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Uli mit hinterzogenem Image - so oder so.

∞  22 April 2013, 20:57

Bayern, nicht nur der Fussballclub, ist perplex: Uli Hoeness gesteht per Selbstanzeige Steuerhinterziehung ein. Von Jauch bis Münchner Kurier – niemand hat bundesweit ein aufrüttelnderes Thema. Dabei reiben sich die Kommentare an der offensichtlich gewordenen Diskrepanz zwischen dem moralischen Anspruch des Vorzeigemanagers und seinem eigenen Verhalten. In praktisch jedem Artikel werden dabei Annahmen getroffen, die noch nicht bewiesen sind, auch nicht durch Hoeness’ Selbstanzeige – was für hochrote Köpfe sorgt, die dennoch abgeschnitten werden dürften.

Über das Ausmass des Delikts, die im Raum stehenden Summen an Vermögen und der Art der unterlassenen Steuerzahlungen geistern extrem unterschiedliche Angaben und Annahmen durch die Presse. Hoeness selbst betont, dass es sich beim auf der Schweizer Bank Vontobel liegenden Geld um versteuertes Geld handelt, wonach er es also nicht schwarz erworben sondern ursprünglich offiziell verdient oder geliehen bekommen und es auch entsprechend versteuer that. Weissgeld also. Was Hoeness unterliess, war die Deklaration und Entrichtung der Kapitalerträge auf diesem Geld in der Schweiz an den deutschen Fiskus. Das ist, bei allem Ausmass des Geschäfts, ein etwas anderer Vorgang, als die Kolportage nahe legt, nachdem es sich bei Hoeness’ Konto um Vermögenswerte von vielen hundert Mio Euro handeln soll, wobei stillschweigend dann auch angenommen werden soll, dass auch der Grundstock dieses Geldes nie einer Steuerbehörde bekannt gemacht worden wäre. In diesem Fall darf dann auch gemutmasst werden, dass diese Transaktionen mindestens mittelbar auch mit dem FC Bayern zu tun hätten.

So weit, so schlecht. Die Reputation von Uli Hoeness dürfte im Eimer sein. Dafür reicht die Höhe seiner öffentlich an Institutionen und Mitstreiter und Gegner gerichteten Ansprüche einerseits und sein eigenes Fehlverhalten andererseits völlig aus. Auch im besten aller noch möglichen Fälle. Es ist auf jeden Fall nicht vorstellbar, dass Hoeness sich noch jemals zu den Mauscheleien der FIFA äussern kann, ohne Gelächter hervorzurufen. Bitterer könnte man ihm selbst nicht vor Augen führen, wo er sich hingespült hat.

Dennoch stimmt es auch in diesem Fall schon sehr nachdenklich, wie locker die Colts in den Halftern sitzen, bei Journalisten und Politikern. Ähnlich wie beim Geschichtsprofessor und scharfrichtenden Chef-Rhetoriker der SVP, Christoph Mörgeli, dürfte die zuweilen scharfe eigene Zunge so manche Retourkutsche ausgeölst haben – fern aller gebotenen Vorsicht angesichts unklarer Faktenlagen.

Nicht nur Hoeness muss nun um einen letzten Rest Glaubwürdigkeit kämpfen – auch die Medien begehen in einem solchen Fall einen sehr schmalen Grat zwischen Rufmord und Faktenrecherche. Und die Haltung der Politiker, wie schnell wer was anzunehmen und entsprechend zu kommentieren bereit ist, dürfte nicht nur von jenen Bürgern aufmerksam verfolgt werden, die selbst Leichen im Keller haben – die Manipulationen und umgekehrt die Abgrenzungsversuche in der öffentlcihen Meinungsbildung erlaubt dem Wähler auch einen Blick auf seine Volksvertreter. Und die Vertretenen werden sich weiter zu fragen haben, ob Männer wie Hoeness wirklich Grund dafür sein können, dass sich Staaten zu Hehlern machen sollen, dass der Erfolg einer Widerrechtlichkeit, also gesteigerte Sicherheit (US-Argument für reduzierte Freiheisrechte) oder Steuergerechtigkeit (Kauf von gestohlenen Steuerdaten) den Tabubruch einer gebrochenen oder extrem gebogenen bestehenden Rechtsnorm durch den Staat weiss waschen kann?

Dass solche Reflexe, werden sie üblich (und das werden sie, denn der Staat löst mit Steuerdatenverwertung ja nicht wirklich sein Ausgabenproblem), sehr schnell beim kleinen Mann ankommen, zeigt die Zypernkrise mit der schleichend aber durchgehend denkbar gewordenen Enteignung der Sparer.

Die Gesellschaft hat ein Solidaritätsproblem. Die Person Uli Hoeness macht es deutlich: Reiche erfolgreiche Menschen unserer Gesellschaft entledigen sich in einer sich verselbständigen inneren Rechtfertigung – mit welchen abstrusen Argumenten auch immer – eines Teils ihrer Steuerlast – wie sie es wohl schon immer getan haben. Doch nun ist nicht nur der einzelne Staat, jetzt ist das ganze politische System in Schieflage, und da es an Konzepten fehlt, bedient sich die Politik des Nimbus des Dorfpolizisten, der den Dieb schnappt, oder besser angezeigt bekommt, und ihn dann öffentlich am Wickel nimmt, auf dass der Empörung der scheinbar Dummen ein bisschen Futter gegeben kann. So bleibt es dann auch bei dieser Entrüstung über Figuren – und die Hilflosigkeit, mit der den Systemfehlern begegnet wird, gerät in Vergessenheit. Wie so irgendwas besser werden soll, ist mir allerdings schleierhaft.

Dass die Politker in diesem trüben Gewässer wieder gewählt werden wollen, weil sie weiter darin schwimmen wollen, lässt mich vermuten, dass auch und gerade sie noch nicht erkannt haben, wie verflixt vermaledeit die Situation ist, in die wir uns manövriert haben und in die wir weiter hinein schlittern.