Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 21

∞  6 Oktober 2007, 22:38

Erlebt am 27. Juli 2006 – Bogd – Arvayheer



Ohne Irrfahrt über Hindernisse




Wieder einmal findet der Sonnenaufgang direkt in meinem Zelt statt! Hingegen ist das Frühstück weniger lauschig: Wir müssen es im Zelt zu uns nehmen, der Wind ist einfach zu heftig.

Wir sind gespannt, was uns der Tag für Pisten bringen wird… Auf dem Weg haben bei Erkundigungen die Berichte zugenommen, dass viele Pisten unter Wasser stehen.

Das erste, das wir allerdings in uns aufnehmen, ist ein sehr erhabenes Bild: An die hundert Kamele grasen auf einer weiten grünen Ebene, die blauen, hohen Berge im Rücken. Ein tiefer Frieden liegt über der Szenerie.





Dann aber haben wir eine Wassersperre vor uns, verursacht durch ein Hagelgewitter vom Vortag. Man sollte nicht versuchen, da doch durchzufahren…
Nur, wer sagt uns, ob links oder rechts rum besser ist?



Und wie weit muss der Bogen sein?



Und wenn wir ihn zu grosszügig fahren, verpassen wir wenn möglich die Brücke über den heute zu überquerenden Taats , und so viel wir gehört haben, gibt es nur eine…

Schliesslich stossen wir auf zwei Motorradfahrer, die tatsächlich versucht haben, hier durch zu kommen. Sie stammen aus der Gegend und können uns mehr Informationen geben, so dass wir eine Entscheidung treffen. Wir fahren los… Gut, dass wir keinen Druck mehr haben vom Zeitplan her, sage ich mir (oder rede ich es mir ein?). Wie auch immer – wir fahren nordwärts und UB werden wir in jedem Fall nicht verfehlen.

Zwei Stunden später haben wir den Fluss erreicht, und auch einen Trail, der ganz offensichtlich über den Fluss führen will – so hat das auch ein Tankwagen verstanden, der hier übersetzen wollte – und jetzt mit so ziemlich allen Rädern im Schlick steckt.





Ein paar Männer sind da, ein paar Bretter schon aufgetrieben, aber ich möchte nicht wissen, ob sie nicht einfach warten müssen, bis der Boden trocknet… Ihre Ruhe spricht dafür. Immer wieder staune ich, wie gleichmütig hier Menschen Schwierigkeiten begegnen.

Wir hören, dass es die Brücke nicht mehr gibt. Wir müssen also über den Fluss. Der Fahrer des Lastwagens meint, dass dies hier auch möglich sei. Wir müssten uns nur schlauer anstellen als er, einen anderen Winkel und eine Stelle ein paar Meter weiter flussaufwärts wählen.

Angesichts der hier vorgeführten Bescherung ist das nicht unbedingt ein viel Vertrauen erweckender Vorschlag, aber Baktar stapft mal los und schaut sich die Lage näher an. Er ist der Fahrer, und es ist sein Auto. Schliesslich kommt er zurück und meint: „Alles klar, wir können rüber fahren.”
Er schaut uns in die Augen, sein Blick ist fest und offen.
Ich denke, wie schön und gut es ist, dass wir uns nach dem Mother Mountain so vernünftig gefunden haben. Er hat seither einen sehr guten Job gemacht. Ich nicke zurück.

Wir steigen ein, und Baktar fährt los. Langsam, aber nicht zögerlich, und die Räder greifen im seichten Wasser ohne Unterbruch im steinigen Untergrund. Wir erreichen das andere Ufer ohne Probleme und Baktar treibt den Wagen die steile Böschung hoch, wo wir dann alle zufrieden aussteigen und durchatmen. Auch der Fluss Taats (?) ist überwunden.

Das Picknick nehmen wir in der Nähe einer Grube ein, auf 1798müM N 45° 42.002‘ E 101° 31.768‘. Hier wird Kohle im Tagbau abgebaut. Einmal mehr denke ich daran, wie viel Mühsal es nur schon bedeutet, die Kohle von hier an die Bestimmungsorte zu transportieren…

Es ist, der Regenfälle zum Trotz, Sommer: Grün die Weiden auch hier. Aber die Landschaften wechseln sehr schnell, und die schönste Wiese sollte man sich nicht als dichten Grasteppich vorstellen. Das Land ist weit und grün, aber der einzelne Quadratmeter gibt selten viel her.

Kurz nach einem kleinen Pass erreichen wir einen verschlafenen Weiler, ich glaube, er heisst Bayanteeg.



Die Tankstelle sieht aber schick aus! Und gegen zwei Uhr komme hier auch der Tankwart vorbei, sagt uns eine kleine Gruppe schon Wartender.


Das ist nur eine knappe halbe Stunde bis dahin, und wenn er uns alle warten sieht, kommt er ja vielleicht eher… Derweil haben andere grössere Probleme. Auf dem höchsten Punkt eines kleinen Hügels steht ein Auto mit aufgeklappter Motorhaube, und der Fahrer will gar nicht mehr aufhören, seinen Kopf hinein zu stecken…



Danach fahren wir weiter, den Kopf voller Eindrücke. Der Ort hatte in seiner ganzen Verlassenheit etwas Besonderes für mich. Die grellsten Lichtverhältnisse des Tages – es ist knapp 14 Uhr – , aber die Farben leuchten tief und fast dunkel. Als hätte jemand einen Polfilter vor unsere Augen gelegt. Eigenartig.

Nach sechs Uhr abends erreichen wir mit Arvayheer



eine grössere Stadt mit einem grossen, fest eingerichteten Markt,



also heisst es auch mal wieder, Fleisch zu kaufen für unsere Nicht-Vegetarier. Hier sieht alles einiges gepflegter aus als wir es auch schon erlebt haben, und die Menschen sind offen.



Wir fahren ein kurzes Stück weiter, denn das vermeintliche Camp gibt es auch hier nicht. Wir finden einen tollen Lagerplatz am „Ziegenberg“: Ein Hirte treibt seine Ziegen- und Schafherde um einen stattlichen Hügel zu unserer Linken,



und so ist es, als wollte er alle halbe Stunden mal kurz nachschauen, ob wir noch da sind…
Dabei wollen wir doch gar nicht weg…



Und immer zu wenig Zeit, denke ich. Ein Zeichen, dass wir dem Ausgangspunkt unserer Reise näher kommen, obwohl es noch mehr als eine Woche dauert. Aber Du denkst vermehrt daran, dass Du dieses Land wieder verlassen wirst, und möchtest die einzelnen Eindrücke festhalten, einfrieren, und sie Dir doch ganz warm erhalten. Und neben den unzweifelhaft langen Strecken im Auto zehrt etwas vor allem an den Kräften: Der Aufwand für das abendliche Campieren und Kochen und das morgendliche Aufbrechen. So gesehen hätte uns ein Jurtencamp mehr schon gut getan! Gerade nach diesem langen Tag. Aber der Blick auf unser Zelt erinnert mich auch daran, wie erholsam still ich jeweils am Abend wurde: Heimkehr in eine Seelenruhe eben…

Position:
N 46° 22.952‘ E 102° 51.511‘ 1768müM