Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Blocher zentral

∞  1 Juni 2014, 19:34


Dreharbeiten zum Dok-Film “l’expérience blocher” (Click aufs Bild führt hin)

Die kommenden Jahre werden zu einer Zerreissprobe für die Schweiz – und sie wird sich an der Person von Christoph Blocher hoch schaukeln. So absurd es auch ist – in einem direktdemokratischen Staat, in dem dem Einzelnen nichts so sehr ein Greuel ist wie überzogener Starkult für eine Person, wird die Frage nach der zukünftigen Europapolitik der Schweiz sich an den persönlichen Antipathien und Empathien für eine Figur entzünden, einem Mann, der leidlich damit kapriziert, der Mann des Volkes zu sein, der sich ganz in den Dienst seiner ihm heiligen Sache stellt.

Blocher in die Hände wird spielen, dass die EU nie so deutlich wie heute offenbart hat, dass sie alles andere als demokratisch funktioniert – und der Verlust direktdemokratischer Rechte ist dem Grossteil der Schweizer ein absoluter Greuel. Denn noch mehr als den ehrlichen Zielen eines Einzelnen misstraut der Schweizer einem Amtsschimmel, einer Institution, die er nicht selbst ins Leben gerufen, also gewählt hat.

Mir graut vor dieser Zeit. Nicht, weil ich mir Sorge mache, was denn der richtige Entscheid für die Schweiz sein wird – was wird denn wirklich richtig sein, zumal heute noch gar keine Lösungsvorschläge zur Diskussion auf dem Tisch liegen? Nein, mir graut vor der verblocherten “Debatte”, die schlussendlich nur noch Ja- und Neinsager kennen wird, mir graut vor der Rolle der Medien, die sich dem Phänomen Blocher genau so wenig entziehen können wie ich, und ich habe Angst vor der geschürten Angst, die jede Diskussion im Keime erstickt und ein Abwägen der Konsequenzen gar nicht erlaubt.

Und diese Konsequenzen. Auch vor ihnen habe ich lange nicht so Angst wie vor der Fratze, die sich dann zeigt, wenn Politiker aus dem Ausland der Schweiz Interessenpolitik vorwerfen – wie wenn es irgend eine Politik gäbe, die nicht genau das will, ja soll.
Ich mag nicht mehr Spaltung. Ich würde gerne mehr Verbindendes sehen – und mehr Respekt vor dem einzelnen Land, dem einzelnen Bürger. Ich sähe gerne mehr Abwägung zwischen Fortschritt, Wachstum und einem guten Leben, das viel mehr umfasst als eine immer etwas vollere Lohntüte. Ich sähe einfach gern in all diesen Debatten mehr wirklich honorige Leute, die sich den Mund nicht verbieten lassen und sich genau so für die Sache engagieren, wie es dieser grauhaarige Mann aus Herrliberg tut und weiter tun wird.