Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Später Nachruf für ein Lächeln

∞  15 Januar 2010, 21:44

In Zürich trifft man in diesen Wochen immer mal wieder auf Fotos von Hugo Loetscher. Der Schweizer Schriftsteller ist im letzten August gestorben. Hätte ich viel von ihm gelesen zu seinen Lebzeiten, so wäre hier bereits von ihm die Rede gewesen. Aber die Papiere des Immunen liegen noch im Bücherschrank. Irgendwie war für mich nie die richtige Zeit dafür. Sie wird noch kommen. Dennoch ist mir Hugo Loetscher immer aufgefallen. Ich finde, dass er eine ganz spezielle physische Präsenz hatte.

Diese markante Brille, das füllige, oft zerknautschte Gesicht, zu dem fast genau so oft ein krempeliger Mantel oder sonst ein an sich “rechtes” Kleidungsstück eher achtlos erduldet als bewusst getragen wurde. Dieser Mann machte nicht viel Aufhebens um sich, scheint es, und ich weiss jetzt auch, was meinen Blick so anzieht: Es sind seine Augen.

Diese Augen strahlen oft eine bescheidene Gelassenheit aus, und so ist er auch einer jener Schriftsteller, die sich nie gescheut haben, auch journalistisch zu schreiben. Da war kein Dünkel, oder zumindest wenig Kopfzerbrechen darüber, ob eine bestimmte Art des Schreibens unter einer schriftstellerischen Würde liegen könnte. Zeitungsinterviews mit ihm sind mir immer mal wieder aufgefallen. Sein Blick über die Grenzen wurde auf Grund seiner vielen Reisen als weltmännisch bezeichnet. Eine Bezeichnung, die Hugo Loetscher nicht gerecht wird, weil es ihn auf einen Sockel hebt, den er nicht braucht und nach dem er bestimmt nie gesucht hat. Loetscher legte keinen Wert darauf, besonders weltgewandt zu wirken. Er wollte die Welt einfach sehen und verstehen und sah sich als ein Teil von ihr, dazu da, sich von ihr etwas sagen zu lassen und ihr etwas zurück zu geben.

Wenn Loetscher lächelte, dann lachte meist das ganze Gesicht mit. Er hatte was zu sagen und viele Freunde und Sympathisanten einer sich weltoffen verstehenden Schweiz waren froh um seine Stimme. Unaufgeregt war sie stets, diese Stimme. Es hat seiner Bedeutung ganz bestimmt nicht geschadet.

Im Museum Strauhof in Zürich ist zur Zeit eine Literaturausstellung über diesen Mann zu besichtigen. Ich war noch nicht dort. Aber ich werde wohl noch hingehen. Ich möchte nach diesem Lächeln in seinem Werk ein bisschen weiter forschen. Ein Lächeln, das nicht eben mal hin geworfen wird. Nein. Es leuchtet aus der Fülle dieses Geistes und sitzt entsprechend tief.

Wie er wohl gestorben sein mag? Mit welchem Blick auf die Welt ist er gegangen? Hat er ein Lächeln mitnehmen können, oder ist es ihm in den letzten Jahren vergangen, angesichts unserer sonderfälligen Irrungen und Verwirrungen im Herzen Europas, zu dem uns doch viele nicht mehr so richtig zugehörig sehen wollen (von innen wie aussen betrachtet)?


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zusätzlicher Link zur Literaturausstellung: art-tv.ch
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Bilder?
Die Brille: schwabe.ch Marc Welti, Porträt Hugo Loetscher, Redaktionelle Fotografie
Der Mann: Badische Zeitung, Foto: museum
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