Reflexionen

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Australien 2007 - Tag 8

∞  23 März 2008, 21:07

Erlebt am 31. Oktober 2007 – von Port Fairy nach Mt. Eccles

Im Reich der Koalas



An diesem Morgen friere ich zum ersten Mal wie ein Schosshund und das Zelt hat reichlich Kondenswasser auf der Innenseite der Aussenhaut gebildet. Allerdings scheint die Sonne,und sie trocknet einen guten Teil davon wieder, bevor ich es verstauen muss.

Wir fahren runter zum Strand, wo in einer seichten Lagune Strandläufer und schwarze Schwäne den Tag begrüssen, und danch besuchen wir das Städtchen. Port Fairy kennt nicht viele Restaurants, noch weniger solche mit Gedecken, aber alle mit netter Bedienung. Uns wäre nach einem schönen klassischen Devonshire Tea. Was wir schliesslich finden und kriegen können ist ein relativ klebriger Blaubeerstrudel. Dazu gibt es einen richtig schön fetten Capuccino. Den Zahnplombenzieher müssen wir allerdings aus der Tüte verspeisen, denn im Café heisst es: “Sorry, we have no plates.”




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Wir setzen uns trotzdem mit unserem erstandenen Proviant ins lauschige Gärtchen und pflegen inmitten von Rosen die Romantik.
Zum Mt. Eccles NP ist es nicht weit. Wir sind zur Mittagsstunde schon da und so ziemlich allein, wie wir das abschätzen können. Das Infocenter liegt verlassen da, die Anlage allerdings ist aufgeräumt, ein Ranger-Auto parkt, aber zumindest campieren will hier offensichtlich keiner ausser uns…

Ich geniesse es, für einmal das Zelt ohne jeden Zeitdruck einrichten zu können, und natürlich geht es ohne Hektik eher schneller als sonst.



So bleibt viel Zeit für vier Stunden ausgedehntes Wandern im Naturpark. Wir sind sehr erwartungsfroh, denn Thinkabouts Wife hat bei der Anfahrt schon einen Koala in den Baumwipfeln ausmachen können, und der Park ist für eine recht grosse Population dieser Tiere bekannt.
Vorerst allerdings hören wir sie nur: Die Männchen brüllen (oder ist es eher ein heiseres Röhren?) ähnlich wie ein Hirsch, und es ist ziemlich erstaunlich, wie weit die sonoren Klänge durch die Luft getragen werden. Neben dieser Akkustik präsentieren sich uns mehrere ebenfalls aufgeregte Gelbhaubenkakadus. Der Wanderweg führt einen Kraterrand entlang. Mt. Eccles liegt in einem erloschenen Vulkan. Wir haben ihn etwa zu drei Vierteln umrundet, als wir die gewünschte Begegnung haben – und was für eine! Der Grosse – es ist ein stattliches Männchen – schaut uns mit grossen, irgendwie verträumten Augen an und scheint sich ebenso wenig von unserem Anblick losreissen zu können wie wir von dem seinen. Diese Tiere, die ein sehr dichtes Fell und eine so breite und flache Stupsnase haben und oft ein bisschen dümmlich wirken können, vermögen ihrem Gesichtsausdruck sehr viel mehr Facetten zu verleihen, als man es für möglich halten würde!



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Anschliessend öffnet sich bald das Gelände, und wir blicken von einem Bänkchen, auf dem uns ein nettes älteres Ehepaar einen Platz anbietet, über dichte Baumwipfel hinweg. Das Paar war vor 25 Jahren mit drei Kindern schon mal hier im Urlaub. Seither soll die Vegetation richtig hoch geschossen sein, und der Mann meint trocken, heute wäre ohne die Kinder auch mehr Ruhe da, die Landschaft auch wirklich zu geniessen. Auf dem Weg zurück zum Ausgangspunkt sehen wir weitere Koalas. Es ist also richtig, dass sie hier sehr gut zu beobachten sind. Vor allem fällt uns auf, sind sie sehr aktiv. Wir machen am Ende bewusst ein Foto von einem schlafenden Tier – so, wie viele Touristen die Tiere allenfalls zu sehen kriegen…



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Bevor wir zurück ins Lager kommen, führt der Weg hinunter in den Krater, zu dessen Rundgang der Lake Surprise Walk nur schon durch seinen Namen einlädt. Am Ufer des Sees erwartet uns erst mal eine amtliche Mitteilung, die vor einer Algenpest warnt.
Aber der Rundgang ist wunderbar, und wir wollen ja nicht schwimmen noch vom Wasser trinken. Wir werden das pittoreske Bild der jungen Schwalben auf dem gebogenen Ast über dem Wasser noch lange im Gedächtnis behalten. Eher seltener, dass man in Australien Rallen beobachten kann, während eine stattliche Anzahl Enten durch das wärmer werdende Licht des Abends gleitet. Ein Rosella-Paar inspiziert mögliche Brutnester, und wir können in aller Ruhe, wenn auch bei ungenügendem Licht im dichten Wald, beobachten, was wir schon gelesen haben. Herr Rosella ist schwer beschäftigt. Er kundschaftet das mögliche Nest nicht nur aus, er richtet es auch ein. Wenn er fertig geschuftet hat, lässt er Frau Rosella sein Werk inspizieren. Ist sie zufrieden, so bezieht sie das Nest – ansonsten geht seine Plackerei von neuem an einem anderen Ort los. Erst wenn alles zu ihrer Zufriedenheit ist, lässt sie sich überhaupt auf die Paarung ein.
Wir können nicht warten, bis das vollzogen werden kann, aber ich schicke dem Herrn noch eine Prise Bedauern und Respekt nach, denn ich weiss: Wenn die Liebe zum Ziel führt, geht der Stress erst richtig los: Seine Frau bezieh das Nest, er macht es bis auf eine kleine Öffnung zu und füttert nun die Dame des Hauses und werdende Mutter durch, und anschliessend die kleinen gleich mit.





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Wir nähern uns derweil unserem Camp, und das Röhren der grauen Wichte wird wieder lauter. An unserem Lagerplatz erwartet uns in einer Stammgabelung eines Baumes etwa fünfzehn Meter hinter dem Tisch des Picknick-Platzes ein schlafender Koala in etwa drei Meter Höhe. Das gibt es doch gar nicht! Man könnte fast meinen, der Ranger hätte uns einen Stoff-Koala als Willkommensgeschenk in den Baum gesetzt. Aber das Bündel atmet leise schnaufend, und unsere Schritte wecken ihn auf.



Stören lässt er sich aber nicht lange und schläft mal schön weiter, wie er es wohl 20 Stunden am Tag zu tun scheint.
Als wir endlich selber glauben können, dass der niedliche Kerl uns noch ein wenig erhalten bleiben wird, geniessen wir Kaffee und Plätchen in Hochstimmung. Zumal uns auch hier bald wieder Fairy-Wrens besuchen. Thinkabouts Wife schnappt sich zum ersten Mal überhaupt meine Digitalkamera mit dem 100-400mm Zoom und verabschiedet sich dann mal…



Ich bleibe derweil sitzen, lasse die Seele baumeln, lausche dem Rascheln im Wald, den fernen Geräuschen, und bin einfach nur glücklich, solche Naturerfahrungen machen zu dürfen. Bis auf einen einzigen weiteren Gast, der sein Zelt etwa 150 Meter weiter im Wald aufgeschlagen hat, scheinen wir die einzigen zu sein, die übernachten wollen. Das Geld für die Übernachtung haben wir in der Deposit-Box hinterlegt, das Klo ist nicht weit und ein Lavabo gibt es auch. Fliessendes Wasser kann ich auch ausmachen – mehr brauchen wir nicht. Es ist sogar – gemessen am gefühlten Paradies der Natur, unverschämt luxuriös, wie ich finde. Und verrückt: Ich hocke in all dieser Pracht und schreibe und lese auf dem Blackberry auch noch meine Mails. Empfang und Sendung absolut einwandfrei.
Herr, lass diesen Tag nie zu Ende gehen!
Wir kochen Pasta al Pesto mit Tomatensalat, den wir uns auf dem Rüstbrett als fürstliche Beilage servieren. Beim Kochen werden wir allerdings immer wieder unterbrochen. Während unser Hauskoala den frühen Abend wohl verpennen will, sind andere Kaliber seines Schlags sehr aktiv und turnen hoch in den Bäumen herum. Dabei staunen wir, wie gross die Tiere im Grunde sind und wie behende sie sich zu bewegen vermögen, selbst wenn die Äste dünner werden… Aber alles hat seine gesetzte Bierruhe, und wenn Du hektisch an einen solchen Platz kommst, so verlierst Du Deine Unruhe garantiert, wenn Du den Tieren fünf Minuten zusiehst…


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Dann findet es auch unser Gast Zeit, seine eigene Geschichte zu schreiben, die wir separat erzählen wollen (nächster Beitrag, morgen), und wir verabschieden ihn mit dem letzten Tageslicht in die nahen fett grünen Wipfel der Eukalyptusbäume. Seine Krallen sind wie Steigeisen, und bei Bedarf kann er sehr behende und rassig Höhe gewinnen. Wenn sie sich strecken, werden Koalas richtig gross – und zweifarbig. Das Hinterteil ist viel heller als Rücken und Flanken.

Wir optimieren an diesem Abend auch noch unsere Zeltwohnung und schlafen erstmals auf den Sitzpolstern der Auto-Rückbank, die wir unter die Schlafsäcke ins Zelt legen. Mein Rücken jubiliert! In der Nacht bleibt es sehr warm. Ich merke davon allerdings wenig. Ein zufriedener Schlaf nach einem der schönsten Tage meines Lebens hält mich von allen irdischen Wahrnehmungen fern…