Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Schweiz benachteiligt die eigenen Bürger

∞  6 August 2012, 17:35

Die Schweiz ist ein wehrhaftes Land. Uns wird gerne nachgesagt, dass wir immer ganz besonders auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Dabei zeichnen wir uns durchaus durch Eilfertigkeit aus, wenn es darum geht, ausländische Bestimmungen zu übernehmen. So ist es durchaus möglich, dass der Amtsschimmel um so mehr bei den Einheimischen wiehert, während man bei EU-Bürgern die EU-Norm gelten lässt und eigene Usanzen zurück stellt.

istockphoto.com/koun

Ein Beispiel dieser Praxis wird heute vom Tagesanzeiger angeführt [1], wonach das Bundesgericht das Schweizer Parlament schon vor zwei Jahren angewiesen hat, eine Ungleichbehandlung von Schweizern gegenüber EU-Bürgern z.B. beim Familiennachzug zu beseitigen. Die Bestrebungen der Politik gehen nun aber mit dem so genannten Integrationsgesetz in die genau gegenteilige Richtung. Ein Gesetz, welches das Probelm der Scheinehen bekämpfen will, schlägt dabei mit der breiten Keule auf Eheschliessungen von Schweizern ein, während EU-Bürger unangetastet bleiben:

Nach den Plänen der Regierung sollen

Schweizer ihre Partner und Kinder aus Nicht-EU-Staaten nur noch ins Land holen können, wenn sie über eine «bedarfsgerechte Wohnung» verfügen und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind. Für EU-Zuzüger, die ihre Frau etwa aus Brasilien oder den USA in die Schweiz nachziehen möchten, gelten die zusätzlichen Hürden hingegen nicht.

Genau so die Stossrichtung laut Vernehmlassung zum neuen Integrationsgesetz. Danach

müssen etwa Ehegatten, die zu ihrem Schweizer Partner ziehen möchten, ausreichende Sprachkenntnisse nachweisen oder sich für einen Sprachkurs einschreiben. Beherrschen sie nach einem Jahr keine Landessprache, wird ihre Aufenthaltsbewilligung nur verlängert, wenn sie sich erneut bei einer Sprachschule angemeldet haben. Doch auch hier gilt: Der Ehepartner des EU-Bürgers kann sich um die Anforderungen foutieren. Nur der Partner des Schweizers muss dem Aufgebot nachkommen.

Das sicher diskutable Grundansinnen einer Unterbindung von Scheinehen und einer Verpflichtung und Förderung der Integration wird, um EU-Recht für EU-Bürger zu garantieren, auf diese nicht angewendet. Solche Beispiele fördern die Bereitschaft, EU-konform zu agieren, bestimmt nicht, und es zeugt von einem sehr mangelhaften Rechtsverständnis der Politik, dass sie die Gefahren dieser Politik klein redet – genau so wie die unzähligen Normen des EU-Standards, die wir fast automatisch übernehmen, oft schneller, als dies in echten EU-Mitgliedsländern geschieht.

Dass die SVP hier für einmal leise Töne hat – oder gar nicht gehört wird, hat damit zu tun, dass sie das Thema Sozialschmarotzertum in diesem Fall nicht mit der Europaskepsis vereinen kann. Das Dilemma ist dennoch deutlich und mehr als störend. Die Interessen der EU-Bürger haben mehr Gewicht als die Bedürfnisse der Schweizer. Grotesk.



Link: [1] Tages-Anzeiger: Schweizer Bürger benachteiligt