Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Recovery. Eine Art Erfolgsmeldung.

∞  13 April 2010, 20:40

Sie erleben einen gaaaanz besonderen Moment mit. Weil er so normal ist: Ich schreibe diesen Text wie so viele andere zuvor auf meinem privaten Laptop mit der Thinkpad-Tastatur, die ich so liebe. Was daran besonders ist? Zum ersten Mal habe ich als Computeranwender eine alte Kiste erst komplett entleert und anschliessend wieder neu aufgesetzt. Knapp vor Garantieende, freundlicherweise, hat mein Lap nach fast drei Jahren die Arbeit eingestellt.

Ich verstehe bis jetzt nicht, was genau das Problem war, aber eine Deinstallation eines Swisscom-Programms hat mein liebes Stück ganz offensichtlich überfordert. Oder einfach geärgert. So viele Warn- und Error-Bildchen habe ich auf meinem Bildschirm noch gar nie gesehen, und ich bin gar nicht mehr aus dem Aufschreiben all der kryptischen Fehler- und Warnmeldungen gekommen, aber schliesslich will man ja vorbereitet sein, bevor man die Helpline anruft: Ich will ja alles vorkehren, dass der junge Mann am andern Ende sein Erfolgserlebnis bekommt, indem er MIR helfen kann.

Es ist dann auch ein freundlicher junger Herr gewesen. Nach den Hintergrundgeräuschen zu urteilen, arbeitet der arme Mann in einer Lagerhalle mit schlechter Isolation, aber das kann auch an der Leitung gelegen haben, die wahrscheinlich durch mehrere Ozeane gelegt werden musste, um den freundlichen Herrn in mein Leben schauen zu lassen. Erst aber schaut er sich meine Typen-Nummer an (Neeeiiin, natürlich die vom Computer) und stellt dann fest, dass ich ja noch für zwei Monate Garantie habe. Yep, praktisch, gell? Das denke ich natürlich nur, aber auch beim jungen Mann denkt’s, und ich habe fortan das seltsame Gefühl, dass er viel mehr Zeit hätte, mir zu helfen, wenn ich, sagen wir, vier Monate später anrufen würde und der Anruf kostenpflichtig wäre. Als er dann das Wort GUI vorgelesen bekommt, ist alles klar: Das ist eher ein GAU und bedeutet, Computer leer machen, also alles runter, nicht nur die Daten, auch das Betriebssystem neu installieren. Wie das geht, bekomme ich erkärt, und ich versuche mir, in 30 Sekunden möglichst viel zu notieren, und zwar so, dass das nachher auch noch Sinn macht, wenn ich es wieder lese…

Dann höre ich mich auch noch “danke” sagen und schon bin ich wieder mit mir allein. Ich halte mich innerlich an meinem Netbook fest, das zwar manchmal, wenn die HD arbeitet, röhrt wie ein Zwerghirsch aus Plüsch eben röhren dürfte, wenn es ihn denn gäbe, und einen Geschäfts-Computer habe ich auch noch. Also, alles halb so wild, wir haben keine Eile, keinen Notstand, nur vorübergehend, will ich hoffen, schlechteres Equipement.

Mein freundlicher Freund (eben!) besorgt mir dann Recovery- und Neuinstallationsdisketten, weil das intern für solche Fälle vorgesehene Selbstauferstehungswunderprogramm partout nicht mal ins Starten kommt. Es hat sich wohl im letzten Boot davon gemacht und nun ist keines mehr da. No boot discovery, oder so.

Dann, zwei Wochen später, so eine Elementarbeschaffung dauert – und ich selbst musste mich auch erst mal sammeln – packe ich die CD’s aus – und bin begeistert. Eine Anleitung! Und auch noch auf Papier! Vier A-4-Seiten, die so ziemlich jede mögliche Variante zu beschreiben scheinen und lauter “falls” behandeln, damit nicht ausgerechnet mein Fall sich als hoffnungslos heraus stellt. Das macht Mut, und also beginne ich frohgemut.

Bis zu Punkt 1b liest sich das ganz gut, bis auf die mir schrecklich peinliche Tatsache, dass ich Dödel noch immmer gerne lesen würde, WIE ich denn einen “Systemabschluss” durchführen soll, ich meine, ganz konkret und super korrekt. Aber Computer ausschalten, das kann ich.
In diesem schon erwähnten Punkt 1b heisst es dann wörtlich:

Halten Sie die Taste F11 gedrückt, und schalten Sie den Computer ein. Wenn die Logoanzeige erscheint oder wenn wiederholt Signaltöne ausgegeben werden, lassen sie die Taste F1 los.


Im Ernst: Ich habe noch selten eine bessere, weil ehrlichere Bedienungsanleitung gelesen. Sie machte mir gleich zu Beginn klar, dass ich wohl mein Hirn brauchen würde und versuchen sollte, den gesunden Menschenverstand in den Anweisungen zu suchen. Er gibt ihn nämlich manchmal, ganz unverhofft, und nach ein paar Jahren Windows-Erfahrung ist es gar nicht mehr so leicht, durch kryptische digitalogische Sentenzen daran gehindert zu werden, mit einem Programm weiter arbeiten zu können. Und genau so ist es auch mit meinem Compi gekommen. Ich weiss zwar nicht für wie lange, denn der Lüfter hechelt und dröhnt wie vor dem aufgezwungenen Tiefschlaf (und erinnert mich damit an den seeligen früheren Handstaubsauger in unserem Haus), aber ich habe das Wunder erlebt, wie eine schwarze Mattscheibe, die einzig noch ein paar DOS-Wortfetzen hergeben wollte, zu einem Desktop-Laptop-Tiptop-Arbeitswerkzeug geworden ist. Lob daher allen, die sich zumindest bemühen, die digitale Welt ein bisschen verständlicher zu machen, mögen sie dabei auch immer wieder grandios scheitern!