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Schäuble - vom Schicksal geschliffener Technokrat?

∞  20 März 2013, 19:02

Finanzminister haben einen trockenen Job. Und einen schwierigen. Also sind sie meist selbst auch trocken. Und schwierig. Für Wolfgang Schäuble scheint das ganz speziell zu gelten.

Credit: Euku, CC BY-SA 3.0
Wolfgang Schäuble 2012 an der Karlspreisverleihung. Für seine Verdienste um die „Wiedervereinigung und Neuordnung Europas“, speziell für seinen Beitrag zur europäischen Integration und Stabilisierung der Währungsunion.


Was ist das für ein Mann, der ganz Europa – einmal zu spät gekommen zu sein, muss genügen – gesund sparen will und dabei scheinbar keine Hemmungen hat, den Volkswirtschaften die Luft gänzlich abzudrehen?

Ich masse mir nicht an, seine fachlichen Qualitäten wirklich beurteilen zu können, aber ich stelle fest, dass Botschaft und äussere Wirkung wohl bei keinem Politiker in Europa zur Zeit so gut zusammen passen. Wolfgang Schäuble erbringt Tag für Tag eine enorme Willensleistung, um seine Tagespensen zu erfüllen. Nicht Behinderte können sich wohl gar nicht vorstellen, wie gross dieser Willen sein muss. Entsprechend gnadenlos und oft launisch wirkt er allerdings dann auch in der Öffentlichkeit in seinen Ansprüchen bis Geringschätzungen seiner Mitmenschen. Unvergessen der bedauernswerte Mediensprecher, der vor versammelter Presseschar wegen fehlender und nicht verteilter Dokumente von ihm angeschnauzt, ja verbal wie ein Schuljunge abgewatscht wurde.

Die Moderatorin Katrin Bauerfeind weiss zu berichten, dass Schäuble ein Interview mal mit der Gegenfrage begann: Bauerfeind? Was ist denn das für ein Scheissname?

Er wirkt ein wenig so, als könne nur er selbst das Ausmass der Ungerechtigkeiten ermessen, die ihm Schicksal und Weggenossen schon aufbürdeten. Der seit 1990 nach einem Attentat vom dritten Brustwirbel an abwärts gelähmte Schäuble litt erst unter Kohls spätem Abgang, unter dessen Geringschätzung im entscheidenden Moment der Stabübergabe und der Tatsache, dass er statt als Kronprinz als Aufkehrer die Partei durch die Wirren des Parteispendenskandals karren musste.

Nun gebärdet sich Schäuble als schwäbelnder Sparvogt und ist in seiner herb technokratischen Ausstrahlung die Reizfigur, die man für seine Ausstrahlung wie seine Botschaft vielerorts ins Pfefferland wünscht. Die Schlangenlinie, die dabei auch er fahren muss und die sämtliche Führungsfiguren der EU zeitweise zu Schulbuben macht, die bei der Schuldfrage auf andere zeigen, macht das Unbehagen nicht kleiner.

Dabei irritiert gerade bei einer solchen Person, dass sie das Prinzip der Gleichbehandlung nach dem Gesetz der Grösse zu biegen bereit ist: Rang man sich durch, bei der Bankenkrise schlussendlich den Bundesbürgern eine Garantie auszusprechen, dass Bankeinlagen bis hunderttausend Euro gesichert wären, fand man, fand Schäuble dies für Zypern nicht von vornherein auch notwendig. Trotz aller Erfahrungen, trotz der erlebten Entrüstung des Volkes -und trotz der zu erwartenden Ausstrahlung auf das Vertrauen privater Bankkunden im gesamten Euroraum.

Schäuble dürfte in diesen Tagen noch etwas weniger Zeit für sich selber haben – und dabei manchmal noch einsamer sein als gewöhnlich.


mycomfor: Artikel über Schäuble, via Google