Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Sarah Meier wunderbar. Und real.

∞  30 Januar 2011, 19:56

Eine Eisprinzessin setzt sich durch – im ganz realen Leben. Eine Geschichte, schöner als jedes Märchen. Ein Artikel, der auch ein bisschen Abbitte leisen soll für ungerechte Beurteilungen.



Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die rührender sind, als es sich Rosamunde Pilcher ausdenken könnte – und gloriöser als jede Hollywoodverfilmung. Etwas in der Art ist einer Sportlerin widerfahren, der ich besonderen Tribut zolle, weil ich zuvor ihr Kämpferherz hinter der Bambi-Ausstrahlung nicht genügend erkennen konnte – und die Meldungen über ihren aufgeschobenen Rücktritt eher missfallend zur Kenntnis nahm. Was sollte das bringen? Da wird eine ehemalige Silbermedaillengewinnerin an Europameisterschaften an der WM 26. – und kündigt an, weiter zu machen? Trotz Diskushernie und Hüftdefekt, der einen operativen Eingriff fordert? Was soll das bringen? Hat da eine Eisfee definitiv Angst vor dem Sprung in die Realität eines Alltags ohne Kameras?

Nun, dieser Auftritt vor Kameras ist auf zwei, drei Termine im Jahr beschränkt, und der Rest ist überaus harte Arbeit. Was aber Sarah Meier in den letzten zwei Jahren bewältigt hat, im meist drückend stillen Kämmerlein oder in eisig zugigen Eishallen, zeugt von einem unglaublichen Willen, der in diesem hübschen runden Kopf mit den grossen Kuller-Rehaugen hausen musste, von einem Kämpferherzen angetrieben. Im Herbst hiess es: Meier wieder verletzt. Aussenbanddehnung am Knöchel, keine Grand-Pris-Starts, kein Wettkampf bis zum definitiv letzten Auftritt der Karriere: Der Europameisterschaft in Bern.

Und dann das: Meier läuft ein reibungsloses Kurzprogramm und ist danach völlig verdient Dritte. Sie zieht die letzte Startnummer für die Kür am folgenden Tag und tritt als letzte Läuferin zum letzten Wettkampf ihrer Karriere vor heimischem Publikum an. Sie nimmt sich vor,nicht zu verteidigen, sondern anzugreifen. Die Trainerin bestärkt sie. Im Gegensatz zu Meier weiss sie, dass die Konkurrenz Fehler gemacht hat. Und Sarah Meier läuft vor einem begeisterten Publikum die beste Kür ihres Lebens und gewinnt völlig verdient Gold.

Da kann man nicht nur den Hut ziehen, man mag auch mit eine Träne vergiessen, und an diesem Tag ist diesem Menschen endlich vergönnt, dass man auch alle ihre Emotionen einfach nur verstehen kann. Ja, man teilt sie gar, und es gibt keinen Menschen in der Halle, der nicht beeindruckt und berührt wäre. Hier erfüllt sich ein Leidensweg in einem verdienten Glücksmoment.

Wenn Sarah Meier nun bei dem bleibt, was sie auch nach dem Wettkampf schon beteuert hat, dass sie nämlich an ihrem Rücktritt festhält, dann hat sie ein Meisterstück abgeliefert: Sie hat ihren Körper gefordert, sich selbst bewiesen – und sich das erfüllt, was sie sich wünschte: Auf dem Eis abtreten, in einem schönen Moment, mit einem guten Wettkampf. Dass er so gut werden würde – dass ist DER Schlusspunkt, und ein Ausrufezeichen, auf das diese Frau immer wird stolz sein können.

Ich wünsche ihr ein paar wunderschöne, entspannte Auftritte in Eisshows, und das weiterhin richtige Gespür für Leistung, Ruhe und Karriereplanung – auch und gerade neben dem Eis. Das war Magie, Sarah. Noch mehr aber beeindruckt uns Ihr Mut. Ich hoffe, Sie haben ihn weiterhin. Auch wenn es darum geht, Nein zu sagen. Denn es ist wirklich der richtige Moment, um aufzuhören. Alles, was käme, würde einen Schatten auf diesen Samstagabend werfen. Jeder Hollywood-Schinken hört mit einem Happy-End auf. Sarah Meier ist definitiv fürs normale Leben gerüstet, da sollte sie sich selbst keine Sorgen machen.