Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Verschiedene Spurenlegungen, ähnliche Funde

∞  24 Mai 2010, 20:36

Wir reden über Vieles zuhause, aber zwischen Thinkabout´s Wife und mir sind die faszinierendsten Dinge die, welche nicht besprochen werden, bei denen wir uns aber immer wieder treffen. Beide haben wir uns seit einigen Jahren Zeit geschenkt, und die nützen wir zu allerlei eigenen persönlichen Studien, zum Lesen (ich leider viel zu wenig) und schreiben (Sie leider nicht öffentlich). Klar aber ist für uns Beide, dass diese gewonnene Zeit auch eine Distanz schafft zu dem, was wir vermeintlich Alltag nennen: Es gibt weniger, ja fast nichts mehr, was so nebenbei erledigt wird. Alles bekommt mehr Gewicht, vielleicht Vieles auch erst einfach mal ein Fragezeichen angehängt. Braucht “es” das? So manches wird dabei seiner Nebensächlichkeit überführt, weil eben aus einer gewissen Distanz betrachtet jedes Gebäude anders wirkt, jedes Kleid sich in einer weiteren Umgebung verglichen sieht.
Das muss in keiner Weise bedeuten, dass man die Dinge nicht geniessen würde. Es ist wohl eher so, dass das scheinbar Nebensächliche mal ganz bewusst die Hauptrolle spielen darf, dass ein Abendessen mit Freunden zum noch grösseren Fest wird – dass sich die Gewichte verschieben. Aber es bedeutet auch, dass wir uns viel bewusster werden, dass das Leben an einem vorbeizieht, dass wir vorbei ziehen und dass wir – vergehen. Auf jeden Fall das, was wir mit “wir”, mit dem Ich in aller Regel “meinen”.

Wir tauschen uns gar nicht so häufig darüber aus. Dreissig Jahre Gemeinsamkeit haben uns auch nicht mundtot gemacht, aber wir haben wohl Beide eine Freiheit entwickelt, mit und damit auch nebeneinander den umtriebigen eigenen Fragen auf ganz verschiedenen Wegen nachzugehen. Die Bücher, über die ich Zugang zu mir finde, sind nach wie vor und wohl immer ganz andere als jene, in welchen meine Frau mit ihren Gedanken zu Hause ist und diese fliessen lassen kann, angeregt von jenem Schubser, der mit einem “Genau!” beginnt – oder mit einer neuen, lebendigen Neugier, die Raum bekommen darf.
Und so lesen wir zur Zeit auch wieder ganz unterschiedliche Bücher: Sie liest “Die drei Pfeiler des Zen”, herausgegeben von Philip Kapleau, und ich Roger Willemsens “Knacks”. Scheinbar völlig unterschiedlich, stellen sich beide Bücher der einen, alles durchdringenden Erfahrung: Wir sind vergänglich und wir vergehen.Und das, was wir “Glück”,“Ausgleich”, “Zufriedenheit” oder “Urvertrauen” und “Glaube” nennen, ist dadurch bestimmt, wie wir selbst mit dieser Tatsache umgehen. Unser Verhältnis zur Zeit als Docht, an dem unser Leben runter brennt, bestimmt, wie wir das Leben sehen, nehmen und leben können.

Und diese verschiedene Spurenlegung, der wir zwei folgen und die uns doch immer wieder zum Gleichen führt und mich die nächsten Jahre noch viel konzentrierter über dieses Phänomen nachdenken lassen wird, zeigt sich schön im Vorwort dieses Zen-Buches, indem erwähnt wird, wie Martin Heidegger meinte, der Begründer des Zen würde wohl genau dies ausdrücken, was er, Heidegger, selbst in seinen Schriften zu sagen versuche.
Wozu meine Frau trocken meint: Die Wahrheit bleibt immer die gleiche, auch wenn man sie komplizierter ausdrückt… Na, dann bin ich ja hinlänglich gefordert in den nächsten Jahren… Also… eigentlich immer. Denn ich habe Heidegger “gebraucht”, um auf die Spur zu kommen. Wobei ich nicht behaupten will, ich hätte ihn in der Tiefe verstanden. Aber wie heisst es so schön: Die Wahrheit sollte in einfache Sätze gegossen werden können. Denn wenn unser Geist dafür bereit ist, ist Wahrheit ganz bestimmt etwas, das alle Menschen erkennen und verstehen können.
Schliessen will ich hier mit dem Dalai Lama:

Ob wir nun Buddhisten sind oder nicht, können wir ja ruhig einmal darüber nachdenken, ob es das Ich, das in unseren Gedanken vorkommt, tatsächlich gibt.


Kompliziert? Vielleicht ja. Aber Bildung, Intelligenz, so wie wir sie in aller Regel verstehen, ist dafür nicht der Grund. Vielleicht ist sie, mit den einher gehenden Wertesystemen und “Zeitfüllern und -verdrängern”, gar ein Erschwernis auf dem Weg zu uns selbst?