Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 8

∞  9 August 2007, 21:31

Erlebt am 14. Juli 2006, Um Uliastay


Das leere Grün


An den Sonnenuntergang schloss sich gestern noch ein reges Gespräch mit Thomas an, das sich rund um unsere Anfänge mit dem Hobby Photographie bewegte. Die schnell hoch kriechende kühle Frische trieb uns dann in die Schlafsäcke und bescherte Thinkabouts Wife und mir einen gesunden, tiefen Schlaf.



Der Aufbruch geschieht jeweils ohne Hektik. Scheinbar zeigt aber auch niemand Widerwillen gegen das stete Ab- und Einräumen aller Habseligkeiten. Die Handgriffe automatisieren sich, wenn auch jeden Tag alles ein bisschen anders verstaut wird. So richtig will sich hier keine Regel einstellen, angesichts der vielen kleinen Taschen und Kisten auch nicht so einfach…

Wir fahren ins nicht mehr weit entfernte Tsagaanhayrhan, wo uns geraten wird, über das Aimak-Zentrum Uliastay zu reisen, um dem Sand auf der Piste entlang des Flusses auszuweichen (dürfte alles anders ausgesprochen werden als auf der Karte hier getreulich nach Rekonstruktion abgeschrieben).

Wir tanken Diesel. Wir haben uns geschworen, von allem Anfang an in jeder Siedlung aus mindestens 5 Jurten oder Häusern nach Treibstoff zu fragen und die „Kannen voll zu machen“. Sicher ist sicher.

Auch hier stehen die Treibstofftanks offen, wenn auch eingezäunt. Der Füllstutzen wird denn auch durch den Maschendraht gereicht, und die Tankfüllung bedeutet mal wieder Handarbeit an einer Kurbel.

Dann also nochmals über 2530m Höhe, über den Pass Gantsyn davaa, auf dem wir dann auch unser kleines bescheidenes Picknick abhalten. Hier blüht Edelweiss.



Nicht vereinzelt, sondern als Blumenteppich…



Noch ganz andere Schönheiten sind zu entdecken…





Hier auf dem Gipfel habe ich ein GSM-Netz, und so beginne ich mit fliegenden Fingern meine vorbereiteten SMS zu verschicken. Leider lösche ich dabei eines und muss es reproduzieren – so gut es eben geht. Unsere Freundin Caro schreibt postwendend zurück – und das so nett, dass sich alle in der Gruppe im Auto darüber freuen.

Im Aimakzentrum Uliastay (eine Art Kantonshauptstadt von Zavhan) gibt es einen grossen, täglichen Markt, wo wir sowohl den lange gesuchten zweiten Ersatzkanister wie auch alle Lebensmittel finden, die wir brauchen – inklusive frischem Gemüse und Äpfeln.
Die Süssigkeiten lassen wir eher liegen…



Und unsere Jurte müssen wir auch nicht neu möblieren.


Aber Thomas und Ono können mit dem eigenen Handy gar nach Deutschland telefonieren und Thomas’ Vater zum achtzigsten Geburtstag gratulieren.

Auf der Weiterfahrt sehe auch ich erstmals einen Widehopf, und im Tal nahe des Zentrums gibt es sogar Gemüseanbau auf grösseren Feldern.

Auf einem abgelegenen Flughafen bei Aldarhaan weidet ein einsames Kamel ohne Höcker die Natur-Landepiste ab, und ein neues, repräsentatives MIAT-Gebäude (der “Tower”?) wirkt in dieser Öde völlig verloren: Kein Mensch weit und breit.

Das gilt auch für die folgende Reise: Uns begegnet kein Mensch, kein Wild, kein Stück Vieh. Wir können auch keine einzige Jurte ausmachen. Die Wiesen sind grün. Verhindern die Ginsterbüsche das Beweiden? Wir wundern uns auf jeden Fall.

Auch später, am Lagerplatz, ist es zwar steinig, aber grün, so weit wir blicken können. Und das ist sehr weit. Fern am Horizont erhebt sich bleich und sanft aber sehr breit Mongol Els: Die riesige Sanddüne.



Unser einziges Problem ist, dass wir nicht so gut vorwärts kommen, wie wir es geplant haben. Also müssen wir Abstriche bei unseren Plänen machen. Das Kameltrekking ist diesseits der Düne schon mal gestrichen…
Das Wetter war heute gegen Ende bewölkt und windig. Aber bis jetzt, nach unserem Abendessen ist es trocken geblieben.

Der Wind ist warm – und erst im Zelt rieselt der Regen gegen die Aussenhaut. Das entstehende Treibhaus lässt uns die Trainingsanzüge schnell wieder ausziehen…

Der letzte Satz an diesem Tag im Logbuch, eine Art stummer Gruss in die Dunkelheit:

Gute Nacht, wo immer Ihr seid und das liest.

1848m üM, N 47° 47.575’ / E 95° 35.275’