Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Mein Glauben - meine Richtschnur

∞  16 Juli 2012, 18:45

Die Frage, wie ich es selbst mit der Religion halte, was also mein persönlicher Glaube sei, möchte ich beantworten. Dies ist also ein recht persönlicher Beitrag, mit dem ich mich niemandem aufdrängen will und der auch nicht aus missionarischem Eifer geschrieben wird, keine Sorge.

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In den Diskussionen rund um Segen oder Fluch der Religionen, um ihren überholten oder eben kernigen Beitrag zu Lebensbildern, Sinnfragen oder Gemeinschaftsregeln, ist immer wieder die Frage gestreift worden, wie indivduell geprägt der persönliche Glaube jeweils sein mag, wie leicht es heute ist, ihn sich einem Patchwork ähnlich aus verschiedensten Weisheiten und Lebensschulen zusammen zu nähen und wie beliebig oder wandelbar solche Gebilde aus Fragen und Antworten in einem Leben sein mögen.

Doch wie weit richtet sich Glaube notgedrungen nach einer verbindlichen Vorgabe, wird erst durch Religion eine ernst zu nehmende, den Gläubigen auch verpflichtende Lebensschule daraus? Braucht nicht gerade Glaube eine verpflichtende Autorität, um nicht beliebig zu wirken?

Was wir Menschen nicht beweisen können, aber sehr wohl zum Kern unseres Lebens machen, verteidigen, beteuern, und bekräftigen wir wahrscheinlich genau deswegen so vehement, weil wir um diese “Schwäche” wissen. Ein Glaube lässt sich vorleben und vorbeten, durch Argumente allein aber wird niemand zum Christen oder Muslim. Religion ist immer mehr und gleichzeitig weniger als Philosophie, weil sie das Transzendentale nicht aus der Distanz als Phänomen beschreibt und es nicht durch Begründung zu ergründen sucht. In der Religion wird Spiritualtiät zu einer Praxis, wird diese Ansprache des Unterbewusstseins Grund für Lithurgien und für symbolische Handlungen, welche zu dieser Ebene hinführen sollen. Doch auch Glauben kann nicht wirklich vorgebetet werden.

Glaube ist mein persönliches Rüstzeug – und meine Erfahrung. Ich kann Glaubenssätze nachbeten. Aber meine Stimme wird dort an Wärme gewinnen, wo ich eine gemurmelte Maxime mit meinen ganz konkreten eigenen Erfahrungen verbinde. Also lässt sich über meinen Glauben eigentlich nicht streiten, man kann ihn aber sehr wohl ganz grundsätzlich bezweifeln oder rundweg ablehnen. Darum will ich auch niemanden überzeugen. Ich wünsche mir zwar, dass Menschen sich die gleichen Fragen stellen wie ich, aber ich habe keine Sorge, wenn sie andere Antworten finden.

Es wurde festgestellt, dass wir alle über unseren Glauben eigentlich genauso wenig reden wie über unseren Lohn. Der Gaube ist in ganz besonderer Weise persönlich. Wir alle kennen wohl die Siuationen, in denen man seinen Glauben zu erklären versucht, und sich anhand der Reaktionen vorkommt, als redete man in einer fremden Sprache. Oder aber die Repliken sind heftig und ablehnend, gerade so, als hätte man ein fremdes Haus einreissen wollen und müsse nun davon gejagt werden. Als junger Mensch ist das hart zu erfahren, wenn das eigene Herz warm und voll ist und die Seele ins Feuer gerät, weil man teilen möchte, was einem selbst Halt gibt, weil man seine Mitmenschen liebt und sich wünscht, die eigenen Antworten zum Geschenk für andere machen zu können und in der Gemeinschaft Frieden zu erfahren.

Im Zentrum meines persönlichen Glaubens steht kein Dogma und nicht die Frage, woher ich komme und wohin ich gehe. Diese Fragen haben mich zum Glauben geführt, aber meine Sicherheit als Christ ist in keiner Weise davon abhängig, dass eine biblische Geschichte “wahr” ist oder ewiges Leben so, wie es die christlichen Religionen verheissen, tatsächlich auf mich wartet. Im Zentrum meines Glaubens steht meine Beziehung, mein Gottesbild: Ich erlebe diesen Gott wie eine Vaterfigur. Das Wort vom “himmlischen Vater” hat mich enorm beglückt und das Bild des idealen Vaters, den wir alle gerne hätten, der stets verzeihen kann, der in seiner Erziehung nie die Liebe für seinen Sohn vergisst, der geleiten will, aber nicht zwingen, der warten kann auf die Gegenliebe, der nie zu stolz ist, ein neues Beispiel, ein neues Licht für die Kraft seiner Güte vor mich hin zu stellen, bis ich es endlich sehe und neue darauf vertraue – das macht meinen Glauben aus und darin eingebettet mache ich alle meine Lebenserfahrungen.

Ich habe oft enorme Mühe, mich anzunehmen – aber in diesem eben beschriebenen Grundverständnis werde ich nie aufhören, es neu zu versuchen, weil mich mein Gott will: Ich bin gottgewollt. Wir alle sind es. Wenn wir daran glauben können, werden wir uns wünschen, auch genau das zu werden, was wir sein können – und wir möchten die besten in uns schlummernden Anlagen zum Blühen bringen. Denn Gott hat sich bei Ihnen und bei mir etwas gedacht. Wollen wir das nicht alle? Jaaah, wir wollen erfolgreich sein, Geld haben, eine gute Liebe, Familie.

In meinem Glauben frage ich bei dem allem, ob ich dabei mich selber bin? Bleibe? Werde? Und ich denke, dass wir alle so angelegt sind, dass wir uns diese Fragen sehr gut beantworten können, ganz egal, ob Sie mit meinem Glaubensbild etwas anfangen können.

Die christlichen Botschaften der Nächstenliebe, die Gleichnisse der Liebe des Schöpfers zu seinen Geschöpfen, die Fähigkeit, wirklich selbstlos lieben zu können, menschliche Güte zu entwickeln – wir haben so viel in uns, das Freiheit atmet.

Gott lässt sich nicht beweisen. Aber erfahren. Es lässt sich der von Gott vorgesehene Mensch werden. Geborgen, aber fern von jeder Selbstgefälligkeit ständig danach zu fragen, wer man ist und wie man sich näher kommen kann, ist eine aufregende Reise. Mit einem Vater, der nie verloren geht. Ich habe ihn schon unzählige Male quälend lange gesucht, und immer verstehen gelernt, dass ich es war, der mich entfernte: Es liegt im christlichen Glauben eine Urgewalt verborgen, die wir tatsächlich nur ganz, ganz schwer glauben können: Seine Liebe in dieser hier skizzierten Form.
Verstehen Sie mich recht: Meine Frau kann morgen von einem Auto überfahren werden, ich kann im Rollstuhl landen. Es gibt keine Garantie, dass mir das nicht geschieht, und ich kaufe mir mit meinem Glauben keine Wohlbehütung vor solchem Unglück ein. Wenn Menschen sagen, dass sie nicht länger an Gott glauben können, weil ihnen der Tod eines liebsten Menschen zugemutet wird, dann kann ich das menschlich sehr gut verstehen. Aber es liegt gleichzeitig ein unerträglicher Hochmut darin, zu meinen , das eigene Leben müsse äusserlich glücklicher verlaufen als ein anderes. Nein. Das Glaubensglück ist die immer wiederkehrende Zuversicht, dass ich alles schaffen kann, was meine Seele braucht, um gesunden zu können. Und in diesem Kampf bin ich nie allein. Nicht mehr zu brauchen als diese Zuversicht – das wünsche ich mir tatsächlich. Nicht nur für diese wunderbar hellen Minuten wie gerade jetzt, die ich aber immer wieder geschenkt bekomme, schon mein Leben lang, und für die ich daran arbeite, Mensch zu werden.

Ich habe kein Sendungsbewusstsein. Wenn aber jemand nach meinen Sicherheiten fragt (und die bietet mir mein Glaube), dann erzähle ich davon. Zu diesen Sicherheiten gibt es viele Wege, aber sie müssen immer dazu führen, dass wir im absoluten Einklang mit unserem Wesen leben oder auf diesem Weg ständig Fortschritte machen können. Und weil ich weiss, wie segensreich dieses Glück ist und wie gut es unserer Welt tut, wenn wir friedvoll unseren Mikrokosmos betrachten und gestalten können, wäre wohl zu wünschen, wir würden alle ein bisschen mehr dazu bereit sein, über die positiven Kräfte unseres persönlichen Glaubens zu reden.

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Und jetzt darf selbstverständlich gefragt werden, wenn es jemanden juckt. Hier oder per Mail.
Ich bin auch nicht traurig, wenn das nicht der Fall ist. Es ist wie mit allem anderen auch, das wir schaffen und weiter geben:
Es ist gesagt, geschrieben, und seine Wirkung, Richtig oder Falsch ist nicht von sichtbaren Reaktionen zu bestimmen. Es ist dies einer der schönsten Prozesse über die Jahre meines Bloggens, dass ich davon sehr frei werden konnte: Die unmittelbaren “Resultate” beeinflussen meine Energie und meinen Willen, mich mitzuteilen nicht. Ich muss nicht beeinflussen wollen, wer weiter was versteht oder links liegen lässt. Es ist mein Bestes, das ich in diesem Moment dazu zu sagen habe, und ich freue mich, wenn man mir dabei hilft, mit solchen Fragen, wie sie am Ursprung dieses Artikels standen, meine ganz persönliche Auslegeordnung neu vorzunehmen.