Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.


Ausgeflogen oder abgestürzt

∞  29 Juli 2014, 23:04

Als wir am Wochenende fanden, es sei nun an der Zeit, unserer Neugier ein wenig Raum zu geben und der Amselfamilie einen Moment Stress zuzumuten, unternahm ich also den Versuch, per Leiter einen Blick ins Nest auf dem Sonnenstoren zu werfen. Die ach so doofe Amsel hatte allerdings eines hingekriegt: Das Nest nämlich so hoch und so eng unter dem Dach anzusiedeln, dass ich keine Chance hatte, einen Blick ins Innere zu werfen. Nach zwei Minuten gab ich das Unterfangen auch wieder auf.

Und nun? Hörten wir am Wochenende noch hie und da hungriges Gepiepse, ist jetzt Grabesstille – und das Nest verlassen, wie wir per Handspiegel heute festgestellt haben.
Entweder, die Kleinen sind bereits flügge und ausgeflogen, oder es hat sich unmittelbar vor unseren blinden Augen ein Drama ereignet.

Es ist immer wieder “demaskierend”, wie sich die Natur vor unserer Nase aufreibt oder erfüllt – und wie wenig wir oft davon mitbekommen, wahrnehmen. Und umgekehrt ist es wohl auch gut so, weil wir Überschwang und damit Störung mit Achtsamkeit verwechseln würden. Wir Zivilisationstölpel…

Der schlichte Chinese, der uns schaurig schön unsere Verzweiflung zeigt

∞  28 Juli 2014, 21:18

Es ist selten, dass mich ein zeitgenössischer Künstler so packen kann, weil meistens entweder die Gesellschaftskritik zu hetzerisch auf mich wirkt – oder aber modern einfach nur wirr für mich bedeutet, gerade so, dass ich nicht sicher bin, ob mich der Künstler einfach vera… will.

Bei ihm ist es anders:

Cai Guo-Qiang führt uns einfach unsere Verzweiflung vor – stellt die Tatsache dar, dass wir ratlos sind und hilflos angesichts der wirklich riesigen Aufgaben, denen wir uns noch nicht mal stellen. Wenn er von der Wasserknappheit spricht, dann tut er es mit sehr schlichten Worten. Sein Werk dazu aber ist monumental: 99 Tiere am einzigen verbliebenen Wasserloch:

Click aufs Bild macht es grösser – aber um wirklich einen Eindruck von seinen Installationen zu bekommen, sollten Sie sich in der Mediathek der ARD den fünfminütigen Bericht ansehen: Link

Dieser Mann wirkt in seiner Haltung und in seinen Werken still verzweifelt und doch versonnen, er beschreibt schlicht, führt uns unsere innere Angst vor, und was er schafft, hat eine Ästhetik, die nicht kaschiert. Wir sind der Lauf der Dinge…

Und: Ganz phantastisch: Die grossen Zeichnungen, Gemälde, die er aus Schiesspulver erschafft – das er anzündet – die Resultate sind ganz wunderbar.

Die FIFA, unser aller Krake

∞  11 Juli 2014, 20:28

#136386425 / gettyimages.com


Gestern haben sie bei Maybrit Illner wieder mal die FIFA und vor allem Sepp Blatter gebrandmarkt, was die Vergabe der WM nach Katar betrifft. Ich kann mich immer nur wieder über das Gleiche wundern: Da wird von der “FIFA” gesprochen, als würde es sich um ein Neutrum handeln, das sich verselbständigt hat. Es ist aber nicht die FIFA, die entschieden hat, dass die WM in Katar stattfinden soll, sondern die Mitgliedstaaten der FIFA haben darüber abgestimmt.

Und fragt man die einzelnen Verbände, wie sie denn selbst abgestimmt hätten, so verweist jedermann auf das Wahlgeheimnis…

Es täte auch hier verdammt gut und würde der Sache dienen, wenn weniger über die FIFA parliert würde und sich dabei nicht alles an ihrem obersten Exponenten reiben würde: Vor der eigenen Tür kehren würde in diesem Fall bedeuten, beim eigenen Verband mal anzuklopfen und zu fragen: Was bitteschön, gedenkst Du selbst zu tun, damit die Verhältnisse sich ändern? Was sind deine Vorstösse, Anregungen, welche Art Politik machst du denn wirklich in den einzelnen Gremien?

Aber brüllen und schimpfen und stampfen ist mediengerecht, und tatsächlich ist es ja ein Fisch, der wohl ziemlich sicher bis zum Kopf stinkt, aber jene, die in diesem Fisch mit den Flossen schlagen, treiben den Fisch ja gerade vorwärts. Es ist einfach alles so billig, und dass die FIFA allen die lange Nase dreht und immer einen geldgeilen Tanzbär findet, den sie am Nasenring nach ihren Regeln tanzen lassen kann – DAS hat schlicht mit dem Charakter der Welt und jedes weltumspannenden Geschäfts zu tun: Noch ein Grund, bei den eigenen Repräsentanten nachzufassen. Und zum Beipsiel festzustellen: Selbst wenn in Katar zwei WM-Titel aufs Mal vergeben werden – WIR reisen da nicht hin.
Warum das wohl nicht geht? Tja, ich weiss nicht, ob es uns nicht den Magen umdrehen würde, wüssten wir von allen “eine Hand wäscht die andere – Geschäften”, die auch unsere Verbände da eingegangen sind und weiter eingehen werden.

Die Ignoranz im Westen

∞  6 Juli 2014, 21:46

Ich darf gar nicht darüber nachdenken, wie oft ich in in letzter Zeit Nachrichten hörte, die vom einen Thema bestimmt waren: Dem Aufruhr in der islamischen Welt. Und es wird, gefühlt, je länger je schlimmer. Bemerkungen, die darauf verweisen, dass der Islam eine noch verhältnismässig junge Weltreligion sei und wir uns daher über die brachialen Forderungen nicht wundern sollten (wir haben es einmal nicht anders gehalten), mag ja gewisse Dinge erklären – ruhiger macht es mich gewiss nicht.

Dabei bin ich ganz entschieden der Meinung, dass das grösste Problem nicht fanatisierte Muslime sind: Wir, “der Westen”, sind das Problem. Die Art und Weise, wie der Westen Krieg im Irak und in Afghanistan geführt hat und weiter führt (und das ist kein Fingerzeig auf die Amis, so lange so manche unter uns einfach froh sind, dass sie selbst nicht den Kopf hinhalten “müssen”), und wie peinlich die Ergebnisse ausfallen, ist ein Bankrott der westlichen Politik und verrät vor allem eines: Das völlige Unverständnis über die Art und Weise, wessen Art Orientierung Menschen in anderen Kulturkreisen haben. Wir verstehen die Muslime und die Araber nicht. Wir wissen praktisch nichts über sie, über ihre Kultur. Wir denken in schwarz und weiss, und die Frage, wie wir uns zu arabischen Ländern stellen, wird vor allem dadurch bestimmt, ob wir pro oder contra Israel sind. Wer von uns kann den Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten benennen, wer weiss, welche Länder im nahen Osten von welcher religiösen Strömung geprägt werden? Dies mag zwar nur ein Stück Bildung sein, aber ich wüsste kaum jemanden zu benennen, der mir wirklich Grundlegendes über die Kultur in den Ländern Mohammeds berichten könnte?

Und wie können wir auf die Idee kommen, jedem Land der Welt wäre die Demokratie eine willkommene Staatsform? Sie ist kein Heilsbringer – wir schimpfen ja selber oft genug auf sie…. Manchmal frage ich mich wirklich, ob es uns und der Welt nicht viel besser ginge, wir würden uns schlicht darum bemühen, die Verhältnisse im eigenen Land zu verbessern, und wir würden den Begriff der “Verteidigung” wirklich weniger vorauseilend aggressiv anwenden. Die Art, wie sich der Westen im nahen und fernen Osten bewegt, ist manchmal punkto Hochmut nicht mehr zu überbieten. Wenn man es genau bedenkt, ist diese Eigenart fast allen Mächten eigen, die sich je aus ihren Stammlanden hervor gewagt haben: Die Ignoranz gegenüber jeder fremden Güte ist atemberaubend -und einfach nur dumm – mal abgesehen davon, dass sie die Grausamkeit unter Menschen erst möglich macht.

10 Min schreiben über: Einheit

∞  16 Mai 2014, 23:49

Wir legen Wert auf Individualität. Wir suchen die Selbstbestimmung und vor einigen Jahren sprachen wir immer von unserer Selbstverwirklichung. Das höre ich weniger oft, fällt mir gerade auf. Wahrscheinlich, weil wir angesichts des Eindrucks härterer Zeiten schon froh sind, einen Job und unser Auskommen zu haben. Wir sind atemloser geworden und hetzen der Sorglosigkeit hinterher. Die Einheit von Körper und Geist werden wir dann haben, wenn wir “es geschafft haben”. Wie wenn das abhängig wäre von einem Etat, von einem Auskommen. Körper und Geist sind gerade dann eine Einheit, wenn nichts Äusseres die Balance stören kann.

Wer nach Einheit strebt, nach Gemeinschaft, Einvernehmen, macht sich gerne und schnell der Gleichmacherei schuldig. Deutschtümelei ist verpönt, und jede Nationalität, wird sie betont, ist verdächtig. Vielleicht gibt es ja die Utopie des vereinten Europas, einer EU, die zur Einheit der Europäer wird. Einheit bedeutet Harmonie, Verbundenheit, Zugehörigkeit. Wenn ein Team eine Einheit bildet, dann ist es “kompakt”, bügelt der eine die Fehler des andern aus, wirkden die Stärken zusammen und bildet sich ein Schild des Schutzes und der Geborgenheit. Einheit ist drinen, Zwietracht bleibt draussen.

Ein Kostüm, eine Kleidung, die zusammen passt, bildet eine Einheit, korrespondiert, die Farben spielen zusammen, der Schnitt fliesst. Die Einheit kann spannend sein, aber sie regt das Auge nicht auf.

Die Einheit ist das kleinste Teil von allem Vielen. Es ist das, was in uns allen wohnt, die Verbundenheit mit der Natur, deren Teil wir sind, mögen wir es auch meistens vergessen haben. Einheit ist Identität, das, was sich nach unserem Verständnis und unserer Überzeugung nicht spalten lässt, von keinem Zweifel bedroht wird. Die meisten von uns haben Grundwahrheiten, die sie hochhalten. Es sind die Einheiten, mit denen sie sich ihr Leben bauen.

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Text verfasst für schreibmut (10 Min schreiben über ein Stichwort)
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Ferienplanung: Selber wissen oder ahnen, was gefallen wird

∞  29 März 2014, 23:07

Fuerteventura – die zweite kanarische Insel, die wir bereisen. Wir müssen dabei immer wieder an die Kommentare aus dem Reisebüro denken, mit denen uns ein junger Mann vor Lanzarote warnte: Die Insel wäre viel zu langweilig, und man könne auf ihr gar nichts unternehmen. Sie sei öde, “nur Mondlandschaft”. Nun, wir haben nicht aus Trotz erst recht Lanzarote gebucht und auch das Schwergewicht darauf gelegt – wir wussten schon von unserer Galapagosreise, dass diese Natur uns fasziniert.

lookabout.ch

Ein Wunder allerdings, dass der junge Mann über Fuerteventura nicht nur die Bemerkung stehen liess, es gäbe da wenigstens schöne Sandstrände – und uns vor Wüstenlandschaften NICHT warnte. Es gibt auch nichts zu warnen – es ist nämlich die reinste Farbenorgie, die uns geboten wird, wobei wir ein echtes Roadmovie inszenieren – mit zwei gedrängten Tagen, in die wir viele Kilometer, vor allem aber unzählige besondere Orte packen, an denen wir den Zauber der Insel auf uns wirken lassen.

Heute war zudem ein Tag, an dem sich der Wind merklich abschwächte, und nach dem nächtlichen Schauer war die Luft frisch und klar und die Sonne lachte uns vom frühen Morgen an ins neugierige Gesicht.

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Erste Bilder sind online, auch diese Serie wird laufend ergänzt werden: Click auf das Bild im Text

Jeder Tag

∞  2 März 2014, 20:35

Wer eine Linie hat, wer konsequent ist, wird darin von jungen Menschen erkannt, wenn sich dies in seinem Auftreten, in der Erscheinung manifestiert:

Er hat seinen “Style”. Ist stilsicher. Fällt nicht aus der Rolle. Damit kann man in manchem Beruf viel Kohle machen und Junge haben schon immer auch per Kleidung nach ihrer Identität gesucht. Je länger je mehr aber schwappt dieser gesuchte Style über in den Beruf, die Vorstellung vom Fortkommen. Dass es heute so viele Casting-Shows gibt, korrespondiert sehr wohl mit der immer verbreiteteren Ansicht, dass es schlicht darum geht, den Coup zu landen. Man kann es immer schaffen, jederzeit. Das ist vielleicht das Positive. Aber was macht man bis dahin mit seinem Leben? Und was kommt danach?

Wir versuchen heute, schlägt uns etwas nieder, einfach so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu kommen. Der Reset-Knopf für den eigenen Betriebsmodus wird gesucht. Schulter und Mund abwischen, und weiter geht es.

Eine Familie sieht ihren Paps kämpfen. Viel zu früh hat ihn der Krebs in seinen Klauen. Da gibt es keinen Reset-Knopf. Da gibt es Brüche, Wehmut, Schmerz. Und die Hoffnung muss gegen tausend vernünftig realistische Gedanken zusammen gekratzt und verteidigt werden. Und manchmal gelingt es. Und sehr oft nicht. Reset? Blödsinn. Denn am Ende hält das Leben ja auch viele Erinnerungen bereit, neue Erkenntnisse zu alten Erfahrungen, vertiefte Dankbarkeit für Erlebtes, und Bitterkeit über Erlittenes will im Grunde niemand mit hinüber nehmen. Egal, wie viel Leben wir geschenkt bekommen – es ist viel, es ist reich, und wir alle würden staunen, würden uns die Liebsten aufzählen, was wir ihnen an Lächeln ins Herz zaubern konnten. Und wenn wir also hier gar nicht weiter lesen wollen, weil das Leben doch eben schön und der Tod fern sei, dann lasst es uns wenigstens mit diesem Bewusstsein tun: Ist dem so, so liegt darin einfach ein weiteres Geschenk, und an ihm ist kein Tag selbstverständlich.

Die Teufelchen der kreativen Geister?

∞  14 September 2013, 21:29

Ich frage mich manchmal: Stellen sich wirklich Kreative, Künstler sich diese Frage überhaupt:

Für was das Alles?

Oder können sie da nur verwundert die Augenbraue heben?
Oder liegt am Ursprung ihres Schaffens oder zwischen zwei Werken genau diese Frage wie ein schwarzes Loch vor Ihnen:

Für was das Alles?

Und dann malen und schreiben und komponieren sie schon wieder, weil sie nicht anders können, weil das, was sie umtreibt, beschäftigt, quält, erfüllt, ausgedrückt werden muss, eine Form braucht, die es doch nie finden kann.

Es gibt extravertierte und in sich gekehrte Künstler, wie es überhaupt Menschen mit den unterschiedlichsten Arten der Kommunikation gibt, und so richtig verheerend ist das, was wir von uns geben, ja eigentlich nur dann, wenn es von der Frage bestimmt ist, ob es gefällt oder wenigstens provoziert oder …? Wie viel hat das, was wir tun, reden oder für uns behalten, mit uns zu tun? Wie nahe liegt mein Auge bei meiner Seele? Hört mein Ohr nur Geräusche oder Klänge? Ist meine Welt voller Gerüche oder Lufterfrischer?

Warum mache ich mir sorgen, was ich schaffe, statt Sorge zu tragen, dass ich achtsam höre, rieche, sehe, schmecke, fühle? Denn je achtsamer meine Wahrnehmungen sind, um so klarer werde ich denken und um so lebendiger werde ich erzählen wollen. Aber ja, ich werde es wollen. Immer. Ob als Schwatzbase oder nachdenkender Spurensucher – wie müde es doch machen kann, sich darüber nutzlos den Kopf zu zerbrechen.

Wir müssten reden. Mehr und richtig. Und miteinander.

∞  12 September 2013, 14:20

Manchmal schaue ich die Menschen an, und es kommt mir so vor, als wäre ihr Gesicht ein einziger lautloser Schrei, den sie womöglich selbst nicht mehr hören: Ich bin einsam. Und werde es immer mehr.

Es ist geradezu fürchterlich, wie wenig und wie hilflos wir unsere kommunikativen Möglichkeiten nutzen. Und es scheint mir, dass wir zwar immer lauter, aber im Grunde immer inkompetenter darin werden, uns mitzuteilen. Die Unterscheidung, je nach Veranlagung, zwischen extravertierten und eher introvertierten Menschen hat es immer gegeben – aber mir kommt es so vor, dass wir je länger je weniger in der Lage sind, über Gefühle zu sprechen oder überhaupt Unangenehmes beim Namen zu nennen. Und in der Geschäftsumgebung unterbleibt immer häufiger die eigentlich zwingende Frage: Und wer sollte das nun auch noch wissen?

Immer weniger Menschen sind sich noch gewohnt, über die eigene Nasenspitze hinaus zu denken. Alle wollen Freunde haben, oder, sorry, in jedem Fall gut vernetzt sein, aber niemand ist bereit, dafür einmal die eigene Brille abzulegen und einen Sachverhalt wirklich aus der Warte des Gegenübers zu betrachten. Und irgendwann steht man dann vor dem nächsten Informationsgau und wundert sich, dass die Menschen sich heute so selten mehr zu einer Aktivität motivieren lassen.

Dafür kann man auf Facebook eine Party ankündigen, und da stehen dann Dutzende wildfremde Menschen im eigenen Vorgarten. Touristen laufen auf Nordseeinseln in heimische Gärten und setzen sich da in die Liegestühle, aber mit Freunden sich zum Abendessen daheim treffen? Das wird immer exotischer.

Dabei bleibt bei all diesen Veränderungen das immer gleiche Bedürfnis des Menschen auf der Strecke: Der Wunsch nach einem “richtigen” Gespräch.

Tag Nr. 27, aber einmalig

∞  24 August 2013, 11:00

Eigentlich müsste ich jetzt auf dem Tennisplatz stehen und mich abreagieren. Das ist aber um zwei Uhr morgens schwierig. Also behelfe ich mir anders: Was war das für ein Tag? Ein besonderer. In mancherlei Beziehung. Und er soll es in positiver Art auch in meiner Erinnerung bleiben. Und das packe ich nun an.

Dafür ist es gut, sich mal zuerst die Sachen aufzulisten, die heute absolut NICHT funktioniert haben.
Begonnen hat es spätmorgens. Zu spät morgens. Wir lassen uns von meinem Handy wecken, doch das hat heute versagt, weil es im Schlafmodus genau den Teil Strom noch verbrauchte, der ihm am Morgen fehlte: Keine Kraft mehr zum Piepsen, das arme.
Also erblicken wir Madeiras Sonne an diesem Tag zu einer Zeit, zu der andere ins Restaurant zum Mittagessen aufbrechen. Und am Abend will ich einem Freund einen MobileHotspot mit portugiesischer PrePaid-Simcard fürs mobile surfen mit seinem Netzfuhrpark einrichten – gerade so, wie ich das gestern für mich selbst getan habe, mit meinem eigenen baugleichen Teil, das ich in der Schweiz schon so weit wie möglich fit gemacht hatte, um ihm dann “einfach” noch die örtliche Prepaid-SimCard aufzupfropfen.

Und jetzt kommt’s: Alles funktioniert bestens, geht Schritt für Schritt vorwärts, auch wenn die lange Anlaufzeit die Uhren schon gegen Mitternacht vorrücken lässt – Hotspot-Gerät erkannt, Sim-Card akzeptiert, Verbindung hergestellt. Fehlt noch, zum finalen Abschluss, die Anmeldung auf der Seite des Mobilfunk-Unternehmens. Und dann dies:
Eine SMS-Bestätigung zur Validierung der SimCard lässt sich nicht lesen, da die Karte ja nur zum Surfen bestimmt ist. Das war bei mir gestern zwar auch so, also überspringen und stattdessen direkt registrieren. Ich gebe wie verlangt als Passwort alphanumerische Zeichen ein, in allen erdenklichen Varianten – aber das Passwort wird nicht gefressen. Es heisst immer gleich frech, es wäre ungültig. Nach einer gefühlten Ewigkeit gebe ich auf. Eine Stunde Arbeit für nichts (oder war es mehr oder weniger?) und morgen der Gang zurück in den Shop… Mit der Kiste unter dem Arm und Bitte um Nachhilfeunterricht…

Jetzt kann man mich natürlich fragen, warum das in den Ferien für mich Bedeutung hat? Nun, hat es, und ich habe auch für meinen Freund JA dazu gesagt, zumal mir selbst für meine Wünsche die Internet-Anbindung hier auch wichtig ist. Also nächste Frage: War der Tag nun wirklich so beschissen und ist die Aussicht auf morgen trübe? Klare Antwort: Nein.

Und zwar darum:

Der Tag war auch noch unser Hochzeitstag Nr. 27. Und ich denke grinsend, wie er schon begonnen hat, lange bevor wir zu Bett gegangen sind: Lokalzeit kurz nach Mitternacht, wir stehen in der Nähe eines Piers inmitten von in vergilbtem Ehemalsweiss gestrichenen blinden Betonhäuserwänden, und ich nehme meine Liebste in den Arm und schenke ihr einen dicken Kuss: Alles Gute zum Hochzeitstag, inmitten dieser absolut charmlosen, vom Latrinenduft einer lecken Kanalisation geschwängerten Luft, und es passt und wir grinsen uns an: Weil der Wunsch der Dank an eine Frau ist, die mit mir wirklich durch Dick und Dünn gegangen ist. Und geht. Mit ihr ist nicht alles leicht, aber ohne sie ist Vieles unvorstellbar. Ich weiss, dass es ginge. Es geht alles. Aber viel, viel schwerer. Und das ist nicht nötig, und darum muss so ein Tag gefeiert werden, wenn er kommt, egal wo. Punkt.

Dann also unser Verschlafen. ABER: Meine Liebste zeigt keinen Ärger, wir lassen uns Zeit, in die Gänge zu kommen und finden uns dann zielstrebig, aber nicht hetzend und absolut nicht hässig bereit, den Tag unter die Füsse zu nehmen: Auto abholen. Die Miete läuft seit Mittag, aber das ist ja egal und das Wägelchen läuft ja ohne uns nirgends hin. Wir schlendern den Weg gemütlich dahin, machen aus einer halben Stunde eine ganze und erstehen shoppend zwei Paar flache Schuhe für die Dame und eine sehr praktische kleine Umhängetasche für den Herrn.

Die Autoübernahme ist dann überhaupt kein Problem, und der Golf Diesel ziemlich neu und eine schöne Überraschung. Das Wägelchen ist schick aber für mich noch ein bisschen neu, und so baue ich auf den ersten 500 Metern einen dicken Hund, der aber nicht überfahren wird, sprich: Ich biege falsch ab, stosse aber mit niemandem zusammen. Und: Keiner schimpft. Fällt überhaupt auf hier: Die Portugiesen scheinen ihr Temperament nicht mit ins Auto zu nehmen. Und Fussgängerstreifen sind absolute Fussgängerschutzzonen. Das Wägelchen ist also top, und ich hoffe, wir werden kein technisches Problem haben, denn die Bedienungsanleitung fehlt und ins Internet könnte ich dann, wie Sie ja nun schon wissen, nur erschwert, um es mir runter zu laden..

Tja, und dann, zuhause, gab es einen Kaffeeschwatz mit einem netten anschliessenden Aufenthalt auf dem kleinen Balkon unseres Apartements – und dann ein Abendessen beim Inder. Den haben wir im Inernet schon vor der Reise entdeckt und uns empfehlen lassen – und das Essen ist dann auch – samt der netten Bedienung – eine Bombe. Ich war und bin begeistert, und der Spaziergang durch die Nacht zurück war erneut sehr abwechslungsreich und roch auf Schritt und Tritt nach Ferien: Selbst wenn das eine Hauptstrasse war, an der wir uns orientierten, so war das Flanieren absolut relaxt, umgeben von Menschen im Slow-Modus, wohin man blickt. Und die Restaurants sind gut bis sehr gut gefüllt, die Aussicht von manchem Spot aus ist ganz wunderbar – und wir sitzen auch jetzt noch, um halb drei Uhr morgens, auf dem Balkon (mein Lebensrhythmus ist auch hier sehr eigen gebleiben).
So, Freunde, und nachdem ich das alles geschrieben habe, ist auch kein Sport zum Abreagieren mehr nötig. Der Tag war ein Guter. Und ärgern muss mich eigentlich am Ganzen nur, dass ich zwar nun dieses Internet habe, der Kollege aber nicht. Dafür kann ich zwar nichts, war auch besser vorbereitet, aber ärgern tue ich mich trotzdem, weil ich niemanden hängen lassen will. Nun denn, ich muss und darf auch schauen, dass ich meinen eigenen Betriebsmodus runter fahren kann, und da bin ich mitten drauf auf dem guten Weg: Denn blogggen, um ein anderes Thema dieser Tage aufzugreifen, ist absolut ferientauglich.

Es ist nun 2h33 in der Früh, Lokalzeit, in der Schweiz 3h33, und ich warte mal mit dem Onlinetermin für diese Zeilen bis elf Uhr morgens Schweizer Zeit. Ist ja möglich, dass wir am Morgen, viel zu früh wach, feststellen, dass die Toilette übergelaufen ist und sich die Tür des Apartements nicht mehr öffnen lässt. DANN müsste ich meinen Willen zum positiven Denken doch nochmals überdenken…

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