Reflexionen

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Kambodscha: East Mebon und Landminenmuseum

∞  22 Mai 2009, 16:55

Erlebt am 22. März 2009, vormittags


[ Kartenausschnitt: East Mebon und Richtung nach Banteay Srei ]


Auch heute werden wir durch die Sonne geweckt. Wir wollen zu der 38 km entfernten Banteay Srei Tempelanlage, dort aber erst um 12:00 ankommen, weil sich dies so gut bewährt hat. Wir starten wieder um 09:00



und halten beim East Mebon, der am Weg liegt.
Wie der Pre Rup hat er fünf Türme und drei Terrassen,




mit dem Unterschied, dass an den Ecken der Terrassen gut restaurierte Elefanten stehen (sie bekamen Zähne und Rüssel zurück),




und die Treppenstufen auch für mich zu überwinden sind.
Der Gottheit im Hauptturm – ich vermute, es handelt sich um Vishnu – wurde bereits geopfert, und der Duft von Räucherstäbchen umgibt mich.




Die Aussenwände von zwei kleinen Nebengebäuden neigen sich derart nach aussen, dass es mich wundert, dass sie überhaupt noch gestützt werden können.




Auch auf dem Weg liegt das Landminenmuseum, das eine Herzensangelegenheit T’s zu sein scheint. Er hat ja viele Familienmitglieder verloren, auch durch Landminen. Ein Privatmann hat eine Stiftung ins Leben gerufen, die Geld sammelt, um Minenräumaktionen zu finanzieren, denn immer noch sind weite Teile Kambodschas nicht sicher. Täglich explodiert irgendwo eine Mine oder ein Blindgänger. Meist trifft es Bauern, die ihre Felder bestellen oder spielende Kinder. Arme und Beine werden weggerissen, Prothesen sind rar. Die Stiftung unterstützt auch die Opfer, erfasst sie, gibt ihnen eine Stimme. Die Arbeit wird in dem Museum dokumentiert, die Gräuel des Krieges aufgezeigt, die Minen ausgestellt etc. Das muss ich nicht sehen, will aber die Räumungsaktionen und die Opfer unterstützen, zumal es sich hier um eine NGO handelt, die nicht korrupt ist, wie uns T versichert. Thinky macht einen kurzen Rundgang und füttert für uns die Spendenbox.
Weiter tuckern wir durch Reisfelder und kleine Dörfer.




Die meisten Häuser stehen auf Stelzen, darunter baumeln die Hängematten, leben Schweine und Geflügel. Überall ist es sattgrün, die Vegetation üppig. Bunte Blumen und blühende Sträucher gibt es, wohin man auch schaut. Die Bananenstauden und Mangobäume hängen voller Früchte. Das feucht-warme Klima lässt alles wunderbar gedeihen, wie in einem Treibhaus.

GEBT DEN MENSCHEN IHREN STOLZ ZURÜCK


Das kleine Landminenmuseum ist eindrücklich. Das Leid der dokumentierten Schicksale stülpt sich nicht einfach wie eine vernichtende Krake über mich, nein, es erdrückt mich nicht. Wahrscheinlich deshalb, weil dieses Museum auch eine Art Vermächtnis des Gründers dieser Stiftung ist. Kriege führen auch immer wieder zu ganz besonderen Lebensläufen, in denen sich alles verbündet, das dem Irrsinn des Krieges die unerschütterliche Menschlichkeit entgegen setzen will, trotz allem Leid, das diese Menschen selbst getroffen hat. Was siegt in unserem eigenen Lebensbild? Die Tatsache, dass Kriege immer wieder geführt werden, womöglich noch brutaler als alles, was bisher schon unvorstellbar war – oder der unausrottbare Samen der Güte, der in allen diesen Konflikten stets irgendwo nieder fällt und keimt, wächst und gedeiht? Menschen werden aus ihren Erfahrungen immer wieder die unterschiedlichsten Konsequenzen ziehen. Sie können, ja sie müssen sich immer wieder zwischen Versöhnung und Hass entscheiden, die Menschlichkeit wählen oder nur noch an die eigene Macht glauben. Laut Michael setzen die Kambodschaner in neueren Grenzkonflikten selber Tretminen ein. Sie hätten ja selbst Anschauungsunterricht genug genossen, wie effektiv diese wären, meint er bitter.
Ich sage dennoch: Ein von Minen befreites Feld ist jene Art von Entwicklungshilfe, die den Menschen vor Ort neue Möglichkeiten schenkt. Und die Arbeit, die zwar gefährlich ist, kann ausgebildet und vermittelt, weiter gegeben und in die Hand von Einheimischen gelegt werden, nach und nach. Gebt den Menschen ihren Stolz zurück, indem Ihr ihnen eine Perspektive schenkt.
Als ich aus dem Museum komme, empfangen mich freundliche Gesichter, und ich trinke mit den Menschen und mit meiner Liebsten gegen den Durst in der feuchten Hitze an. Hier wird gelebt. Und jedes Lächeln, das ich beitragen kann, ist wenigstens annähernd so stark wie das, was ich selbst an Freundlichkeit in mir aufnehme. Menschen können mit einander auskommen. Je mehr wir darum wissen, dass wir einander trotz oder gerade wegen unserem Wunsch nach persönlicher Freiheit nötig haben, um so leichter und friedvoller wird unser Leben sein.