Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.


Frauenquote für Führungsgremien in börsenkotierten Unternehmen?

∞  29 November 2014, 18:15

Der Schweizer Bundesrat hat verkündet, dass er eine Geschlechterquote für wirtschaftlich bedeutende, an der Börse kotierte Unternehmen einführen will. Nach seiner Vorstellung will er vorschreiben, dass mindestens 30% beider Geschlechter in den Führungsgremien vertreten sind.

Nun bin ich durchaus auch der Meinung, dass noch viel mehr dafür getan muss, dass die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau abgebaut werden. Aber der Staat kann einem privaten Unternehmen nicht die Bestellung seiner Führungsorgane vorschreiben! Es ist allein Sache der Eigentümer einer Firma, also der Aktionäre, über die Führungspersonen des “eigenen” Unternehmens zu entscheiden, denn sie tragen auch das Risiko für die eigenen Investitionen. Damit muss jede Person wählbar sein, die mit einwandfreiem Leumund und nach Meinung der Eigentümer mit dem entsprechenden Wissen und Können ausgerüstet ist. Weiter hat das, mit Verlaub, den Staat nicht zu interessieren.

Wird eine Frau in einer entsprechenden Position, egal auf welcher Führungsebene, nicht gerecht bezahlt, haben wir eine ganz andere Situation – denn keine Firma soll mit der Wahl einer Frau einfach die billigere Lösung wählen können. Die Wahl aber in eine Position ist nun mal nicht einklagbar – und es bleibt eine schlechte Lösung, per Quote irgend eine Positon zugeschanzt zu bekommen. Auch in der Politik.

Wo sind die politischen Lieder geblieben?

∞  25 November 2014, 22:00

Die Zeiten scheinen vorbei: Musik transportiert keine Gesellschaftskritik mehr. Wo sind sie hin, die politischen Lieder? Wo ist sie überhaupt, die politische Botschaft von der Strasse? Welche Mittel direkter Strassendemokratie werden überhaupt noch in Betracht gezogen? Wer lässt sich noch mobilisieren. Und warum?

Ich denke immer wieder, wie manche geplagte Seele sich im Grab umdrehen würde, könnte oder müsste sie uns beim Vegetieren zusehen:

Wir tragen die “Demokratie” in die Welt – also, die Amerikaner tun es, und wir profitieren gerne im Windschatten – und daheim in den USA hatten die Jugendlichen schon nach vier Jahren Obama all ihren Enthusiasmus verloren. Was wir in Sachen Basisdemokratie für Möglichkeiten hätten – sie sind zahlreich! Doch uns ist die Mühe eines Jahres zuviel – während obige Seelen Jahrzehnte lang, Generationen lang darum gekämpft haben, dass wir uns jetzt alles schnuppe sein kann, ohne dass es – kurzfristig – grobe Konsequenzen für uns hätte.

Politische Lieder sind tot. Gesellschaftskritische noch nicht ganz. Doch wen sollen wir denn kritisieren? Die EZB? Die EU? Welchen Bürokraten, der uns verwaltet, können wir denn zum Feindbild erküren – und was, bitteschön, setzen wir dem entgegen?

Wer hätte vor dreissig Jahren gedacht, dass Udo Jürgens zu denen gehören könnte, der durchaus mal nachdenkenswerte Zwischentöne anstimmt? Udo Jürgens als Gesellschaftskritiker?
Empört Euch! So hat es in dem kleinen französischen Büchlein! von Stéphane Hessel geheissen. Aber wie lange ist das wieder her? War unser “Jawoll” mehr wert als ein kleiner Pupser?

Wohl kaum. Wir sind die Masse der ruhig Gestellten. In den Augen der Politiker haben wir nur eine Macht: Wir wählen sie nicht, wenn wir Steuererhöhungen riechen. Das glauben die Politiker, und ich fürchte, sie haben sogar recht. Als wäre das an sich bereits ein Programm. Und dagegen lässt sich nicht mal ansingen.

Aschgrau ist das mit uns

∞  11 November 2014, 22:00

In Bremen soll der Friedhofszwang aufgehoben werden. Das würde bedeuten, dass man die Asche seiner liebsten Verstorbenen auch im eigenen Garten verstreuen kann. Zum Beispiel. Die taz fragt mit vollen Ernst: Ist das menschenunwürdig?

Wir sanktionieren Organspenden als so wünschenswert, dass wir die gar die Erklärungslast umzukehren bereit sind, dass also ausdrücklich deklarien soll, wer seine Organe als Hirn(un)toter nicht spenden will. Wir nehmen stillschweigend in Kauf, dass na Friedhofsgräber bei Erdbestattungen nach zwanzig Jahren aufgehoben werden und an gleicher Stelle ein anderer Leichnam verscharrt wird – aber wir fragen allen Ernstes, ob es human sei, die Asche eines Kremierten im eigenen Garten oder wo auch immer zu verstreuen?

Wir haben einfach ein Rad ab.

Trennung mit Anstand?

∞  8 November 2014, 14:30

Esteban Gutierrez bekommt keinen neuen Vertrag als Pilot im Sauber-Formel1-Rennstall. Er erfährt es aus der offiziellen Pressemitteilung seines Arbeitgebers, wie er sagt.

Nun ist er selbst Realist genug, um zu wissen, dass seine Leistungen nicht genügten und er spricht selbst davon, dass schon die Körpersprache der Partner in den Gesprächen ja einiges verrate.

Es geht hier auch nicht darum, Sauber in die Pfanne zu hauen oder um den letzten Wahrheitsgehalt und allenfalls andere Wahrnehmungen und Verlautbarungen aus dem Umfeld. Es geht, wieder mal, nur um das Beispiel, das seinerseits allerdings für eine zutreffende Beobachtung steht:

Unsere Arbeitswelt ist verludert.

Wie heute mit Angestellten umgegangen wird, wenn mann sich von ihnen trennt, ist erschreckend. Die Kälte und die Mechanismen, die dabei sofort greifen passen leider allzu gut zum individuellen Verhalten, das viele Führungspersonen, welche diese Entscheidungen zu vertreten haben, vorleben. Es ist dies der Moment, in dem die so genannten weichen Faktoren (nur schon der Ausdruck!) definitiv nicht mehr zählen. Und jedes Mal, wenn das gelebt wird, bleibt etwas in der Welt zurück, das mit hilft, dass wir wirklich vor nichts mehr zurück schrecken und die Menschen wie Schachfiguren aufs Brett stellen und wieder runter nehmen. In diesem Fall hätte es einen kurzen Anruf bei Gutierrez vor dem Versenden der Pressemitteilung gebraucht – einen Moment Bremsenergie, die es erlaubt hätte, eine Sache zu Ende zu bringen, mit Anstand, um eine neue auch anständig beginnen zu können. Wenn sich Gutierrez dann sehr freundlich zeigt, verstehend, wenn diese Abläufe als “part of the business” bezeichnet werden, dann sollte uns das nicht beruhigen. Im Gegenteil. Denn es bedeutet nichts anderes, als dass auch Arbeitnehmer sich längst nicht mehr gleich verhalten. Identität durch Anerkennung sucht zwar nach wie vor jeder, Identifikation mit dem Unternehmen aber ist etwas für Naivlinge. Und es gibt auch bereits viele Grossunternehmen, die so was für Zeitverschwendung halten – sie rechnen mit gar keiner anderen Motivation ihrer Mitarbeiter, als damit, viel Geld zu verdienen, und das Verständnis reicht nicht weiter als bis zu dem Punkt: Ist mein Mann geil auf mehr Geld, wird er viel Geld für die Firma verdienen wollen. Und Schluss.

Nur: Menschen funktionieren nicht so. Wenn wir mit den Verlierern des Spiels gar nicht umgehen, wenn wir nicht erkennen, dass wir Umgang mit einander brauchen, wenn wir nur nach oben blinzeln und nach unten schnöden, dann gute Nacht. Und Gefühle, die wir negieren, verschwinden deswegen ja nicht. Hass und Frustration setzen sich unterschwellig in der Gesellschaft fort, und wenn auch sie fehlen, ja, dann bleibt wirklich nur noch die automatisierte Konsumwelt übrig.

Natürlich entspricht dies alles nicht dem, was wir in Familien und unter Freunden erleben. Aber niemand wird bestreiten, dass sich alle diese Relationen laufend verändern – und das nicht zu unserem Vorteil.

Blocher - man kann auch mal hinhören

∞  4 November 2014, 21:52

Ich habe mich in diesem Blog schon sehr oft sehr entschieden gegen die Politik und die einzelnen Aktionen von Christoph Blocher gewandt. Und dabei geht es mir ein Stück weit wohl gleich wie den meisten politisch interessierten Menschen in unserem Land, und wie den Medienvertretern und Polit-Kollegen auch:

Wir haben den Mann einfach nicht richtig angenommen – und sind entsprechend schlecht mit ihm umgegangen.

Der Wahlkämpfer Blocher war immer ein Taschenspieler, der im Kampf um Wählerstimmen stets einen Schritt voraus war, wenn es darum ging, härter zu politisieren, ein Tabu im politischen Streit zu brechen und damit zu polarisieren. Mit sehr viel Geld in der Tasche und mit dem unbändigen Wunsch beseelt, als politische Führungsfigur auch allgemeine Anerkennung zu erhalten, ohne je diese Bissigkeit eines Terriers abzulegen, der lieber den Passanten ins Bein beisst, bevor er von ihm getreten werden kann – hat Blocher eine beispiellose Karriere als Unternehmer und Parteichef hingelegt. Er wird bis ans Ende seiner Tage ein Widerborst bleiben und immer ein Thema finden, das er aufgreifen muss, um die Schweiz vor Schaden zu bewahren.

So weit reden wir vom Populisten Blocher, der Wähler fängt – und wir reden dabei sehr schnell auch von den Medien und politischen Gegnern, die ihm bis heute viel mehr Bühnenpräsenz geben, als nötig wäre: Er mobilisiert – und damit ist auch den Kritikern Aufmerksamkeit gewiss. Populismus ist also ein Wert, der Beachtung schenkt, auch wenn man dabei in den eigenen Wortmeldungen diesen Populismus geisselt – mit entsprechend wenig Erfolg. Denn bis heute hat es keine Partei verstanden, die richtigen politischen Analysen eines Blochers in eine Politik zu münzen, die umsetzbar wäre. Man müsste dem Mann ja dann in einer Weise recht geben, die einfach nicht sein darf.

Nun war Blocher zum vierten Mal Gast im Schawinski-Talk – und während ich ihm tatsächlich wieder mal zuhöre, erlebe ich Erstaunliches: In den ersten, erstaunlich langen Minuten gebe ich Blocher häufig recht: Ja, die Volksrechte der Schweizer Politik sind bedroht, die direkte Demokratie wird gerne in Frage gestellt. Sie ist lästig, sie berührt uns peinlich, wenn wir als Feingeister dann die “falschen” Entscheide im Ausland wieder erklären müssen. Und es IST ein Problem, wenn Volksinitiativen mit den Normen der europäischen Menschenrechte nicht vereinbar sind. Wer versteht denn Völkerrecht wirklich, und wer setzt welches Recht durch, wer anerkennt es für sich auch wirklich verbindlich an? Wer hat welche Resolutionen wirklich ratifiziert? Tun sich da wirklich alle Staaten so mit Vorbildcharakter hervor und gehen immer voran?

Es mag schwer zu verstehen sein, aber es ist ein wesentlicher Unterschied, eine deutsche Verfassung als Grundlage für die politische Gemeinschaft zu kennen – oder die schweizerische. Das deutsche Grundgesetz beginnt mit Grundrechten, die ausdrücklich von keiner Regierung, egal mit welcher Überlegenheit gewählt, antastbar sein sollen. Das Grundgesetz soll dadurch vor Entwicklungen schützen, welche Deutschland zwischen den Weltkriegen mit seinem parlamentarischen System erleben musste: Die Grunderfahrung ist: Keine Parlamentsdemokratie verhindert die Entstehung totalitärer Strukturen und damit den Verlust jener Art von Gerechtigkeit, die durch Menschenrechte garantiert werden soll.

In der Schweiz ist das anders: Die Bundesverfassung von 1848 begründet die Volksrechte in einer Grundsätzlichkeit, die den Willen des Volkes mit allen Mitteln der direkten Demokratie vor jedes Gesetz stellt: Das Volk und damit die Mehrheit der Bürger nimmt Gesetze an, gestaltet sie über Initiativen oder verwirft in Volksreferenden die Vorschläge der Parteien und Parlamente. Das System ist mit lauter Minderheitsparteien so austariert, dass die Kultur einer gewissen wirklichen und nicht nur gespielten Rücksichtnahme auf die jeweilige Minderheit zum Gestaltungswillen gehört. Unser System hat fast zweihundert Jahre auf dem Buckel – und es sind Jahre ohne Krieg. Mit einer Gestaltung der Gesellschaft, die wohl nirgends so vielen Menschen verschiedenster Herkunft und unterschiedlicher Vermögensverhältnisse ein sicheres Leben ermöglicht – als aktiv teilnehmender Teil an eben dieser Gesellschaft. Und darum sind tatsächlich auch für mich keinerlei politische Absichten denkbar, welche die Volksrechte der direkten Demokratie einschränken sollen. Ich weigere mich, hier auch nur einen Zentimeter abzuweichen.

Die aktuellen Prozesse in der EU sind mir dazu Bestätigung. Es findet eine schleichende Entwicklung hin zu einer Gesellschaft statt, die verwaltet und regiert wird, wobei der Einzelne je länger je weniger zu sagen weiss, wo denn nun die Macht wirklich sitzt? Wird er noch von den gewählten Vertretern seines Landes regiert oder von einer europäischen Verwaltung, welche unter dem Eindruck von Sachzwängen sich zu einem Handeln bekennt, bei dem der einzelne Bürger schlicht stört, sobald er fragt: Warum?

EZB, IWF – Die Geldpolitik ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Macht der Staaten ätherisiert – selbst längst in die Falle getappt, wirklich mit nichts so wenig fertig werden zu können, wie wenn denn jetzt die Zinsen auch nur moderat steigen würden… Wer macht Politik? Und welche? Kann man vom Bürger einfach voraussetzen, dass er in jedem Fall weiter konsumieren will und ganz sicher keine Belastbarkeitsprobe erleiden will? Wer nur alle vier Jahre das Akzept fürs weitere Regieren abholen wollen muss, der wird das immer fürchten – und sich lieber falscher Wahlversprechen überführen lassen. Nach und nach, nach der Wahl, im Kreis aller andern, die es auch so machen.

Die Enge der Schweiz

∞  3 November 2014, 00:14

Egal, ob ich von Deutschland oder Frankreich aus auf längeren Autofahrten zurückkehre in die Schweiz – ich mache immer wieder eine sehr ähnliche Erfahrung:
Das letzte Stück Autofahrt ist hart. Sobald ich die Schweizer Grenze passiere, verändert sich der Charakter der Reise: Der Verkehr nimmt zu, die Strassen wirken enger, und es gibt kaum mehr ein Stück Fahrt, auf dem man sich erholen kann.

Das Autobahnnetz ist perfekt ausgebaut, und unter dem Strich gelangt man ähnlich schnell wie in Deutschland oder Frankreich von A nach B, ja, es mag sogar weniger so richtig heftige Staus geben bei uns. Aber die Verkehrsdichte sinkt auch kaum je unter ein gewisses Niveau. In der Schweiz drängt sich alles. Es ist der Preis unserer hohen Mobilität, mit der wir immer wieder erfahren können, wie schnell wir quasi die Landschaft wechseln können: Von Zürich aus sind Alpenpanoramen, Langlaufpisten, Palmenhaine innert weniger Stunden erreichbar. Nur eines gibt es nicht: Weite Landstriche, durch die man auf der Autobahn surfen kann, getragen von eben diesem Eindruck einer gewissen Weite und Freiheit.

Dem Schweizer sagt man nach, dass er manchmal ein wenig eng denkt. Ich glaube, die vielfältige Welt, die wir beherbergen, hält uns sehr wohl auf Trab und schult uns im Umgang mit Neuem, aber wir sind uns wohl selbst oft nicht bewusst, wie prägend dieses Gefühl der Enge ist, das uns zuweilen überkommt – und je länger je mehr. Auf 42td qkm drängeln sich bald achteinhalb Millionen Einwohner, und dabei ist ein Drittel unserer Fläche noch nicht mal bewohnbar… Die Zersiedelung ist enorm – und sie ist ein riesiges Problem.

Die reiche Schweiz gleicht einem Bienenstock, in dem sich möglichst Viele gütlich tun wollen – und wir, die wir schon da sind, natürlich auch.

Nicht weniger als die Welt

∞  30 Oktober 2014, 22:58

TV-Spot:

Die Welt ist aufregend. Und sie kann Dir gehören.
Nur bei ebay

Manchmal muss man nur Werbe-Slogans wiederholen, wenn man an unserem Verstand zweifeln will.

Verteilungskämpfe? Verdrängungskämpfe!

∞  26 Oktober 2014, 16:06

Streiks in Deutschland. Stehen wir vor Arbeitskämpfen? Die Bandagen werden härter. Aber, Hand aufs Herz, geht es wirklich darum, fairen Lohn für Alle zu erreichen?

Die Streiks haben gewerkschaftspolitische Ursprünge (Lokomotivführer), und die Piloten kämpfen gegen den Verlust ihrer langjährigen Privilegien, die sich mitunter ins Gegenteil verkehrt haben mögen. Und die Funktionen, die Lokführer und Piloten bekleiden, sind für Streiks wie geschaffen.

Meine allgemeine Wahrnehmung ist eher die, dass die Erwartung, als Berufsgruppe fair behandelt zu werden, je länger je kleiner wird. Die Vorstellung, wie es einem selbst besser gehen könnte, wird immer mehr davon bestimmt, aus der bisherigen Gruppe heraus zu schiessen: Der Anspruch, Lohn für Arbeit müsste gerecht verteilt werden, hat ein ordnungspolitisches Gschmäckle, an das niemand mehr glaubt. Wir haben mittlerweile aufgesaugt, dass wir für unser Auskommen und unsere Altersvorsorge selbst Vorkehrungen treffen müssen, und wir impfen unseren Kindern ein, dass der Wettbewerb angenommen und gewonnen werden muss. Ein Bewusstsein für das Team, für die Arbeit eines Berufsstandes, fehlt je länger je mehr.

Verantworten müssen das im Grunde alle. Viel zu Viele sind davon geblendet, dass irgendwie irgendwo ein Jackpot winkt. Die Strahlkraft der Spitze macht baff. Spitzensportler, Spitzenmanager, Unterhaltungsstars verdienen immer mehr. Wir konsumieren Forbes-Reichen-Rankings wie Nachrichten vom Laufsteg. Prassen erzeugt nicht hassen. Es gibt allenfalls Leere zu beobachten, aber die Unmöglichkeit der Politik und ihre fehlende Vision, wie denn die moderne Gesellschaft als Gemeinschaft zu gestalten wäre, ist offensichtlich.

Und über allem steht: Wirklich Benachteiligte oder zumindest Vergessene haben verlernt, sich zu organisieren. Dafür steigt das Risiko, dass sie sich blenden und instrumentalisieren lassen.

Sozialpartner. Nicht -Gegner.

∞  14 Oktober 2014, 19:05

Hart aber Fair – der ARD-Polittalk zum Lokomotivführerstreit in Deutschland – und der Frage, welche Art Streiks wann von wem wie durchgeführt werden sollen können dürfen.

Gegen Ende der Sendung verweist Moderator Frank Plasberg auf das Beispiel der Schweiz, wo sich Arbeitgeber und -nehmer zur Wahrung des Arbeitsfriedens bekennen. Im kurzen Bericht wird die Schlichtungsstelle erwähnt, welche bei unüberbrückbaren Differenzen zum Einsatz kommt.

Ein Aspekt, der wichtigste, wurde dabei nicht erwähnt, aber es ist auch ein so genannt weicher Faktor: In dieser Praxis, die seit 1937 gilt, haben die Sozialpartner immer wieder die Erfahrung machen können, dass die Wahrung des Sozialfriedens allen Beteiligten hilft – und damit erkennen Arbeitnehmer UND Arbeitgeber in der Aufrechterhaltung der guten Sozialpartnerschaft einen unbedingt zu wahrenden Standortvorteil – im Interesse der eigenen Seite. Diese Kultur führt wohl nicht selten dazu, dass die Angebote und Forderungen, mit denen beide Seiten in die Verhandlungen für neue Gesamtarbeitsverträge steigen, in aller Regel nicht absurd weit auseinander liegen, wie jetzt in Deutschland im Konflikt der Lokführer mit der Deutschen Bahn. Der Schaden, der in diesem Fall angerichtet wird, ist für Schweizer Beobachter ein absoluter Gau, denn das Gebot der Verlässlichkeit der Produktion betreffend Lieferterminen und Art der Ausführung, die Sicherheit der wirklich abrufbaren Dienstleistung – das ist pures Kapital, das sich beide Seiten nicht kaputt machen wollen – die Beziehung zu Abnehmern der Firma soll in keinem Fall beschädigt werden.

Es wurde mit Recht in dieser Sendung vom neuen Focus-Chefredakteur darauf hingewiesen, dass die Verunglimpfungen der Deutschen Bahn aus den Reihen der gewerkschaftlich organisierten eigenen Lokführer ein No-Go darstellen. Da geht Unternehmenskultur verloren – oder es wird offensichtlich, dass es die nicht mehr gibt.

Das Bewusstsein, dass faire Arbeitsbedingungen zu fairen, guten Produkten und Dienstleistungen führen, die allen Beteiligten dienen und dem Unternehmen die Kunden erhalten, weil diese dies honorieren – es ist hier noch vorhanden, bzw. weit verbreitet – und der gesellschaftliche Druck auf die Sozialpartner, sich im Streitfall zu einigen, ist auch deshalb extrem hoch, weil auch scheinbar unbeteiligte Branchen und Gewerkschaften ein hohes Interesse daran haben, dass diese Kultur weiter erhalten bleibt. Sie ist einer unserer grössten Vorteile im internationalen Vergleich – auch wenn man diesen Vorteil nicht beziffern kann. Aber er steckt uns in den Gliedern, im Hirn und im Herzen, und wir wollen für Firmen arbeiten, die diese Prinzipien ebenfalls vertreten. Für dieses Ziel müssen beide Seiten immer wieder auch etwas geben, und mir scheint, dass dank dieser Grunderfahrung die Knüppel extremer Forderungen oder Verweigerungen eben von vornherein nicht ausgepackt werden. Die Schweiz hat sich hier wirklich einen enormen Standordvorteil erarbeitet – und wir werden hübsch Sorge dazu tragen, dass sich auch zuziehende Firmen an diesem Wechselspiel von Geben und Nehmen beteiligen und diese Kultur nicht verderben.

Freihandelsabkommen - ja oder nein?

∞  13 Oktober 2014, 21:21

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA / Kanada scheint auf der Zielgeraden zu sein – entsprechend lauter werden die politischen Zwischentöne – und die hilflosen Proteste von Bürgergruppen.

Tatsache ist: Warenverkehr zwischen Staaten ohne Zölle fördert den Durchfluss, erleichtert den Handel und bringt damit Wachstumschancen. Gerade so, wie wenn man einen Fluss von Geröll befreit und begradigt. Die Zusammenarbeit, Export und Import zwischen den Staaten wird angeregt. Die Freihandelsabkommen zwischen der Scheiz und Deutschland und der EU sind ein Beispiel für eine pure Erfolgsgeschichte – für beide Seiten. Womit nicht gesagt werden soll, es gäbe bei einem solchen Abkommen keine Verlierer: Jede Veränderung der Voraussetzungen für Warenflüsse verändern die Rahmenbedingungen in einem wirtschaftlichen Wettbewerb unter Umständen dramatisch, und unter dem Schutz einheimischer Zölle hat sich jeweils mancher Wirtschaftszweig bis zu einem gewissen Grad häuslich eingerichtet. Deswegen sind in solchen Fällen genügen lange Vorlaufzeiten notwendig, damit sich die Branchen darauf einstellen können. Die reine Verweigerungshaltung hilft in aller Regel nicht weiter, denn es lässt sich leicht erfühlen, ob das eigene Land ein solches Abkommen vorantreibt oder nicht, ob also die Mehrzahl der Wirtschaftssektoren davon profitiert oder nicht.

Dies sind Erfahrungswerte, die für bilaterale Abkommen in bestimmten Märkten Gültigkeit haben – für einen Wirtschaftsraum also, der regionale Besonderheiten noch immer in Betracht ziehen kann und getrieben wird von entsprechenden spezifischen Interessen.

Was wir mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Übersee vor uns haben, sprengt diesen Rahmen eindeutig, und die Demonstrationen auf der Strasse richten sich dann auch gegen die Globalisierung, die sich in solchen Abkommen ausdrückt. Die Menschen haben längst ein Gefühl dafür, dass der freie Wettbewerb immer nach noch weniger Regulierung verlangt – und Wettbewerb ohne Regeln belohnt den Spieler mit den stärksten Muskeln, bis dieser die Regeln diktiert. Ein globalisierter Markt schafft Wechselwirkungen, die in der Theorie den Kunden im Augen haben – in der Praxis strebt der Markt nach optimalen Margen – und die holt er sich durch Verdrängung. Darum ist Freihandel an sich eine gute Sache, weil er Märkte öffnet – aber diese Märkte können zurück schlagen, und die Sieger von heute können die Verlierer von morgen sein.

Ich kenne die Abkommen nicht im Einzelnen, aber wir sollten nicht vergessen, dass sie am Ende von Staaten abgeschlossen werden, welche nicht nur wirtschaftlichen Druck aufsetzen können. Sie bestimmen im übrigen verschiedenste Parameter in diesem immer grösseren Markt selber: Die Kosten der Energieversorgung zum Beispiel. Der freie Energiemarkt wird immer eine Utopie bleiben, dabei wäre im Umkehrschluss eines Freihandelsabkommens die Überlegung umzusetzen, dass Endergiegewinnung länst globale Auswirkungen hat und deshalb weltweit für Immissionen entsprechende Rückstellungen oder Kompensationszahlungen zu leisten wären – was natürlich nicht geschieht.

Dennoch ist wohl unvermeidlich: Blosser Protest hilft nicht. Er wird plattgewalzt. Und zum Zeitpunkt, in dem Demonstrationen über solche Abkommen beginnen, sind die Vorgänge längst beschlossen. Wir sollten uns daher tatsächlich darauf konzentrieren, dass Energiegewinnung endlich so in die Kosten der Produktion mit einbezogen wird, wie sie faktisch anfallen.

Es ist noch ein weiter Weg – und wahrscheinlich wird er erst dann beschritten, wenn die Natur zu rebellieren beginnt. Zuvor winken riesige Gewinne auf einem riesigen Markt, der dennoch immer weniger Firmen Platz bieten wird.

Älter