Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Vietnam: Chua Linh Phuoc Pagode und Fahrt nach Nha Trang

∞  1 August 2009, 07:36

Erlebt am 1. April 2009, später Vormittag bis abends


[Bilder ab hier ]
[ Landkarte ]


Die Chua Linh Phouc Pagode in Trai Mat weist gewisse Ähnlichkeit mit dem Crazyhouse von Da Lat auf: Auch sie wird wohl nie fertig werden, aber das, was schon fertig ist, ist wirklich einzigartig.




Praktisch alles hier besteht aus zerbrochenem Porzellan und Glas, das zu Mosaiken zusammengesetzt wird: die Wände, die Säulen, die Figuren.




Durch den Hof windet sich ein riesiger Drachen, dessen Schuppen aus Bierflaschen gemacht wurden. (Selbst das extreme Weitwinkel kapitulierte vor dem Tier).
Von einer Zinne auf dem Turm hat man eine tolle Aussicht auf das fruchtbare Land.
Mit unserem „Privatzug“ fahren wir wieder zurück nach Da Lat und machen uns um 11:30 auf den Weg nach Nha Trang. Wir wählen den kürzeren und schnelleren Weg über die schöne, neue Passstrasse, die nördlich von Nha Trang in die Küstenstrasse mündet. Dadurch verpassen wir die Po Klong Garai Türme, aber etwas ähnliches steht für morgen auf dem Programm. Wir sind etwa auf 1600 müM, es ist nur noch 19° warm. Plötzlich kommen von den Berghängen die Wolken hinunter,




die Sicht beträgt gerade mal noch zehn Meter, und ein Platzregen setzt ein.




T fährt sehr vorsichtig, denn auch bei diesen Verhältnissen finden nicht alle Fahrer den Lichtschalter. Zum Glück haben wir uns für die neue Strasse entschieden! Nach etwa 20 Minuten lichtet sich der Nebel ein wenig und der Regen lässt nach.
Wir machen Mittagspause in einem kleinen, einfachen Restaurant, bestellen gebratene Nudeln mit Gemüse und 2 Kokosnüsse von der Halde an der Wand. Das Essen schmeckt auch hier, und zu meiner Freude gibt es grüne “Desinfektions-Chilies” (die sind besonders scharf) in einem Extraschälchen.


Ein Team geniesst die Mahlzeit



Wir haben den Pass hinter uns und auch die Hängebauchschweine zurück gelassen. Allmählich wird die Strasse wieder ein bisschen breiter. Trübe hängt der Himmel über der Kühlerhaube, und Regentropfen klatschen gegen die Scheibe, über die der Scheibenwischer gleitet, ruckartig, als wollte er die Regentropfen wie lästige Fliegen verscheuchen. Es ist Zeit für ein Mittagessen, der Fahrplan leicht durcheinander, also wird improvisiert. Wir halten bei einer Tankstelle, über deren Zapfsäulen eine Art Segeltuchplane gespannt wurde, so dass das Wasser in kleinen Bächen weiter vorn auf den Teer klatscht. Daneben stehen auf einer betonierten ebenen Fläche ein paar Tische. Einige Fernfahrer kauern auf niedrigen Hockern und nagen gedankenverloren an Hühnerbeinen. Jene, die keinen Gedanken mehr wert sind, weil abgenagt, landen auf dem Boden. Der Regen macht alle Welt sprachlos – und ermüdet die Fahrer.
Wir setzen uns an einen Tisch mit sechs Stühlen, wo es sich bequem verweilen lässt und bestellen ein Nudelgericht. Es schmeckt sehr gut. Ich habe Zeit, mich weiter umzusehen. Der Tisch in unserer Nähe, ähnlich gross wie der unsere, ist nicht zu übersehen. Er wurde gedeckt, als würden hier ganz besondere Gäste erwartet, und in der offenen Küche hinter einer Art Tresen herrscht erhöhte Betriebsamkeit. Doch wer sich schliesslich an den Tisch setzt, ist die Chefin und Frau Mama selbst mit ihren Kindern und Angestellten. Die Speisen, die aufgefahren werden, würden jedem Festmahl gut anstehen, und schliesslich sitzen dreizehn Nasen an einem Tisch im Rund, an dem wir schon zu sechst nur noch wenig Ellbogenfreiheit hätten. Die Stimmung ist sehr ruhig, das Essen wird nicht verschlungen. Ganz offensichtlich ist diese Mahlzeit ein Fixpunkt im Tagesablauf von allen. Dennoch wird kein Wunsch von Gästen übersehen oder geht vergessen. Und kein Verdruss ist zu spüren, wenn jemand aufstehen muss, um einen solchen Wunsch mit dienstleistenden Handreichungen zu erfüllen.
Hier strahlt eine Gruppe eine fein abgestimmte Team-Atmosphäre aus, und ich bin davon sehr beeindruckt. Als wir weiter fahren, hängen meine Gedanken noch eine ganze Weile meinen Beobachtungen nach, und ich denke an die vielen Mahlzeiten, die ich achtlos in mich hinein geschaufelt haben mag in meinem Leben, und an Gruppen, denen zu wünschen wäre, dass sie so funktionierten, wie diese – weil alle ihren Platz und ihren Wert darin haben und diesen auch kennen.



Auf der Weiterfahrt – es regnet immer noch leicht – sehe ich die ersten Wasserbüffel, ganz nahe an der Strasse, eine ganze Familie. Wir halten an. Ich mag diese kräftigen und doch so sanften Tiere.
Wenig später kommen wir in ein Dorf, das vom Volksstamm der Giaras bewohnt wird. Die züchten Hängebauchschweine, die ihnen in erster Linie Mitgift und Statussymbol sind und hier frei herumrennen. 2 Mutterschweine sind jedoch in einem Gehege, die Ferkel kaum 2 Tage alt und nicht grösser als Meerschweinchen. Sooo herzig!
Ueber das Flüsschen spannt sich eine pittoreske rote Hängebrücke.




An Reisfeldern und Zuckerrohrplantagen vorbei erreichen wir die Küste.




Erst in Nha Trang selbst hört der Regen auf und die Sonne drückt durch.
Nach 16:00 sind wir im Hotel Sunrise. Wir haben ein superschönes Zimmer bekommen, mit Balkon zum Meer. Um meine Decke muss ich mich heute Nacht auch nicht sorgen, wir haben zwei.
Die Brandung kracht richtig ans Ufer. Durch die Wolken entsteht ein schönes Lichtspiel, die Temperatur ist angenehm. Wir entschliessen uns zu einem Strandspaziergang ins Zentrum und müssen dafür erst einmal über die Strasse. Aber das können wir ja inzwischen, glauben wir, und stellen uns also an den Zebrastreifen, warten auf eine Lücke. Da kommt von hinten ein Security-Mann vom Hotel, hält mich am Handgelenk und geht mit mir über die Strasse, wobei er in der Mitte die Seite wechselt, um wieder näher am Verkehr zu sein. Wir sind beide perplex.
Auf dem Rückweg sind wir gewappnet: zügig betreten wir den Zebrastreifen, und als er uns entgegenkommt, sind wir nur noch zwei Schritte vom rettenden Trottoir entfernt. An Thinkys Hand ist es nämlich vollkommen sicher, auch wenn er in der Mitte der Strasse die Seite nicht wechselt; dafür fühlt sich meine Hand in seiner bedeutend wohler.Jawoll.
Wir setzen uns auf unseren Balkon im 8. Stock; die Aussicht mit dieser Gewitterstimmung ist phantastisch, das Meer stahlblau.




Ich denke daran, dass mir mein Vater als Kind immer weismachen wollte, das chinesische Meer sei gelb.
Es ist kurz vor 18:00: auf der einen Seite färbt sich der Himmel zartrosa, auf der anderen sind die Wolken tiefschwarz. Ein Schiff nach dem anderen setzt seine Positionslichter.
Es kommt kein Gewitter auf, aber neuer Regen setzt ein.
Ich kann die Brandung durch das geschlossene Fenster hören – herrlich!