Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 24

∞  10 Oktober 2007, 21:36

Erlebt am 30. Juli 2006 – Vom Sum Khuh Burd Tourist Camp bis Bayantsagaan



Etwas Verdruss, viel grün und unzählige Antilopen




In dieser Nacht fallen sie wieder in Scharen vom Jurtendach, die dicken, schwarzen Käfer.
Wenn sie auf dem mit einer Kunststofffolie ausgelegten Boden aufprallen, gibt es jedes Mal ein klackendes Geräusch. Die Betten stehen am Rand der Jurte. Ich verstehe bis heute nicht, dass kaum ein Exemplar auf mich runterfällt. Wir sind irgendwie nicht interessant, auf jeden Fall merken wir nichts davon, hören sie nur. Es scheint irgendwie ein besonderes Vergnügen zu sein, von möglichst hoch oben möglichst hart auf den Boden zu knallen.

Die Kälte bleibt uns auch treu. Dafür machen wir uns zum Frühstück zum ersten Mal ein Müsli, als wollten wir einmal kurz nach Europa winken.

Seit einigen Tagen hat die Landschaft sehr viel mehr grüne Weideflächen. Das macht sie aber auch konturloser und damit eher langweiliger. Die Briefmarken sind in der Post in Adaatsag ganz offensichtlich ausgegangen… Also schleppen Ono und Thomas ihre Postkarten am Ende noch zurück nach UB…



In der Fahrspur treibt unser Auto während Kilometern Lerchen vor uns her. Es ist, als würden sie uns vortanzen wollen.

Im Auto herrscht eine etwas einsilbige Stimmung. Wir können wohl alle nicht so genau erklären, woher sie kommen mag, und das bessert sich auch beim Picknick nicht wirklich. Dieser letzten Reiseetappe im Grünen heimwärts Richtung Ulaanbaatar haftet eben nicht nur die Heimkehr an, sondern auch der nahe Abschied für Ono von der Heimat



und von der Familie: Wir haben ganz eindeutig nicht alle die gleichen Wurzeln, und Ono wird das Land ihrer Familie verlassen und für eine unbestimmte Zeit nicht wieder kommen.

Am Nachmittag werden wir in unserer etwas besseren Wachsamkeit nicht nur mit dem Anblick von Weissschwanzantilopen belohnt. Das ist allerdings angesichts ihrer Zahl kein Kunststück…





Wir vermuten auf jeden Fall, dass es welche waren. Sind das die Saigan-Antilopen? Sehr nahe haben sie uns nicht heran gelassen. Aber dafür war die Herde riesig, bestimmt über tausend Tiere!





Nachdem wir die Postkarten in Bayantsagaan aufgeben konnten, herrscht plötzlich eine wieder deutlich bessere Stimmung, und wir finden, nachdem wir jemanden aufgescheucht haben,



schon kurz nach sechs einen uns passenden Lagerplatz:
Damit haben wir heute einmal deutlich mehr Zeit für „das ganze Gerödel“, wie wir den Aufbau des Lagerbetriebs und das Kochen nennen.



Dass jetzt niemand meint, wir würden uns nicht an die Kochtöpfe schmeissen, und zwar jeden Abend! So macht heute Ono Zuivan, einen Nudeleintopf mit selbst gemachten (!) Nudeln! Wir sind nur noch geschätzte hundert km von UB entfernt und blicken auf einen geruhsamen Ausklang der Reise voraus.



Zwei Reiterinnen besuchen uns und erzählen von den armen Glücksrittern, die – ohne andere Arbeit – hier noch immer nach Gold schürfen. Das führt dazu, dass diese Menschen zwar arm bleiben, die Gegend aber fast kein fliessendes Wasser mehr hat.



Die Tochter hört derweil aufmerksam zu. Das Bild dieses Mädchens auf ihrem Pferd ist einfach wunderbar und ich werde nie vergessen, welche Ahnung von einer Kindheit voller Entbehrungen, aber auch voller erlebter Freiheit ich dabei gewann.

Wie viele solcher Momente werden wir noch erleben?

Position:
N 47° 10.856‘ – E 107° 03.759‘ 1486 müM