Gegend herumzufahren, noch weniger, mich beim Essen beeilen zu müssen, bloss weil es spät ist und die zwei warten. Wir schlagen vor, dass wir jetzt gleich essen gehen, und auch nicht in Hue, sondern in einem Restaurant auf dem Weg zum Hotel. Mit diesem Vorschlag kann sich sogar die Agentur einverstanden erklären.

Bereits auf dem Parkplatz werden wir von jungen, elfengleichen Damen mit Regenschirmen abgeholt. Wie in den meisten gehobeneren Restaurants tragen sie das vietnameische Nationalkleid, das seidene Ao Dai, eine Hose und darüber einen langen, an den Seiten bis zur Taille geschlitzten Kasack, der ihre von Natur aus schlanken, anmutigen Figuren betont. Ich bin sicher, dass viele von ihnen ihre eigene Taille mit den Händen umfangen könnten, wenn sie etwas zudrücken, so zierlich gebaut sind sie, jedenfalls in jungen Jahren; und gesund sehen sie dabei auch aus. Wir werden über ein hübsches Brücklein geleitet, das über einen Teich direkt ins offene Restaurant führt. Alle Möbel sind schwarze Lackarbeiten, die Tischtücher blutrot, und von der Decke hängen Töpfe mit Orchideen. Wow! Genauso ist auch das Essen, eines der besten, die wir bis jetzt genossen haben.


Fremde Fremdenführung


Der erste Tag mit unserem Guide namens D. Auch im Umgang mit Menschen aus fremden Kulturen trügt der erste Eindruck oft nicht. Hier ist das auch so. D lässt jede professionelle Zuvorkommenheit vermissen. Es scheint mir, als hätte er den Verdacht, sein Dienst für uns Touristen wäre unter seiner Würde. Wie viele Angestellte in staatsnahen Betrieben eines sozialistischen Systems hat er ganz offensichtlich ein Problem, sich auf seinen Dienstleistungsjob einzustellen und einzulassen. Was von ihm scheinbar verlangt wird, erscheint ihm so, als würde man von ihm die Dienerschaft in einem archaisch autoritären System verlangen. Ich verstehe, wie das entsteht, aber es ist dennoch bemühend, auch in den Ferien gegen solche feste Bilder anzukämpfen. Dabei ist das nicht allzu schwierig: Sobald Menschen wie D. sehen, dass man sich tatsächlich für ihr Land interessiert, man begeistert ist für die Kultur und nicht nur Sehenswürdigkeiten abhakt, tauen sie auf, werden weicher und plötzlich tatsächlich zu Botschaftern ihres Landes. Dann ist der Dienst keiner mehr an uns, sondern an seinem Land, und endlich kommt er da an, wo ein westlicher Touristikführer beginnt (wenn er seinen Job seinerseits begriffen hat). Immer wieder ist es für mich erstaunlich, auch in meiner eigenen Tätigkeit, wie vorgefasst, einfach gestrickt und holzschnittartig die Bilder sind, die sich Menschen von “den anderen” machen. Den Nachbarn, den Schweizern, den Männern, den Zürchern, den Geschäftsleuten, den Managern, den Verkäufern. Es ist verwunderlich und manchmal auch ein wenig peinlich, wie leicht solche Menschen zum Staunen zu bringen sein können – sofern sie noch nicht endgültig auf die eigenen Bilder fixiert sind.
Noch etwas ganz anderes fällt uns auf: D. übersetzt offensichtlich herzlich gern und voller Freude und sehr genau unser Lob an die Angestellten des Restaurants und unseren Dank für das ausgezeichnete Abendessen. Bei ihm gibt es keinen Standesdünkel, der es ihm unmöglich machen würde, “gegen unten” ein Lob weiterzureichen. Er sieht sich auf gleicher Ebene mit seinen Landsleuten uns gegenüber. Und so bekommen wir mit, was unsere Anerkennung bei den Frauen auslöst: Bezauberndes und gleichzeitig herzlich offenes Lächeln, ohne jede Maskenhaftigkeit. Ganz natürlich. Was ein Dank doch alles auslösen kann. Und erneut scheint D. überrascht, wie ernst wir diesen Dank auch meinen. Und so nehme ich auch das wieder einmal beklemmende Wissen mit mir auf den Heimweg, wie viel eben viele westliche Touristen auch dafür tun, dass sich Menschen wie D. so auf ihren Job einstellen, wie sie es eben tun. Auch sie machen ihre Erfahrungen, und wahrscheinlich ist das ein Job, bei dem man es besonders leicht hat, diese Erfahrungen mit vorgefassten Bildern abzugleichen, die ihrerseits auch ein bisschen Hochmut enthalten, der mit berechtigtem Stolz verwechselt wird.
Selbst lässt sich nicht mehr tun, als in ein paar Stunden gemeinsamer Zeit Respekt zu zeigen. So lange, wie die Achtung gegenseitig entgegen gebracht wird.


Als wir beim Pilgrimage Village ankommen, ist es natürlich schon dunkel. Dennoch können wir auf unserem Weg zum Bungalow sehen, dass die Hotelanlage zu den schöneren zählt. Und das Zimmer erst; da kann man sich ja verlaufen! Und das offene Badezimmer: die Badewanne ist im Boden eingelassen, und wenn man darin liegt, kann man direkt zum Fenster hinaus in den Privatgarten sehen. Zudem gibt es im Freien noch eine Dusche. Ueberall liegen kleine, rote Blümchen, auf dem Bett, auf der Frottierwäsche, auf dem Früchtekorb. Auf dem Sitzplatz stehen zwei Liegen, und daneben hat es so etwas wie einen Mini-Pool von 1,2m Tiefe und dem Hinweis, dass keine Life Guard im Dienst sei. Also ich finde das Hotel durchaus fünfsternig, aber beim Kuoni-Rating hat es nur 3,5. Und dies alles nur zum Schlafen!