Reflexionen

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Australien 2007 - Tag 5

∞  1 März 2008, 18:53

Erlebt am 28. Oktober 2007 – von Traralgon nach Apollo Bay

Eine unvergessliche Begegnung


... an einem Ort, an dem wir gar nicht sein sollten…


Wir werden noch mehrfach auf dieser Reise durch andere Lebewesen geweckt werden, aber was wir heute erleben, wird einmalig bleiben. Es ist fünf Uhr morgens, als Thinkabouts Wife beschliesst, sich die Haare zu waschen. An Schlaf ist für sie nicht mehr zu denken. In der Nähe des Caravanparks gibt es offensichtlich einen kleinen Flugplatz für Leichtflugzeuge. Das sind die Erdenbürger, die mit so was ähnlichem wie einem Deltasegel auf dem Rückengestell, einem Kleinmotor unter dem Hintern und einem Propeller am Rücken durch die Luft surren. Das hört sich so an, als hätten die Rasenmäher fliegen gelernt. Vielleicht ist ja die Thermik beim erwachenden Tag am besten? Unsere Laune ist es nicht unbedingt. Aber da unser Tag lang zu werden verspricht, nützen wir einfach die Zeit und machen uns gemütlich reisefertig – obwohl ich zugeben muss, dass ich bis kurz nach sechs Widerstand geleistet habe…
Um acht Uhr fahren wir ab. Thinkabouts Wife führt mich ohne Fehler und ohne die kleinste Unsicherheit wie ein Navigationssystem aus Fleisch und Blut durch die ganze Stadt, die in ihrer Flächenausdehnung die grösste der Welt ist.
Beeindruckend erscheint mir – bei aller Konzentration – vor allem die mächtige, langgezogene West Bridge, die einen ganzen Stadtteil überbrückt.
So erreichen wir Geelong ohne besondere Aufregungen. Was für ein Gegensatz ist der hier der Küste entlang verlaufende malerische “Scenic Drive” zur Grossstadthektik, in der wir eben noch wie im endlosen Strom mitschwammen!
Geelong ist ein übersichtliches, farbiges Städtchen, das uns zu einem kleinen Spaziergang einlädt – und zu einem ersten Picnic am Strand.


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Der Strand in Torquay, an dem sich oft Wellenreiter tummeln sollen, liegt verlassen da. Es ist noch nicht wirklich Saison, und selbst Australier scheinen so was ernst zu nehmen….
So nehmen wir mit dem Surfcoast Highway den Beginn der Great Ocean Road unter die Räder, mit einigen Spots, Aussichtspunkten an der Küste, wie sie uns nun gut 400 km lang immer wieder geboten werden dürften.
Bald stossen wir auf einen ersten Leuchtturm, den wir gar nicht unbedingt “auf der Rechnung hatten”: Split Point, inklusive verträumtem Kaffeehaus. Das rote Käppchen macht’s aus!


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Der Verkehr auf der meist relativ schmalen Küstenstrasse ist durchaus rege. Wie mag es hier zugehen, wenn Hochbetrieb herrscht?
Mit einiger Mühe finden wir schliesslich in Kennet River die gesuchte Abzweigung Richtung Sabine Falls.
Dort entdecken wir einen Kiosk und fragen lieber nochmals nach dem Weg. Als wir wieder ins Auto steigen wollen, sehen wir Touristen, denen verräterisch lange Hälse wachsen. Der Grund dafür sind Koalas in den Bäumen über uns. Die ersten, die wir sehen. Ob sie hier wild vorkommen oder angefüttert werden, wissen wir nicht. Egal. Wir geniessen es. Wer weiss, ob wir auf dem weiteren Weg Glück haben werden? Und auf dem Boden sucht ein Königssittich-Päärchen nach Futter. Australien und seine Papageienarten…


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Wir fahren zu den Sabine Falls, auf einer sanften Offroad-Strecke. Ein stiller Frieden liegt in den lichten Bäumen, der Verkehr der Küstenstrasse ist weit weg… Wir nehmen es so gemütlich, dass uns zwei weitere Koalas nicht entgehen. Und die sind nun wirklich “wild”, fern ab der nächsten Siedlungen. Schön, dass sie sich auch bewegen, kaum nähern wir uns. Sie mustern uns neugierig, ohne jede Furcht, von einer Gelassenheit durchdrungen, die uns Getriebenen schon fast wie eine Provokation vorkommen muss…


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Nicht so glücklich sind wir als Pfadfinder. Da reicht unser Talent offensichtlich nicht aus… Den Parkplatz zu den Sabine Falls finden wir zwar, aber es scheint uns, dass der letzte Tourist vor Monaten hier war, und die Rundwanderung ist 2,5 km lang – darauf sind wir gerade nicht so erpicht.
Als hätten wir es geahnt, wird die Weiterfahrt schwierig. Wir erreichen Kreuzungen mit Ortstafeln, aber ohne Richtungsangabe, und da wir nicht genau wissen, wo wir uns befinden, hilft es auch nicht so sehr, sollte man die Schilder richtig deuten, wenn man sich eher nach Apollo Bay oder Richtung Lorne begibt, wenn man eigentlich nach Beauchampfalls möchte…
Schliesslich haben wir die Orientierung so gründlich verloren, dass wir froh sein können, auf einer Farm auf drei Männer zu treffen: Vater, Sohn und Enkel sind auf dreirädrigen Bikes unterwegs, begucken sich unser für diese Strecke dürftiges Kartenmaterial und lassen sich dabei aber überhaupt nichts anmerken. Es gibt wirklich höfliche Menschen!
Wir erfahren, dass es gar keinen Weg nach Beauchampfalls gibt, weil die C159 beschädigt und gesperrt ist, weshalb es das beste ist, zurück an die Küste auf die Ocean Road zu fahren. Nach diesem Gespräch wissen wir wenigstens wieder, wo wir sind, und in der Folge können wir uns an der Himmelsrichtung zur Küste orientieren.
Während Thinkabouts Wife die Karte studiert, um einen Campingplatz für uns zu finden, lasse ich Arli21 Richtung Küste zockeln, als ich plötzlich direkt auf der Strasse anhalte. Meine Frau schaut mich an und fragt: “Warum fährst Du nicht weiter?”
Ich sage: “Darum!” und deute nach vorn. Sie sucht die Büsche am Strassenrand ab.
“Nein, schau nach vorn, auf die Strasse!”
Denn da sitzt ein Koala-Weibchen auf allen Vieren und schaut uns mit (für einen Koala) grossen, staunenden Augen an. Ich steige aus. Die Koaladame bleibt sitzen. Ich fotografiere. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie gefragt hätte, ob ich fertig sei, bevor sie sich zu bewegen beginnt. Jetzt sehen wir, dass sie ein Junges hat, das sich an ihrem Bauch festkrallt. Langsam läuft sie zum Strassenrand. Während rund zehn Minuten können wir beobachten, wie sie sich langsam in die Krone eines Eukalyptus-Baumes zurück zieht, sich immer wieder verwundert nach uns umsehend.


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In Apollo Bay finden wir einen Campingplatz, der direkt hinter einer bewachsenen Düne am Meer liegt. An der Ocean Road ist zwar alles ein bisschen teurer, aber nicht unbedingt besser im Schuss (das leidige Salz in der Luft…). Mal abgesehen von ziemlich abenteuerlich anmutendem Schrott, der ganz offensichtlich gelagert wird, weil er noch zu was gut zu sein scheint, auch wenn ich nicht die Bohne von Ahnung habe, wofür, ist es durchaus gemütlich, und das Paar, das den Campingplatz schmeisst oder be-sitzt, ist auch noch nett.
Wir fühlen uns nach diesem ereignisreichen Tag ziemlich zerzaust, dazu passt der Wind, der ein wenig zu sehr an den Kleidern zerrt. Dennoch geniessen wir einen herrlichen Avocadosalat mit Nachos-Chips bis zum Abwinken (Avocados sind von den Göttern erfunden worden, da bin ich überzeugt) – und zuvor einen Strand-Höck beim letzten Sonnenschein.



Offensichtlich macht sich Thinkabouts Wife Vorhaltungen zur heutigen Planung – und also Vorwürfe, weshalb nicht alles geklappt hat – während ich heilfroh bin über alles, was klappt und so ist, wie wir es uns vorgestellt haben. Es folgt eine längere nicht so erspriessliche Diskussion über den Sinn des Planens – und eine sehr spriessliche Vermittlung meiner absolut tief verankerten Überzeugung, die beste Frau der Welt zu haben. Dass die Vorsehung uns manchmal irreleitet, lassen wir uns im Grunde ja sehr gern gefallen, wenn Begegnungen wie heute der Grund dafür sind!
Schlafen lege ich mich dann mit ein paar Gedanken an unsere Nachbarn: Zwei junge Europäerinnen mit einem VW-Bus. Immer wieder fällt uns auf, dass die ganz jungen Tramper mit knappem Budget oft ziemlich verschlossen wirken und sich mehr duch die Pampa schleppen, als dass es den Eindruck machte, sie könnten es auch geniessen. Besonders kontaktfreudig sind sie in jedem Fall nicht. Aber wir sind natürlich auch relativ alte Guetzli für jene Typen, die, kaum sind sie dann wieder zu Hause, definitiv die Welt erobern werden.