Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.


Platzhirsch oder Förderer?

∞  24 August 2014, 23:16

Ich liebe es, mich als Sportfotograf zu versuchen.

Und ich stelle immer wieder fest, dass die fotografierten Hobbysportler in aller Regel sehr viel Spass an den Resultaten haben: Wer sieht sich schon mal selbst auf Skiern oder beim Tennis?
Zwar sind darin auch gewisse Ernüchterungen mit eingeschlossen… aber im Grossen und Ganzen kann ich damit Freude schenken. Was ich dabei nicht so genau weiss, ist, wie viel Können eigentlich dazu wirklich mit gehört, und wie viel einfach die Technik praktisch jedem erlaubt?

Ich habe eine Spiegelreflex mit sehr guten Objektiven, wobei das alles nicht gerade mehr neu ist, aber durchaus den Standard eines Hobbyfotografen erreicht, der sämtliche Objektiv-Situationen abdecken können möchte. Also walte ich meines Amtes und freue mich, wenn die Ergebnisse, am Folgetag auf dem Screen im Clubhaus schon anzuschauen, Spass machen. Aber so ein Clubmeisterschaftswochenende ist lang, und manchmal wünschte ich mir, die Last wäre ein wenig verteilt und ich hätte einen Assistenten. Und heute war es so weit… Ein Teenager schien ganz offenkundig grosse Lust zu haben, mit “dem Ding” mal Selbstversuche zu machen – ausserdem musste ich selbst nochmals auf den Platz.

Nun, ich habe es schon im Spass angemerkt: Nicht sicher, dass das eine gute Idee war, denn womöglich wird so deutlich, dass es eigentlich kinderleicht ist, den Moment zu erwischen, wenn der Ball in Schlägernähe ist… zum Beispiel… Und da war noch die spontane, zu verstehende Frage: Was? Du gibst einem Jungen Deine teure Ausrüstung und lässt ihn einfach machen? Nun, da habe ich eine einfache Antwort: Ja.
Die Sachen sind dazu da, gebraucht zu werden, und wenn ich so jemandem die Freude am Fotografieren vermitteln kann, dann will ich das machen. Schliesslich denke ich noch jetzt dankbar an jenen Moment zurück, in dem mir genau das gleiche geschenkt wurde. Und da war ich unwesentlich älter und gerade in den Matura-Vorbereitungen.

Na, und was soll ich sagen? Ich schaue mir gerade an, was mein Kollege da so geknipst hat – und ich bin verblüfft! Natürlich ist da viel Ausschuss dabei, aber… bei mir auch. Und der Junge ist noch nicht so “verdorben”, dass er bei bewegen Motiven einfach auf Serie stellt und durchrattern lässt. Und trotzdem hat es echte Treffer dabei. Und von der Siegerehrung werden dem Club von ihm Schnappschüsse beschert werden, die verraten, wie gut mein Kollege hinschauen kann. Richtig gute Sachen sind da dabei! Natürlich fehlt es an der Übersicht – die zweitklassierte Dame wird keine grosse Freude haben, dass man von ihr von der Siegerehrung nur Bilder mit Haaren im Gesicht sieht – aber dagegen lässt sich was machen: Da nehmen wir ein Bild vom Apéro, das dazu passt, und gut ist.

Was soll ich sagen: Ich freue mich einfach! Und bei fast allen Dingen, die man in seiner Freizeit gut macht, gilt doch: Weltmeister darin sind wir selbst nicht, aber wenn wir andere mit unserem Tun anstecken können, ist doch sehr viel Edles daraus hervor gewachsen. Da kommt mir in den Sinn:

lookabout.ch muss unbedingt wieder ins Laufen kommen… Ich sag mal: Im Oktober ist es so weit.

Daten-Wiederherstellung: Memory-Spiel für Fortgeschrittene

∞  2 Januar 2014, 18:33

Meine überschriebenen und also verlorenen Daten habe ich von Profis wieder herstellen lassen. Dazu mehr bei nächster freier Zeit. Im Moment kann ich einfach berichten, dass ich wohl viereckige Augen habe:

Da die Verzeichnisse zum grössten Teil futsch sind, finde ich die Bilder, gerettet zu 90%, überall auf der Rettungsdisk. Ich kann gerade mal nach JPEG-Dateien filtern – und dann geht die Suche und Zuordnung los. Da die Datumsstempel der Bilder zum grössten Teil futsch sind, ist das an sich schon schwierig, um dann aber festzulegen, welches Bild bearbeitet, welches Original ist – na gute Nacht. Auf jeden Fall werde ich die nächsten Monate unsere Reisen nochmals durchleben und sortieren und sortieren und …

Ich schreibe dies ohne Ärger, denn ich bin glücklich, konnte so viel gerettet werden. Wer den Schaden hat, braucht jetzt eben den Sinn und die Geduld fürs Ordnen. Und ich registriere einmal mehr: Was sind wir privilegiert, durften wir so tolle Reisen machen!

Ich schwelge also auch in den Erinnerungen. Reisen bildet. Bei diesen Gelegenheiten wird man sich dies erneut bewusst. Und es schweisst auch zusammen. Was haben wir nicht alles zusammen erlebt!

Zum Glück bin ich ein Chaot

∞  25 November 2013, 16:50

Der Umgang mit Datenverlust ist wie das Durchschreiten eines Wellentals: Im einen Moment bist du ganz cool, im nächsten wieder zu Tode betrübt, weil dir in den Sinn kommt, was noch zusätzlich verloren ist. Und manchmal ist es ganz gut, ein bisschen Chaot zu sein.

Als solcher finde ich oft meine Dateien nur dank Suchfunktionen. Als solcher lege ich sie aber auch nicht konsequent ab. Beim Verlust der externen HD-Daten ist zwar genau dies wenige Monate zuvor eingetreten: Dass ich Ordnung geschaffen habe und ausgerechnet auf dieser HD zentrale Verzeichnisse meiner Texte und Fotos anlegte. Aber mit dem Aufräumen der alten Hinterhöfe nehme ich das jeweils nicht so genau – oder bin schon wieder weiter beim nächsten neuen Projekt.

Und in diesem Fall hilft das nun: Das Traurigste war für mich der Verlust der Bilder der Norwegenreise, weil da so viele Erinnerungen dran hängen, die ich mit Thinkabout’s Wife teile. Und weil ich weiss, mit wie viel Herzblut sie Fotobücher gestaltet und das von Hurtigruten noch fehlt, darum ist dieser Verlust so elend… ich gehe ja gerne mit der Aufgabe um, eine eigene positive Einstellung dazu zu finden – aber meiner Frau das auch aufbürden zu müssen….? ABER: Ich habe mein altes Notebuch aus dem Speicher geholt, und da fand ich tatsächlich ein Verzeichnis der Norwegen-Bilder abgelegt, samt Inhalt: Die Bilder sind, zumindest zu einem grossen Teil, vorhanden, wenn auch als Rohlinge: Ohne jede Bearbeitung. Ich habe zwar wochenlange Arbeit ins Nirwana geschickt, aber auf das Rohmaterial für Norwegen kann ich wieder zugreifen, weil ich auf dem ersten damaligen Speichermedium nach dem Übertragen des Materials die Quelldateien nicht gesäubert habe. Und Frau Thinkabout strahlt. Auf denn!

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Und weil ich mich freue, dass ich die Chance bekomme, wenigstens diese Bilder wieder herzustellen, gibt es mit Click auf das Bild oben die Variante in gross – als Desktop-Hintergrund, wer auch immer Lust darauf hat (1920×1080):
Hafen von Alesund, Norwegen
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Das ging ins Auge: Daten verloren statt gesichert

∞  23 November 2013, 20:52

Was für ein gebrauchter Tag…: Von einer Datensicherung, die nicht gründlicher hätte schief gehen können.

Seit Monaten war es an der Zeit, heute wollte ich es endlich hinter mich bringen. Die Recovery-Disk für den Lenovo-Lap meiner Liebsten erstellen – und zudem Ihre Anwender-Dateien auf einer externen Harddisk sichern. Ich mache mich also an ihrem Lap ans Werk – und begehe den ersten Anfängerfehler: Ich hänge nämlich gleich zu Beginn auch schon die Harddisk an und schiebe zwar die DVD für das Recovery-Programm auch ins Laufwerk, aber es ist so eine Crux mit den vermaledeiten Buchstaben für die Festpaltten in Windows. Die sind nicht fix pro Laufwerk verteilt, wenn man sie mit verschiedenen Computern verwendet und auch das CD-Laufwerk muss nicht partout den immer gleichen Buchstaben haben. Vor allem aber verträgt kein Computersystem schusselige Augen des Anwenders. Was soll ich sagen?

Ich verwechselte CD-Laufwerk mit Festplatte und spielte mir so die Boot-Dateien des Recovery-Programms auf die Harddisk. Das Resultat ist verheerend, denn zu diesem Programm gehört eine Komplett-Formatierung des Datenträgers, die den dann auch nur noch für den entsprechenden Computer brauchbar macht – und die ursprünglichen Daten auf dem Datenträger sind dann weg – so gründlich überschrieben wie nur denkbar. Und das sind in diesem Fall: Alle meine Bilddateien von mehreren Reisen, unter anderem der Norwegen-Reise mit Hurtigruten. Denn da dazu gepackt werden sollten die Dateien meiner Liebsten, damit sie dann die Fülle hat, um ein Fotobuch zu gestalten. Und nun: Null. Nada. Alles weg.

Ich weiss nicht mal, ob es bei dieser Art Überschreibung mit dem brachialen Pflug der Recovery-Codierung auch für einen absoluten Profi überhaupt möglich ist, etwas zurück zu holen. Ich habe mir, habe uns eine Übung beschert, die ich niemandem wünsche: Abschied zu nehmen von ganz vielen Bilderinnerungen, die absolut einmalig waren – mit Fotografien, wie sie mir zuvor niemals gelungen waren – logisch, denn die Motive waren ja auch einzigartig. l

Ich gehe so durch Wellentäler. Die Erinnerung und Reiseerfahrung kann uns ja niemand nehmen – und natürlich werde ich noch viele Dinge versuchen, um doch einiges zu retten. Aber dieser Hader über ein paar unbedachte Minuten nagt grausam an mir – und damit reihe ich mich ein in eine lange Kolonne von Computeranwendern, die wohl schon ähnliches erlebt haben…

Ich hoffe, Ihr Wochenende gestaltet sich freundlicher…

Ballenberg - Die Welt, wie sie mal war und verloren ging

∞  18 Oktober 2013, 22:08

Ein Tag im Freilichtmuseum Ballenberg. Nicht zum ersten Mal. Aber noch nie bin ich so tief in die verschiedenen Wohnräume eingetaucht, habe ich die Details im einfallenden Licht einer warmen Herbstsonne so aufmerksam und vielfältig in mir aufgenommen: Das Leben war einst sehr viel beschwerlicher, aber die Hilfestellungen, mit denen es sich unsere Vorgängergenerationen einfacher und angenehmer machten, haben auch etwas Warmes, Wohliges an sich.

Man kann sich sehr leicht vorstellen, wie herrlich es sein musste, zum Beispiel in eine warme Stube zu treten, in der der Kachelofen in der Ecke seit Stunden vor sich hin bullerte. Und alles, was alltäglich erscheint, hatte noch einen ganz anderen Wert. Fliessendes Wasser? Ein Bad? Eine Spüle? Die Küche? Wir drücken heute einen Knopf, wofür man damals eine Stunde vorarbeitete, um es warm zu bekommen. An diesem warmen Ort aber versammelte man sich dann auch, war man beisammen.

Ich weiss: Das ist an sich erst mal nur eine äusserliche Qualität, und die inneren Zerwürfnisse auszuhalten, wenn man diesen Raum mit allen teilen musste, konnte um so schrecklicher sein.

Aber nehmen wir einfach mal den Vorgang der Körperplfege, des Kochens, des zu Bett Gehens für sich – und stellen fest, was es damals bedeutete, warm zu bekommen. Wo der Luxus anfing – und wie viel Einfaches noch Genuss bedeutete.
Heute fluchen wir, wenn auf ein Schalter Drücken nichts geschieht. Früher war Licht, war Wärme zu verstehen. Man sorgte gewissermassen selbst dafür. Heute rufen wir eine Hotline an und wettern über die Warteschlaufe, elend lächerlich hilflos in unserer ganzen zivilisatorischen Modernität. Aber warm haben wir es und bequem. Aber da wir gar nicht wissen, wie es auch sein könnte, ja, wie es vor ganz wenigen Generationen noch war, können wir es auch gar nicht schätzen. Keiner würde der Operatrice im Kundendienst entgegnen: “Lassen Sie sich nicht stressen, ich sitze hier ganz bequem und habe es warm.”

Irgendwie ist das schade, und traurig und arm. Und ein Teil unseres Problems im Umgang mit der uns ausgelieferten Umwelt – bzw. jener Welt, die ganz schnell wieder sehr viel Kälte für uns bereithalten könnte.

Das betende oder flehende Mädchen

∞  15 Juli 2013, 20:28

Seit Jahr und Tag ist es über Deinem Bett gehangen, und wenn ich es hätte beschreiben müssen, dann hätte ich von einem kleinen Mädchen erzählt, das im Nachthemd in seinem dunklen Zimmer kniet, den Kopf zum schwachen Licht vor sich in der Höhe erhoben und die Hände zum Gebet gefaltet.

Doch wo ich Zuversicht vermutete, hat Dein Vater etwas ganz anderes auf die Leinwand gebracht: Erst jetzt, von der Wand genommen und in meinen Erinnerungen gelandet, sehe ich mir das Bild erstmals ganz genau an, und ich bin dabei erschrocken: Dem Kind ist die Angst ins Gesicht geschrieben, und es kniet wohl eher im Keller als in einem vertrauten Zimmer. Und die gefalteten Hände verhelfen auch nicht zu mehr Wirkung für irgend ein Gebet, das Zuversicht schenken würde. Das Bild erzählt nur von Drohung und Angst.

Was hast Du wohl in ihm gesehen? Was sah Dein Vater in ihm, als er es malte? War Angst in Form von Gottesfurcht das höchste der religiösen Gefühle? Ich muss Dir sagen: Ich werde das Bild nicht behalten. Ich kann es nicht. Ich finde es schrecklich und werde es aus dem Rahmen lösen und fortwerfen. Denn Du hast es auch hinter Dir gelassen. Irgendwann hast du geleistet, was kaum ein Christ je tut: Du hast die Bibel selbst vom ersten Kapitel bis zur letzten Zeile gelesen und Dich dabei entsetzt ob eines strafenden und zürnenden Gottes, der Blutvergiessen zulässt oder womöglich gar zu fordern scheint. Du hast antworten gesucht bei Pfarrern, und keine erhalten, wobei ich nicht weiss, ob Du Dein Urteil nicht zu sehr schon selbst getroffen hattest, bevor Du überhaupt Deine Fragen gestellt hast. So war es ein bisschen Deine Art und das Fragen war mehr ein Suchen nach Bestätigung der eigenen Kritik.

Mit mir hast Du nicht viel über die einzelnen Elemente Deiner Zweifel gesprochen, aber ich habe sie Dir auch nicht zu nehmen versucht, so lange es um die Auslegung biblischer Geschichten ging. Du hast mich dazu gebracht, Dir einfach von meinem Glauben zu erzählen, und ich habe es gern getan, ganz bewusst auch in den kindlich anmutenden Teilen. Denn was ist denn Wahrheit, wenn es darum geht, einander zu erzählen, was man glaubt, hinter der Grenze von Leben und Tod anzutreffen? Es ist gefühlte Zuversicht, Ruhe angesichts von drohendem Nichts.

Aber die Angst dieses Mädchens auf dem Bild vor dem Unbekannten, Drohenden, ist es nicht. Sie ist ganz einfach von Menschen geschürt.

Du hast Dir Dein Gerüst an Wahrheiten ein gutes Stück weit zusammengeflickt, so, wie die meisten von uns es zumindest in Teilen tun. Und doch hast Du es geschafft, Deine letzte Aufgabe anzugehen ohne die Sicherheit, nicht in Nichts als ins Dunkel zu fallen. Wo Du die diffuse, aber alles bestimmende Angst des Mädchens auf dem Bild hinter Dir gelassen hast, weiss ich nicht. Mir hast Du sie auf jeden Fall nie vermittelt. Und am Ende war da einfach Deine Ruhe und innere Freude, dass es nun Zeit sein darf. Ich denke, Du hast ein paar grosse, sehr grosse Steine zur Seite geräumt in Deinem Leben, von denen ich keine Ahnung habe.

Das Bild hat sich überlebt. Nicht erst mit Deinem Tod.

Macht und Ordnung?

∞  4 Juni 2013, 20:15

Das Verhältnis, das die Bürger unserer Staaten zur Staatsgewalt haben, ist sehr unterschiedlich. Im Namen der Sicherheit seiner Bürger reklamiert dieser Staat die Einschränkung der Freiheitsrechte, und Viele von uns finden das mehr oder weniger in Ordnung oder auf jeden Fall nicht Grund genug, beunruhigt zu sein oder gross ins Nachdenken zu kommen.

Wie weit diese Staatsgewalt für uns eine reine Ordnungsmacht ist, dem Frieden sogar zuträglich oder zumindest für die eigene Sicherheit notwendig – darüber gehen die Meinungen und Bedürfnisse, die Erwartungen und der Grad des Misstrauens beim Einzelnen weit auseinander. Dass sich nicht nur die Formen des Protestes von Aufwieglern, Abweichlern oder schlicht Alarmierten, je nach Sichtweise, verfeinert und perfektioniert haben, ist das eine – dass der Polizist an einer Demonstration heute mehr ein Soldat in einer Rüstung ist denn ein Ordnungshüter mit dem Charme eines Bobby, das andere. Es gibt heute mehr Menschen, die nichts dabei finden, mit Steinen und Molotowcocktails Polizisten zu attackieren, und entsprechend verschärft hat sich die Mechanik und Systematik sowie das Equipement, mit dem die Polizei im Truppenverband dieser Gewalt entgegen tritt.

Ich kann heute verstehen, dass sich ein Fremder, als solcher behandelt, von welcher Form eines Auftritts dieser Macht in Uniform schnell mal bedroht fühlt, und ich kann beobachten, zum Beispiel an der Polizei im Hauptbahnhof, dass diese sich im Zweifelsfall sehr schnell bereit fühlt, zum eigenen Schutz lieber einmal zu viel als zu wenig die Macht der Drohung und Einschüchterung einzusetzen.


Bildnachweise a.E. des Artikels

Es lässt sich nicht mehr ganz so leicht annehmen, diese Mechanismen würden einem selbst nie drohen, seit Handschellen mancherorts in jedem Polizeitransporter Pflicht geworden sind – egal wie klein die Bagatelle sein mag, die einen da hin gebracht hat.

Und wenn die Fremden uns eben auch wirklich fremd sind und die Eigenen uns einladen, die Furcht vor diesen Fremden als ganz bestimmt begründet anzusehen, so müssten wir uns schon Einzellern angleichen, wollten wir behautpen, dass jeder, der von “unserer” Ordnungsmacht hart angefasst wird, schon seine Gründe dafür geliefert haben wird…

Es wird ganz bestimmt, zumindest in Stresssituationen, über einen Kamm geschert. Und was heisst denn schon “hart angefasst”? Die Entpersonifizerung des “Schutzpersonals”, verfremdet zu knüppelbewehrten, helmtragenden Schutzschildträgern, ist stetig fortgeschritten. Heute pagtroullieren an Demonstrationen die Stadtinfanteristen der Polizeimacht in Rüstungen durch die Strassen, und das Prinzip, durch die blitzschnelle Schaffung einer vielfachen Übermacht Gewalteskalation zu verhindern, scheint oft erfolgreich. Doch was löst die Erfahrung in den Zielpersonen aus, zumal, wenn sie objektiv relativ unbeteiligt an den Hauptvorgängen gewesen sind – und erst recht, wenn sie aus ihrer entwurzelten Geschichte so manche noch ganz andere Erfahrung dieser Macht erinnern können?

Es bilden sich nicht nur äussere Fronten, sondern auch und gerade innere, und dieses Bild lässt dies sehr, sehr deutlich erkennen. Es ist im Bild keine Waffe zu sehen, keine übermässige Brutalität, und doch wird enorm Macht ausgeübt. Die Polizisten stehen auch und gerade für unsere Bereitschaft, angesichts der Gefahr der Überfremdung und der Bedrohung, die wir deshalb in Fremden sehen, die Entpersonalisierung der Menschen, die wir doch eigentlich vor uns hätten, zuzulassen. Dass wir dabei, oder die von uns eingesetzten Vertreter, erst recht selbst unsere Persönlichkeit verlieren und roboterhaft unseren Schutz garantieren wollen, ist der Grund für den bitteren Geschmack auf unseren Zungen, wenn wir über dieses Problem nachdenken und diskutieren. Und kein noch so lautes Geschrei vermag diesen Geschmack zu tilgen.


Bild: Credit: libertinus on Flickr, Titel: Blockupy 2013, Snapshot #1. Bildbearbeitung: Thinkabout. Das Bild ist in Original und Bearbeitung unter der Creative Commons Lizenz CC BY-SA 2.0 lizenziert.

Bilderfluten aus einer Geschichtentruhe

∞  27 August 2012, 10:30

Auf einem Fest, einem Sportanlass oder sonst einem grossen “Event” (ich hasse dieses Wort eigentlich), an dem man selbst mit persönlichem Bezug dabei ist zu fotografieren – das gleicht in der Nachbearbeitung einer Reise, die man dann über die Bilder zu verarbeiten versucht. Und zwei Tage können Bildmaterial erzeugen lassen, hinter dem hunderte von Geschichten stehen; von vielen Menschen, zu denen ich in wenigen Jahren einen Bezug hergestellt habe, und von denen mir eigentlich niemand gleichgültig ist.

Ich war so müde, dass es gestern seit Jahren nicht mal mehr zu einem Blogeintrag gereicht hat. Aber irgendwie was das auch richtig so und ein guter Grund. Jedes Wort hätte nur platt gewirkt. Jetzt stehen also geschäftliche Prioritäten an – aber ich nehme die Bilder ja mit. Im Kopf und im Herzen.




Kreativ bis zur einsamen Leere?

∞  25 August 2012, 22:22

Clubmeisterschaften. Das bedeutet für mich Dauereinsatz. Nicht auf dem Spielfeld. Da akzeptiere ich die Macht der Stärkeren und bin am Finaltwochenende jeweils nur noch am Rande engagiert. Aber ich habe mir in den Kopf gesetzt, während diesen zwei intensiven Tagen ebenso intensiv zu fotografieren und die Fotos zeitnah, also gleichentags und gleicherorts auch zu zeigen.

istockphoto.com/koun

Das führt zu einer ganz speziellen Herausforderung an die Konzentration und Auffassungsgabe und macht es nicht leicht, nicht in Stereotypen zu verfallen und am Schluss einen Einheitsbrei zu präsentieren – mit der immer etwa ähnlichen Optik.
Und weil auf sechs Plätzen fast ständig etwas läuft, bedeutet das auch, dass ich viel unterwegs bin. Ich geniesse die Stimmung und den Betrieb und die Freude, die ich damit machen kann. Die Aufgabenstellung führt aber auch dazu, dass ich an diesem zentralen Tag des Clublebens nicht mal mit meinen engeren Kameraden länger entspannt zusammensitzen kann, Und noch etwas fällt mir auf, das nicht leicht in Worte zu fassen ist:

Man mag darüber streiten, wie weit weg Fotografie von darstellender Kunst ist, oder wie nah sie ihr kommen kann. Das ist mir gleichgültig. Ganz klar aber ist es eine ständige kreative Suche nach “dem Bild”, genau so, wie man manchmal nach “dem richtigen” Wort sucht. Das bedeutet eine intensive Beschäftigung mit dem, was gerade im Moment vor mir geschieht – und die Ausblendung ganz vieler Eindrücke um mich herum: Ich befinde mich ein Stück weit in einem Cocon und fühle mich nicht selten meiner Umgebung entfremdet:

Dieses Gefühl ist nicht wirklich von der Anerkennung abhängig. Ich freue mich zum Beispiel riesig über die Freude, die ich einer Familie für Bilder aus ihrer Mitte machen kann, und gleichzeitig lässt sich niemals auch nur annähernd das mit den Adressaten teilen, was zu diesen Bildern geführt hat. Ich bin ja noch nicht mal sicher, ob Begabung oder Glück oder ein Talent ohne wirkliches eigenes Dazutun zu den Ergebnissen führt. Und so sitze ich in Pausen dann plötzlich ziemlich leer inmitten von Menschen – oder am Rand, ein bisschen ausgelaugt und ausgepowert – auch, weil nach dem kreativen Schaffen immer eine Leere folgt. Darin baden dann das Glück über die Möglichkeit, anderen Menschen Schönheiten an und in sich selbst zu zeigen und die Gewissheit, dass das, was man empfindet und fühlt und sieht, sich niemals befriedigend ausgedrückt in Bilder oder auch Worte fassen lässt.

In diesem Bemühen und Entleeren kann man gefangen sein, und wenn ich mir manchmal wünschte, ich könnte von solcher kreativer Arbeit leben, so mag ich mir gleichzeitig nicht vorstellen, welches Ausmass an Zweifel und Einsamkeit das bedeuten kann – denn nirgends ist der ständige Widerstreit in mir zwischen dem Glauben an meine Möglichkeiten und dem Zweifel des äusseren Werts grösser als dann, wenn ich alle meine Energie darauf verwendete, unfähig, etwas anderem auch nur annähernd tiefe Beachtung schenken zu können. Genau so, wie ich an diesem Wochenende so viel hinten an stelle, weil es tatsächlich darum geht, ein kleines Projekt in dieser vorgefassten Zeit zu realisieren – wobei niemandem so klar ist wie mir, dass mit jeder solchen Aktion sich auch die Wahrnehmung der eigenen Arbeit verändert. Wie wir uns selbst verändern in unserem Blick auf die Welt.

Durch den Sucher oder sonst suchend und findend und verwerfend und fragend.



Glück und Unglück

∞  19 August 2012, 23:42

Was für ein übervoller Tag mit einer geballten Ladung an Eindrücken und zum Ende hin wieder mal der Beobachtung, wie nahe Unglück und Glück zusammen liegen können:

Der letzte Gang am Schwingfest, bevor die Teilnehmer am Schlussgang verkündet werden: Ein Schwinger, der uns schon den ganzen Tag durch seine hoch geschossene Gestalt und seinen langen Bart aufgefallen ist, verletzt sich schwer am Knie und muss mit Bare aus der Arena getragen werden.

Daneben wird weiter geschwungen. So ist das im Wettkampf. Eine Viertelstunde später kann einer sein Glück nicht fassen: Der Aussenseiter Thomas Zaugg besiegt den Favoriten und Modellathleten Matthias Sempach im Schlussgang mit einem mutigen Angriff und entschlossenem Nachdrücken, und kann anschliessend sein Glück nicht fassen, während ihm der Grössere fair zum Sieg gratuliert:

Das Bild sagt mehr als alle weiteren Worte:


Click aufs Bild macht es grösser

Mehr zum Schwingfest auf der Schwägalp gibt es in den kommenden Tagen zu lesen und zu sehen.



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