Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.


Gleichgewichte, die wir manipulieren

∞  1 November 2014, 16:29

Der goldene Herbst beschämt mich in meinem Gezeter über den miesen Sommer…

Was für ein Herbst! In den letzten fünf Wochen habe ich keinen einzigen Tag erlebt, an dem nicht spätestens gegen Mittag die Sonne das Zepter übernahm. Ich habe so auf ganz besondere Weise den Segen des Internets erfahren. Denn ohne die Möglichkeiten des Home Office und eins guten Teams hätten wir nicht für eine längere Zeit nach Frankreich dislozieren können.

Wir haben wirklich unheimliches Glück gehabt, und ich sehe darin wieder mal die Relativität, mit der wir uns bekleckern, wenn wir über die Gegebenheiten klagen, mit denen wir umgehen müssen: “Das Wetter” ist dafür ein gutes Beispiel. Wie haben wir – zu recht – über einen Sommer geklagt, der seinem Namen wirklich nicht gerecht wurde – und wie wunderbar sind nun diese Herbstwochen ausgefallen. Und ich nehme schwer an, dass dies nicht nur an unserer Dislokation lag, sondern dass die Wochen in Zürich auch sehr angenehm zu gestalten waren.

Die Welt, in der wir leben, kennt Zyklen und Gleichgewichte, die einfach viel weiter gefasst sind als das, was wir in unserer Wahrnehmung verarbeiten können. Unser Zeitgefühl wird in aller Regel nicht mal der eigenen Lebensperiode gerecht, geschweige denn dem Gleichgewicht, in dem sich Erde und Atmosphäre eingebettet sehen. Und deshalb macht es mir so Angst, wenn wir mit unserer Forschung Doktor spielen und “Defekte” reparieren wollen. Und die Geldgebung aus der Wirtschaft hat ja auch alles andere im Sinn als das langfristige Gleichgewicht. Sie will den schnellen Erfolg, will ein Symptom erzeugen oder bestenfalls beseitigen und damit scheinbar alles zum besten regeln. Wir ergehen uns in Allmachtsphantasien und erkennen nicht, siehe oben, dass im grossen Ganzen alle diese Eingriffe Gegenreaktionen bedingen – die irgendwann, jenseits unseres so mangelhaften vernetzten Denkens, aber nicht unbedingt jenseits unserer Lebenserwartung oder der unserer Kinder, Gegenausschläge auslösen werden – für jenes Gleichgewicht, in dem auch wir nur eine Störung oder bestenfalls ein Faktor sind.

Alt werden. Ja?

∞  16 August 2014, 23:55

Der Schweizerische Beobachter hat das Thema gerade abgehandelt: Die Menschen, die heute bei uns geboren werden, werden statistisch wohl hundert Jahre alt. Aber wie?

Wenn man deutlich in die zweite eigene Lebenshälfte eingedrungen ist – für unser einer ist das jenseits der fünfzig noch eindeutig der Fall – dann häufen sich die Einblicke ins hohe Alter: Die eigenen Eltern rücken in Bereiche vor, in denen die so hoch gepriesene Selbstbestimmung ihre Grenzen erfährt. Und immer häufiger werden die Beispiele, die wir alle in unserem Umfeld sehen können:

Menschen, die altern, die biologisch funktionieren, aber geistig sich zurück bilden, oder Menschen, die geistig sehr fit sind, aber körperlich immer grössere Probleme haben. Menschen, die körperlich funktionieren, deren Organismus beständig neu eingestellt, justiert werden kann, so dass dem einen Antrieb Folge geleistet werden kann:

Leben.

Mag es noch so wenig mehr beinhalten. Und die Alterung stellt ständig neue Aufgaben – und die Medizin flickt und injiziert und medikamentiert…

Dabei gäbe uns der Körper doch so viele Signale! Wie wir zum Beispiel den Appetit verlieren. Wir plötzlich Dinge nicht mehr essen mögen, die uns doch immer lieb und teuer waren.

Wir kennen alle die Gespräche: Du musst halt mehr spazieren gehen! Dich überwinden! Jemanden fragen, dass er mit kommt. Du musst mehr essen! Du musst trinken.

“Du musst…”

Wirklich? Und dann kommt er wieder, der (Über-)Lebenstrieb, und es ist so schwer, die tiefere Motivation dahinter zu spüren… Was ist wie bewusst geäusserter Willen, was nur Reflex?

Wie schön der Moment wohl sein kann, wenn es heisst: Ich mag nicht essen – und die Antwort folgt: Dann lassen wir es stehen. Der Körper ist dem Geist oft näher, als wir es ursprünglich wollen, aber er kann es so viel leichter machen. Manchmal weiss er viel früher, was genug ist, und die Qual besteht nur darin, den Geist überzeugen zu müssen.

Das Gegenteil aber ist brutal – und ich denke an Menschen, die ich kenne, welche diesen Kampf immer wieder in Wellen ausfechten müssen, nicht aus Altersgründen, ohne dass es mir wirklich möglich wäre, zu helfen, weil er auch ein Mysterium bleibt, dieser Kampf zwischen dem kranken Körper und dem Geist. Es ist so wichtig, dass dies privat sein darf oder wieder sein dürfte: Niemand kann für jemand anders entscheiden, wie weit er diesen Streit in sich beherbergen “muss”. Wir sollten für ein gutes Leben auch das Sterben wollen, es schon dann als Aussicht akzeptieren können, wenn wir im Grunde glauben, keinen Gedanken daran verschwenden zu müssen…

Erholung in der Provinz

∞  9 Juli 2014, 19:02


istockphoto.com, Illustration von stefanika


Wir sitzen in einem kleinen Café in der Pampa. Es ist ein eher trüber Tag, der Sommer ist auch hier abwesend. Ein paar versprengte Touristen steuern das Tourismusbüro an, die Stühle im Café auf der Terrasse sind leer. Drinnen genau so.

Wir entscheiden uns für draussen – und warten. Warten, bis wir die Bestellung aufgeben können, warten, bis Kaffe und Kuchen des Tages dann auch aufgetischt werden. Die Damen von der Bedienung sind zu zweit. Sie dehnen zwischen sich die Zeit, wie es scheint. Sie tropft dahin, zäh, und es fehlen eigentlich nur die nassen Ringe von gebrauchten Tassen auf den Tischen. Die gibt es tatsächlich nicht.

Und wenn sie kommt, dann ist die Dame sehr freundlich. Alles gut. Wir sind hier in der Provinz, und wer hier bleibt, oder hierher kommt, sucht nicht die Hetze. Er hat aber auch bestimmt keinen übermässigen Ehrgeiz und wenig inneren Antrieb, seine Situation zu verbessern. Es reicht gerade, dem Ort eine gewisse Sorge zu tragen und sich ansonsten der Herausforderung zu stellen, sich den Tag hindurch nicht zu langweilen. Die Arbeit sehen und suchen muss man hier nicht. Damit fiele man auf und darin wäre es einem auch nicht wohl.

Dies ist keine Kritik, es ist nur das Gemälde des Lebensgefühls hier, in dem ich baden kann, wenn ich entspannen will. Arbeiten kann ich hier aber nur für die Firma, die weit entfernt am Puls des Wettbewerbs horcht und – dank dem Segen des Internets – mich daran teilhaben lässt.

Die Zeit, die man hat

∞  9 Juni 2014, 23:36

Es ist nicht wenig Zeit,
was wir haben,
sondern es ist viel,
was wir nicht nutzen.

Seneca


istockphoto.com photodeedooo

Diesen Spruch habe ich heute in einem Haus gefunden, dessen Haushalt aufgelöst werden muss. Und wie immer, wenn solches nötig wird, stösst man als Angehörige auf tausend Geschichten, deren Teil man vielleicht selbst war oder von denen man wusste. Und so manche kleine Unordnung zeugt davon, dass man etwas nicht wegwerfen oder wirklich versorgen wollte, weil man damit noch Pläne hatte. Die Schiffsreise, die nie gemacht wurde, die Geburtstagskarte, die Musse wünschte, viel mehr, als sie der Empfänger sich gönnen mochte – doch behalten hat er die Karte, nicht verloren in einem Buch, sondern oben aufliegend auf einem Stoss von Büchern.

Nun ist es zu spät. Für so Vieles zu spät. Und man wird im Alter von jenen Dingen eingeholt, die einen schon früher besonders umtrieben. So scheint es zumindest. Und je älter die Knochen werden, um so mühsamer sie bewegt werden, um so mehr schleicht die Zeit – doch sie schafft dabei keine neuen Möglichkeiten mehr. Nur die Wehmut, die bekommt Raum, und man bedauert als Jüngerer das Verpasste – mit einer bangen Frage: Werde ich es mal besser machen? Falsch: Mache ich es aktuell, ganz persönlich, besser? Wie nutze ich meine Zeit? Nehme ich sie mir? Es kommt die Zeit und der Ort, an dem ich mir diese Frage nicht mehr werde stellen können.

Es ist immer die richtige Zeit, dafür zu sorgen, dass wir Zeit haben.

Die Utopie von der Selbstbeschränkung

∞  12 Mai 2014, 21:32

Man kann nicht alles haben. Der Satz ist nicht neu, und eigentlich gilt er ja auch heute. Aber ich glaube, es gibt einen deutlichen Unterschied: Wir haben heute viel mehr als unsere Grosseltern das Gefühl, dass uns eigentlich alles möglich sein sollte.
Und haben wir uns etwas in den Kopf gesetzt, so akzeptieren wir eigentlich kein Nein mehr. Von niemandem.

Wir suchen ständig nach dem imaginären Optimum, und weil unserem beschränkten Horizont gemäss daraus folgt, dass wir dieses Optimum nie kennen, muss es einfach immer noch ein wenig mehr sein. Und den Folgen, die unser Tun haben kann, begegnen wir mit Gleichgültigkeit, ein Stück weit auch dann, wenn sie uns selbst betreffen können.

Wie ich heute im Radio gehört habe, wird es eine neue HIV-Kampagne geben. Die genau das aufnimmt und im Grundtenor aussagen will: Weil ich mir ganz persönlich alles erhalten will, schütze ich mich. Aber es ist gegen Windmühlen gekämpft. Denn gerade die Männer um die 40, im Beziehungsstress oder nach dem Beziehungsgau, wollen sich den ungeschützten Sex nicht nehmen lassen. Sie haben ein Anrecht darauf, finden sie. Das ist zwar die dümmste aller möglichen Denkweisen, aber sie ist mehrheitsfähig. Und die möglichen Folgen? Pustekuchen. Ist ja behandelbar. Zwar sehr teuer, aber immer seltener mit Nebenwirkungen behaftet – HIV ist nicht länger eine tödliche Pest, sondern nur noch eine chronische Krankheit wie (schwere) Diabetes. So was in der Art. Und das juckt kaum jemanden mehr. So gleichgültig ist er seiner eigenen Lebensqualität gegenüber eingestellt. Da mag man schon fast verstehen, dass ein bisschen ungeschützt rumvögeln ein Highlight in diesem Leben darstellen mus.

Letzte Wegstrecken

∞  19 April 2014, 22:18

Was zählt am Ende?
Vor dem grossen Abschied?

Was wir hinterlassen?
Was wir mitnehmen?
Wer um uns trauert?
Was uns Angst macht?
Was wir überwinden?
Was wir lassen dürfen?

Was wir lernten.
Was wir sahen.
Frieden suchen.
Frieden finden.

Wir Manipulatoren

∞  13 Februar 2014, 23:55

Das Abstimmungswochenende war für Viele ein Schock. Aber ein Schock sind für mich auch tagtägliche Meldungen im Radio, zum Beispiel. Wenn, wie heute, die so genannte Schweizer Ethikkommission neue “Erkenntnisse” zur Ethik der künstlichen Befruchtung ausspricht – und ich mich einfach nur noch frage, ob wir bald selbst alle zu Zombies mutieren?

Und dann habe ich da eine Notaufnahme vor meinem geistigen Auge, und ihre perfekte Aufgeräumtheit modernster Medizintechnik. Hier kann geholfen werden. Es fehlt denn auch im Grunde nur an einem: An Menschen ausserhalb der Betten. An Zeit. Und an Bindungen. Man wartet. Nichts von der Hektik aus den US-Spitalserien im Fernsehen ist spürbar. Vorne am Desk haben sie ständig zu tun, sind alle Bildschirme besetzt, und manchmal merkt niemand auf, wenn man vorbei geht, so konzentriert ist alles. Und hinten liegen sie in der Ruhe und Leere, die Patienten. Überwacht. Vielleicht hat man es ihnen ja gesagt. Aber gegen die innere Unruhe ist diese Art Betreuung, diese systemische Perfektion kein Mittel. Ganz im Gegenteil.

Ich sehe uns auf alle auf der Notfallstation. Wir haben die Demut vor dem Leben verloren, wollen Kinder, die genau so ins Bild des Lebenslaufs passen wie die nächste Beförderung. Wir werden immer perfekter darin werden, und immer mehr zu grössenwahnsinnigen Manipulatoren – und damit werden wir die Schöpfung zu einem Flickwerk machen, bis die Decke über uns und der Boden unter uns reisst.

Wenn der Körper mehr leidet, als die Seele wollte

∞  4 Februar 2014, 19:22

Mein Körper gehört mir! Der Ausspruch ist populär und Teil der feministischen Bewegung, hat in so manchem gesellschaftlichen Kontext ganz wichtige Botschaften ausgesendet. Aber wie halten wir es mit diesem Spruch, wenn dieser Körper krank ist? Wenn unser liebster Liebmensch krank wird?

Wenn plötzlich nichts mehr ist wie zuvor, oder wenn Behandlungen nicht anschlagen? Wie halten wir es damit, wenn dieser Mensch plötzlich sagt: Ich mag nicht mehr?
Oder wie bereiten wir uns vor auf eigene Anfechtungen? Wie erst ist es uns mit der Selbstbestimmung über Körper und Geist, die wir so gerne und so “logisch” als wichtig betrachten, wenn wir von einer Krankheit herausgefordert werden?

Wie gross wird unsere Angst, wie gelassen können wir wieder werden, wenn der Schock vorüber ist, oder sich einebnet im Bewusstsein?

Es gibt so viele Menschen mit klarem Blick für das, was für sie in Frage kommt, und was nicht – und so viele ganz unterschiedliche Lebenssituationen, welche diesen klaren Blick fragend werden lassen. Da ist der eine Krebspatient, bei dem die Krankheit rasend schnell voran schreitet, und der vielleicht nur noch entscheiden kann, ob er auch die nächste Chemo oder Bestrahlung noch will? Und es doch sehr oft nochmals über sich ergehen lässt. Da ist der reflektierende Mensch, der seit Jahren mit seiner Krankheit leben muss, nicht will, aber doch immer wieder sich dem Krankenhausgang stellt, müde wird, Erwartungen verliert, Träume, und doch weiter macht, für viele Menschen in seinem Umfeld eine Inspiration bleibt, auch wenn er von sich selbst glaubt, dass mit ihm nicht mehr viel anzufangen sei.

Was macht uns das Leben lebenswert? Die Frage kann – je nach Lebenssituation – ganz veschiedene Antworten kennen. Und ich vermag schon länger nicht mehr zu sagen, mit welcher Antwort welchem Menschen genau zu helfen wäre. Ich glaube, dass es hier erst recht, noch viel mehr wie bei anderen Aufgaben, nur darum gehen kann, mitzuhelfen, die Fragen zu stellen, sie zu erarbeiten, Mut für sie zu machen – und den Liebesdienst anzubieten, auch die Antwort respektieren zu wollen. Meine Angst vor dem Verlust, vor dem Abschied, mein kindliches Träumen, dass alles wieder gut oder zumindest viel besser kommen könnte – es darf auch sein, aber es sollte nicht als Belastung für den Kranken stehen bleiben. Er soll spüren, dass er geliebt wird, aber auch, dass er nicht mehr zu leisten hat, als das, was er selbst erbringen will.

Wir trennen uns alle, irgendwann, werden getrennt. Und doch gehören wir zusammen, als Menschen mit den immerwährenden gleichen Aufgabenstellungen – von denen wir uns aber längst nicht alle aneignen müssen, schon gar nicht diejengien, die von aussen an uns heran getragen werden. Es kommt der Moment, in dem wir wissen, was nun sein darf und nicht mehr sein muss – und auch alles Leid darf mal ein Ende haben. Kehrt diese Leichtigkeit ein, an nichts mehr festhalten zu müssen, kann darin auch eine kummerfreie Demut erlebt werden, die wir wohl alle irgendwie anstreben, wenn wir von der sog. Gelassenheit reden.

Nicht erst im Alter Genügsamkeit lernen

∞  31 Januar 2014, 10:11

Ich denke an ein Zimmer, das eine ganze Welt geworden ist. Ich denke daran, dass dort die Sonne genau so durchs Fenster flutet wie hier. Wie wird sie wohl begrüsst? Kann das trübe Herz sich daran wärmen? Oder ist das Blinzeln gegen das grelle Licht nur der Anfang der Verschattung der Seele?

Was hat das Alter für Geheimnisse bereit, die wir nicht kennen wollen, weil wir uns fürchten? Was ist mit meiner Angst im Jetzt? Ich will nach draussen, die Sonne auf der Haut spüren – und mir die Kälte wegdenken können. Wegfühlen. Ich möchte empfinden, in Tränen baden, im Lachen verrückt werden.

Ich will mich fühlen.

Ich will, ich möchte, ich wünsche, ich hoffe….

Ich möchte das alles nicht wünschen müssen…

Ich möchte das Fenster aufmachen und die Sonne begrüssen. Überall und immer, ohne mehr zu begehren.

Einer meiner Lehrer

∞  5 Dezember 2013, 19:21

Ich habe einen Tennislehrer, den ich ganz bewusst ausgewählt habe. Dabei habe ich ihn kein einziges Mal selber spielen sehen. Aber eine ganze Stange Kaffees habe ich mit ihm schon getrunken. Denn er tut mir gut. Meinem Tennisschwung. Aber vor allem beschwingt das Zusammensein mit ihm meine Seele.

Ich liebe seine hellen Augen, sein breites Lächeln, und die Gemütlichkeit, die ihm eigen ist. Wenn ich ihn sehe, dann möchte ich mich setzen und mich zurücklehnen und die Beine über einander schlagen.

Er will einfach Tennislehrer sein, diesen Job gut machen und schafft es, seine Zufriedenheit schon an kleinen Dingen fest zu machen. Und so wie er mir erzählt hat, kommt das sehr gut an, ist er nun auch ein Clubtrainer. Einer, der an Interclubpartien anwesend sein will, der wirklich Teil des Clubs ist. Sich einbringt, im Zentrum sitzt und doch die Aufmerksamkeit nicht sucht, aber selbst aufmerksam sein will.

Mit ihm kann ich über Sport fachsimpeln, glühend heiss, aber ich kann mit ihm auch über Lebenskunst reden, und, ja, auch über Gott, Spiritualität allgemein. Alles ergibt sich ganz spontan. Und auf dem Tennisplatz arbeiten wir am scheinbar unmöglichen Versuch, zwanzig Jahre Selfmade-spasmozuckende Wirrschläge irgendwie in so was wie natürliche Bewegungsabläufe zu verwandeln. Und das tun wir konzentriert. Es ist diese Mischung, in der allem eine Ernsthaftigkeit innewohnt, die aber auch jeden Krampf vermeiden will, die mir so gut gefällt und mich Entspannung lehrt.

Und letztes Mal hat er mir beim Trinken zwischen zwei Trainingsblöcken erzählt, wie er nun zuhause jeweils den Timer wieder stellt. Nicht, um wichtige Pendenzen nicht zu vergessen. Sondern, um an seine fünfzehnminütige Traumpause erinnert zu werden:

Ich habe festgestellt, dass ich unbedingt diese feste Zeit brauche, in der ich nichts anderes zu tun habe, als zu träumen, meinen Gedanken nachzuhängen, zu fabulieren, nichts zu tun, nichts Konstruktives zu müssen, einfach hängen zu dürfen.

Ich kann selten aus dem Zusammensein mit einem Menschen in wenigen Minuten so viel für mich Wertvolles herausziehen und mitnehmen, wie bei meinem Tennislehrer.

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