Reflexionen

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Mongolei 2006 - Tag 30

∞  14 Oktober 2007, 19:43

Erlebt am 05. August 2006 – Flughafen Ulaanbaatar

verhinderte Abreise, Teil 2



Es ist dies Teil 2 eines sich über vier Tage erstreckenden Versuchs, aus UB weg zu kommen. Ich gebe in der Folge für die letzten Tage die Rekapitulation der Ereignisse wieder, wie ich sie in einer Zusammenfassung “für Mitleidende” schon früher verfasst habe. Einstreuen werde ich noch ein paar schöne Eindrücke vom Sonntag, rund um die ansonsten sehr beklemmende, festgefahrene Situation.

Tagwache am Samstag war um vier Uhr. Um 5h30 standen wir wieder zum Abflug bereit (von der MIAT zum Flughafen gefahren) da das Gepäck am Vortag nicht ausgecheckt worden war. Warum dies ohne Einchecken für einen planmässigen Flug um sieben notwendig war, weiss ich nicht.

Das gleiche Spiel. Die pünktliche Ansage der Verspätung wegen technischer Probleme.
Dann steigen wir wieder ein, ins Flugzeug, diesmal alle. Doch es gibt keinen Start. Die Turbinen bleiben klamm. Der Kompressor soll zuwenig Reserve haben – er ist leer. Wir schauen uns im vollen Flugzeug an und fragen uns stumm alle das Gleiche: Warum waren wir, mit unserer frühen Abflugzeit, so spät dran? Das Aufladen wird dauern, vier bis sieben Stunden, sagt man. Man überlege weiter. Auf der Rückreise am Montag wird uns der Pilot bestätigen, dass alle Flüge vor uns abgefertigt wurden. Den Grund dafür kannte er auch nicht.

An diesem Tag allerdings bekommen wir endlich Besuch. Ein Manager der Flughafenverwaltung kann organisiert werden, sein Chef allerdings ist leider unabkömmlich. Es ist Samstag, wissen Sie.

Zwei Passagiere haben gesundheitliche Probleme und brauchten Medikamente aus dem eingecheckten Gepäck. Der Wunsch nach einem Arzt oder wenigstens diesen Medikamenten bleibt unerfüllt, bis der Captain erscheint, so gegen eins, nachdem er dazu richtiggehend von Passagieren genötigt wird. Er erklärt, dass am ersten Tag der Bordcomputer ausgefallen wäre und heute der Kompressor nach dem Start vieler anderer Maschinen leer wäre und nun neu aufgeladen werden müsste. Man arbeite aber an dem Problem.
Dass uns jegliche nähren Informationen fehlen und das Essen so ist wie es ist, bestürzt ihn zutiefst und ist ihm völlig neu.

Wir kommen im Fernsehen, wie wir auf den Bildschimen in der Halle verfolgen können. Einheimische Flugpassagiere übersetzen. In den Nachrichten erscheint ein Bericht über die Maschine, mit einem Hinweis auf die miserable Bilanz des Deals zwischen Blue Panorama und MIAT, aus dem die mongolische Seite einen Verlust von 3 Mia Tugrik erwartet (3 Mio Franken). Es ist die Stimme eines Flugpassagiers zu hören, der mit dem Handy die Redaktion verständigt hat.

Später bringen Reiseleiter in Erfahrung, dass nun versucht werden soll, nur eine Turbine zu starten und mit deren Kraft danach die zweite, dann sollte die erste Turbine wieder abgeschaltet werden, wir sollten einsteigen, und dann die zweite Turbine erneut angeworfen werden und das Flugzeug starten. Ein solcher Versuch kann von einem flugtechnisch bewanderten Passagier auch beobachtet werden. Er bringt aber schlechte Kunde. Es hat nicht geklappt, die erste Turbine allein zu starten.

Wie es nun weiter gehen soll, bleibt vorerst unklar. Denn morgen wird es keine Möglichkeit für einen Flug geben. Ausweichrouten werden diskutiert, mehr von uns, als denn von MIAT vorgeschlagen. Es gibt zwar einen Angestellten, der fragt, wer über Moskau oder Peking fliegen möchte, worauf alle die Hand erheben. Sie werden sie wieder nach unten nehmen, wenn sie mehr wissen. Zum Glück sind genügend erfahrene Touristen unterwegs, denn von der MIAT sind entsprechende Klärungen nicht zu erhalten.

Dies alles geschieht noch ohne die Einrichtung eines Desk, an dem allfällige Varianten auch gecheckt werden könnten.
Dann endlich werden wir in die Abfertigungshalle geführt, wo sich eine erfahrene, willige Angestellte daran macht, die Buchungen anzubieten.

Einige wählen Varianten über Seoul, andere diskutieren über Flüge via Moskau oder Peking. Die sind alle kein Problem, wenn Anschlussflüge garantiert sind. Das ist aber nicht so, und es gibt gar Reisende, die unterschreiben müssen, dass sie für die Regelung des Weiterflugs ab einer dieser Destinationen keine Ansprüche an die MIAT stellen. Vereinzelte Reisegruppen mit entsprechender Unterstützung von ihrem Backoffice wählen solche Routen. Für alle und v.a. für alle Einzelreisenden stellt sich die Frage:
Muss in Moskau allenfalls der Flughafen gewechselt werden? Wie soll das ohne Visa gehen?
In Peking ohne Visa auf einen Anschlussflug spekulieren ist auch nicht das gelbe vom Ei…
Fragen dieser Art können am Desk auch nicht beantwortet werden, auch nicht, ob beim Flug X in Moskau für den Weiterflug nach Frankfurt der Flughafen gewechselt werden muss?
Unser Vertrauen ist auch nicht so, dass wir einer solchen Auskunft noch was glauben würden.

Wir entscheiden uns für die Variante eines regulären MIAT-Fluges, den es am Montag wieder geben wird. Wir wissen zwar, dass der wieder mit Blue Panorama bestritten wird, aber mit einer anderen Maschine. Ich will einen Tag Pause. Mein Bedarf an Flughafenhallen ist gedeckt, ausserdem will ich so sicherstellen, dass die MIAT auch gleich die Anschlussflüge ab Berlin bucht. Für diese Variante habe ich alle Informationen, die ich mir wünsche. Von Moskau habe ich von früheren Erlebnissen die Nase voll und Peking ohne Visa und Anschlussflug ist mir auch kein zusätzliches Abenteuer wert.

Ich sehe dann auch, dass die fleissige Dame etwas in einen Computer eintippt. Nur bekommen wir merkwürdigerweise keine Bestätigung für unsere Buchung. Keinen noch so kleinen Fetzen Papier. Auch dreimaliges nachfragen über Ono bleibt erfolglos. Wir müssten am Sonntag ins MIAT-Büro in der Stadt kommen und die Bestätigungen da abholen. Andere haben danach im Bus aber genau diese Bestätigung schon in der Hand…

Dann eben im Bus Richtung Hotel: Die MIAT-Begleiterin hat eine Liste mit unseren Namen und dahinter steht: PALACE-Hotel. Das ist gut. Ich brauche keinen Palast, keinen Luxus, aber endlich mal wieder duschen wäre schon schön. Das Gepäck haben wir auch wieder, und dazu ist das Hotel in der Innenstadt und also nicht so weit vom MIAT-Büro.
Gefahren werden wir allerdings woanders hin und ich merke sehr schnell, dass es ans gleiche Ort geht wie gestern: Das Hotel Nukht. Na, der Bus ist recht gross, und vielleicht haben ja nicht alle das gleiche Hotel?
Der Bus hält, und die MIAT-Frau lässt übersetzen:
Das Palace-Hotel ist überbucht.
Aber wir brauchen kein Hotel. Gar keines.
Denn es gibt Chancen, dass in einer guten Stunde doch geflogen werden kann.
Ersatzteile sind eingetroffen und werden eingebaut.
Wir sollen nun da essen und dann wieder zum Flughafen gefahren werden.

Wir sind es so leid.
Etwa sechs Passagiere proben den Aufstand, laden ihr Gepäck nicht aus und bleiben am Ende sitzen. Sie wollen in ein Hotel der entsprechenden Klasse gefahren werden, und das ist noch das Wenigste. Polizei und Anwalt – es werden Kriegsschauplätze eröffnet. Der Rest steigt aus, samt Gepäck, und als Thinkabouts Wife zum Bus rennt, um ihre Sachen in den Bus zu legen und sich die Option Innenstadt offen zu halten, hat sie stattdessen gerade noch Zeit, den Rucksack, der im Bus geblieben ist, rauszureissen, bevor der Bus die Türen schliesst und davon braust.

Natürlich gibt es keine Rückkehr zum Flughafen.
Natürlich gibt es für uns hier Hotelzimmer.
Es ging nur darum, etwas Stress zu machen, so dass am Ende alle mit dem angebotenen Hotelzimmer “zufrieden” sind und keine weiteren Ansprüche stellen.