Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Jeder Tag

∞  2 März 2014, 20:35

Wer eine Linie hat, wer konsequent ist, wird darin von jungen Menschen erkannt, wenn sich dies in seinem Auftreten, in der Erscheinung manifestiert:

Er hat seinen “Style”. Ist stilsicher. Fällt nicht aus der Rolle. Damit kann man in manchem Beruf viel Kohle machen und Junge haben schon immer auch per Kleidung nach ihrer Identität gesucht. Je länger je mehr aber schwappt dieser gesuchte Style über in den Beruf, die Vorstellung vom Fortkommen. Dass es heute so viele Casting-Shows gibt, korrespondiert sehr wohl mit der immer verbreiteteren Ansicht, dass es schlicht darum geht, den Coup zu landen. Man kann es immer schaffen, jederzeit. Das ist vielleicht das Positive. Aber was macht man bis dahin mit seinem Leben? Und was kommt danach?

Wir versuchen heute, schlägt uns etwas nieder, einfach so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu kommen. Der Reset-Knopf für den eigenen Betriebsmodus wird gesucht. Schulter und Mund abwischen, und weiter geht es.

Eine Familie sieht ihren Paps kämpfen. Viel zu früh hat ihn der Krebs in seinen Klauen. Da gibt es keinen Reset-Knopf. Da gibt es Brüche, Wehmut, Schmerz. Und die Hoffnung muss gegen tausend vernünftig realistische Gedanken zusammen gekratzt und verteidigt werden. Und manchmal gelingt es. Und sehr oft nicht. Reset? Blödsinn. Denn am Ende hält das Leben ja auch viele Erinnerungen bereit, neue Erkenntnisse zu alten Erfahrungen, vertiefte Dankbarkeit für Erlebtes, und Bitterkeit über Erlittenes will im Grunde niemand mit hinüber nehmen. Egal, wie viel Leben wir geschenkt bekommen – es ist viel, es ist reich, und wir alle würden staunen, würden uns die Liebsten aufzählen, was wir ihnen an Lächeln ins Herz zaubern konnten. Und wenn wir also hier gar nicht weiter lesen wollen, weil das Leben doch eben schön und der Tod fern sei, dann lasst es uns wenigstens mit diesem Bewusstsein tun: Ist dem so, so liegt darin einfach ein weiteres Geschenk, und an ihm ist kein Tag selbstverständlich.