Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Siem Reap, Tonlé Sap See, Chnok Tru

∞  2 Juni 2009, 06:50

ERLEBT AM 23. März 2009


[Bilder des Tages: Album ]
[Karte: zur Lokalisierung, mit Dank an redravine ]


Die Einschiffung auf der Toum Tiou II, einer im traditionellen Stil erbauten Barke mit zehn Kabinen, steht heute auf dem Programm. Sie wird uns in drei Tagen gemütlich auf dem Tonlé Sap – Fluss nach Phnom-Penh schippern.
Um 11:45 sollen wir abgeholt werden, da bleibt noch Zeit, einige Makros im Garten zu machen.




Mist, ich komme mit diesem Objektiv nicht zurecht, vermisse meine analoge Kamera dafür. Auf den Bildern sind Blumen, aber keine Makros, jedenfalls nicht so, wie ich sie mir vorstelle. Ich versuche manuelle Einstellungen, aber die rechte Geduld fehlt mir. Es ist erst nach 9:00, aber schon wieder so heiss, dass ich lieber im gekühlten Zimmer warte.
Wir werden zu einem Hotel in Siem Reap gebracht, wo wir unsere Mitpassagiere kennenlernen und erst einmal zu Mittag essen. Sandy, ein Belgier, stimmt uns darauf ein, dass die anderen 16 einer französischen Reisegruppe angehören. Also eigentlich nur 14, denn die zwei, die neben uns sitzen, sind ein deutsch-französisches Ehepaar und mögen keine Gruppenreisen. Wir unterhalten uns auf Deutsch und sind uns sofort sympathisch.
Dummerweise bestelle ich ein Lemonsoda, in der Meinung, eine Dose zu bekommen, erhalte aber ein Glas voller Eiswürfel, aufgefüllt mit Wasser und frisch gespresstem Zitronensaft. Ein Gedanke an Thomas lässt mich dies unberührt stehen lassen.

ERFAHRUNG UND ENGAGEMENT


Sandy, der belgische “Kapitän” unserer Gruppe, beweist mit der Sitzordnung seine Erfahrung in der raschen Einschätzung seiner Schutzbefohlenen. Dass er Catherine und Peter zu uns setzt, ist sehr aufmerksam und nicht nur wegen der Sprache ein Volltreffer. Wir brauchen nicht lange, um heraus zu finden, dass wir uns sprachlich leicht verständigen können, weil beide auch hervorragend deutsch sprechen. Aber es liegt nicht allein daran, sondern vielmehr an den ähnlichen Auffassungen und Einstellungen zum Reisen an sich. Und da man sich an solchen Orten, auf Reisen in fremden Ländern ganz allgemein in einem wacheren Zustand befindet, als wären alle Sensoren beständig auf Empfang eingestellt, brauchen wir vier nur ein paar Minuten, um unsere Geschwisterhaftigkeit zu erkennen. Dieses Gefühl wird auch nicht dadurch geschwächt, dass wir sehr wohl auch unterschiedliche Empfindlichkeitsgrade feststellen – aber wir können die jeweils andere Optik verstehen.
Das gilt für die Tischnachbarn rechts nicht unbedingt, wie sich noch heraus stellen wird.
Also Catherine, z.B., würde nie nach Vietnam reisen, “weil die dort Hunde und Katzen essen”. Für mich denke ich, dass die Aufzählung damit noch lange nicht abgeschlossen sein dürfte… Dann präziesiert sie, dass es ihr, also ihnen beiden, dabei auch um die Art geht, wie die Tiere getötet werden, und Peter nennt dann auch ein paar Beispiele. Ich habe mir das Essen trotzdem schmecken lassen und Sie sollten das auch tun, weshalb ich auf den wörtlichen Report hier verzichte. Die Tatsache, dass wir Vegetarier sind, nimmt uns sowieso aus jeglichem Schussfeld, und wir dürfen uns damit auch nach Vietnam getrauen… Catherine ist mir sympathisch. Ich brauche dafür nicht ihre Ansichten zu hundert Prozent zu teilen. Ich weiss einfach, dass die Tierwelt diese ihre 100%ige Parteilichkeit verdient hat. Und sie rollt dabei mit den Augen, dass es eine Freude ist, ihr Wortschwall ist dabei so engagiert, emotional und gleichzeitig durchaus argumentativ, dass ich ihr gerne zuhöre und mich durchaus auch packen lasse. Und sogleich sieht man auch, wie die beiden sich ergänzen: Peter ist der sachliche, der durch Abwägung und fundamentale Information überzeugen will, während seine Catherine mit der Fahne der Tierfreiheit die Bastille jeder Zooeinfriedung zu stürmen bereit ist.
Und besonders sympathisch ist dabei, dass sie keine Reise nach Kambodscha braucht, um ihr missionarisches Wirken an den Mann und die Frau zu bringen. Nein, schliesslich sitzt man ja mit Landsleuten zusammen, und da bietet sich doch nichts so sehr an wie eine grundsätzliche Diskussion über die französische Unsitte des Verzehrs von Foie Gras. Stopfleber also, für die Gänse in einer Art gemästet werden, die ich wiederum hier nicht näher erläutern will, siehe oben. Wir essen derweil auch schon längst, aber Catherine kümmert das nicht. Jetzt sehe ich meist ihren breiten Rücken und dahinter die weit aufgerissenen Augen und Münder der französischen Copatriots, und ich höre vor allem die Argumente. Mindestens zwölf der vierzehn anwesenden weiteren Franzosen sehen ihre Kultur, alle heiligen Traditionen und – oha – die ganz persönliche Freiheit angegriffen und in Frage gestellt. Die Schlacht ist heroisch (Catherine) und doch nicht zu gewinnen. Irgendwie für beide Seiten nicht. Und die Mehrheit hat irgendwie immer das “Recht”, tief in sich drin die “andere(n)” als Spinner in die Ecke zu stellen.
Dass das alles doch irgendwie vergnüglich bleibt, liegt auch wieder an unseren neuen Freunden: Die Tatsache, dass man nicht verstanden wird, ist kein Grund, seine Meinung nicht zu sagen. Meint der stille Hamburger Peter, während er sich über den Nachtisch her macht. Also, ich kann ihnen sagen: Die Kombination einer Hamburger Gelassenheit mit der Affinität zu südfranzösischem Temperament erzeugt eine Gemütlichkeit, die dem Genuss eine bedächtige, aber sehr bewusste Chance einräumt. Immer wieder. Wir werden viel mit einander lachen. Und dabei ganz bewusst zusammen reisen!




Kurz vor 14:00 werden wir in kleinen Bussen zu der Anlegestelle gefahren. Dann besteigen wir ein Motorboot, das uns bis etwa zur Mitte des riesigen Tonlé Sap – Sees bringt, wo wir auf ein Speed-Boat umsteigen, das uns schliesslich zur Toum Tiou II bringt, die auf dem Tonlé Sap – Fluss ankert. Die Boote müssen dem Wasserstand angepasst sein, und der ist jetzt, am Ende der Trockenzeit, ziemlich niedrig,




deshalb die etwas kompliziert anmutende Anreise.
Wenn der Monsun und die Schneeschmelze in den tibetischen Bergen (Mai – Nov.) das Wasser im Mekong ansteigen lässt, wird der Tonlé Sap Fluss zurückgedrängt, wechselt also seine Fliessrichtung und füllt den Tonlé Sap – See, der dann fast doppelt so gross wird; dabei kann ich jetzt schon seine Ufer nicht erkennen.




Er ist der grösste See in SO-Asien und einer der fischreichsten. Bis zu 12 m hebt sich der Fluss, und die Menschen hier haben sich so angepasst, dass sie schwimmende Dörfer gebaut haben, die diesem Umstand Rechnung tragen. Laut Programm sollten wir heute ein solches besichtigen, aber wir fahren mit dem Schnellboot nur langsam durch, während die Sonne untergeht.








Ein Stück nach dem Dorf – es ist inzwischen dunkel – gehen zur Begrüssung die Lichter auf unserer Barke an. Das Speedboat fährt längs, wir steigen hinüber. Ein tolles Schiff ist das!



Auf dem 1. Deck sind Kabinen, auf dem 2. ebenfalls (da sind wir), sowie ein offener Speisesaal, auf dem 3. eine Bar und Sonnenterrasse inkl. Dachgarten. Hier lässt es sich sein, ideal zum relaxen, nach den doch eher anstrengenden Tagen.
Wir beziehen die schöne Kabine mit grosser Fensterfront.






In der Bar gibt es einen Drink. Da es sehr gewitterhaft ist, hat es Unmengen von Mücken. Um jedes Licht sind ganze Wolken davon, so was habe ich noch nie gesehen. Das Antibrumm scheint sie jedoch abzuschrecken.
Beim Speisesaal wurden die Bambus-Roulos heruntergelassen, was die Plagegeister draussen hält.
Sandy hat uns einen Tisch mit Catherine und Peter gegeben; das Essen ist vorzüglich, und wir unterhalten uns bestens.
Über Nacht bleiben wir hier vor Anker.


[Die Bilder des Tages lohnen heute, wie wir meinen, ganz besonders einen Besuch, wenn man Sonnenuntergangsstimmungen mag…]