Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Das Problem mit den schönen Sätzen

∞  25 März 2011, 13:06

Wer sich gut ausdrücken kann, ist deswegen der Wahrheit keinen Schritt näher als Sie.


Menschen, die mir verraten, sie würden mir nicht schreiben oder hätten nichts gesagt, weil ich es selbst so viel schöner und schon früher geschrieben hätte, möchte ich antworten: Nichts kann mir so sehr im Weg sein wie die eigene Rhetorik, diese gewohnte Schlaufe der Wörter, die ich um die Wahrheit wickle, bis mir die Verpackung gefällt und ich sie für den Kern halte.

So, wie jeder seine Sprache hat, so liest und hört jeder seine Worte. Ein ganz einfacher Satz, für Sie belanglos, kann für mich einen Durchbruch bringen.

Sehen Sie die Abstände zwischen den Zeilen, zwischen den Worten? Die Punkte zwischen den Sätzen?

Auch in Ihnen lesen Sie. Was für den einen wie Watte wirkt, die er sich über die Wange streichen lässt, trifft den nächsten an einer offenen Stelle, die zugedeckt werden will – oder bereit ist, entdeckt zu werden.

Es gibt nicht nur die Sprache der Schreibenden – es gibt vor allem die Übersetzung der Lesenden. Im Grunde ist Schreiben in erster Linie der Versuch, genau das anzustossen.

Ich kann Ihre Gedankenwelt nie ersetzen, bin in nichts Ihr Stellvertreter. Ich kann Ihre Welt vielleicht berühren, sie beleben – aber nichts davon bleibt hängen, wenn Sie nicht danach greifen.

Und stellen Sie sich vor: Auch der Schreibende braucht Lesestoff. Er ist genau so unterwegs wie Sie, hat Fragen, Wünsche, Sorgen, ist einsam, allein oder aufgewühlt. Die schönsten Worte machen keinen Satz für sich wahr.

Es dürfte sogar so sein, dass wir, je näher wir dem Kern einer Sache kommen, um so einfachere Worte dafür finden.