Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Australien 2007 - Tag 30

∞  9 Februar 2009, 21:02

Erlebt am 22. November 2007 – Vom Eco Park CP (Valley Of The Giants) in den Shannon National Park

Im Schutz der friedvollen Riesen



O Mannomann, habe ich heute Schwierigkeiten, meinen Motor anzuwerfen… Dabei haben wir erstaunlich gut und vor allem sorglos geschlafen, auch wenn es zum Morgen hin empfindlich kühl wurde. Die Aussenhaut des Zeltes liegt dann auch direkt auf der inneren Membran auf, und es ist eindeutig deutlich weniger Platz da, um sich anzuziehen… Die nasse, traurige Hülle werde ich in die Originalhülle packen. Wir trocknen es dann bei nächster Gelegenheit. So als letzte Amtshandlung…
Ich mache Frühstück. Mich zu beobachten, muss sein, als würde man sich einen Film über einen Schlafwandler in Zeitlupe ansehen…
Aber dann sitzen wir in unserer offenen Küche, die nur aus der aufgeklappten Hecktür, Klapptisch und Klappstühlen besteht, und schmieren uns die süssesten und fettesten und dicksten Gummiknautsch-Weissbrotscheiben, die diese Reise bisher überhaupt gesehen hat, und das Leben verspricht einfach grossartig zu bleiben – unter nichts als blauem Himmel und einem ruhigen Tag vor uns.
Beim Verlassen des Camps fahre ich sehr langsam am Haus des Betreibers vorbei. Ich denke dabei an die Bilder “seiner” winzigen Possums, von denen ich schon weiss, dass sie bestimmt sehr gut geworden sind. Irgendwie ordne ich diese Bilder diesem alten Mann zu, verdanke sie still für mich. Kein anderer Campvermieter hat uns auf der Reise so innig die Liebe zu seinem Boden vorgelebt und die Freude verkörpert, seine Gäste informieren, lehren und versorgen zu dürfen.


Dann hat uns die Landstrasse wieder. Unser Ziel heute ist noch ein wenig offen. Erst mal fahren wir noch zum nahen Aussichtspunkt, dem “Hilltop Lookout”, wo man auf die Wasserinseln zwischen Nornalup und Walpole sehen kann.
Er liegt auf dem Weg zum “Giant Tingle Tree”, dem Vernehmen nach der älteste Eukalyptus-Baum der Welt… Und gerade klein ist er auch nicht… Um den alten Riesen ist ein wunderschön gestalteter Rundweg angelegt, und die gute Erschliessung und Begehung rund um den Riesen mit einem Umfang von 25 Metern (!) hilft mit, dass man der Natur hier sehr achtsam begegnet. Der ganze Wald ist – sprichwörtlich – ein Riesenerlebnis.




Der Tag ist voller Frieden, beinahe menschenleer sind alle Orte, und die Riesen schliessen uns in ihre Mitte ein. Am Trail Of The Three Giants, der an drei komplett parallel zu einander stehenden Eukalyptus-Riesen vorbei führt, ruht unser Blick minutenlang über dem Circular Pool, dessen Wasser jenseits der Strömung tief dunkelblau zum Stehen kommt, nichts mehr als ein Spiegel, der die leuchtenden Farben des Waldes noch kräftiger zurück wirft.




Der Weg zum Shannon National Park ist nicht weit. Und auch dieser Park hält etwas ganz Besonderes für uns bereit: Einen sehr leicht befahrbaren Drive durch den Wald – 22 Kilometer mit höchstens dreissig km/h – und Stopps, wo auch immer uns danach ist.




Und manchmal muss man einfach halten: Unvergesslich der Abschnitt, in dem uns aus den Tiefen des Waldes unzählige Blüten der Flaschenputzersträuche ihre Kelche entgegen strecken. Picnic in einem solchen Wald – das ist wie eine Andacht.




Schon am frühen Nachmittag beziehen wir unseren Rastplatz, der in einem dunklen Waldstück liegt und uns für den Rest des Tages Blätterrauschen, sicheren Schatten und Vogellaute verspricht. Auf der Anhöhe am Waldrand sind Wohnwagen in der Sonne auszumachen, der Ranger aber lässt sich nicht blicken. Das Zelt ist trocken und definitiv eingepackt verstaut. Dieses Kapitel ist abgehakt.
Wir haben Lust auf eine Wanderung. Hier soll es Quokkas http://de.wikipedia.org/wiki/Quokka geben. Das sind furchtbar putzige Tierchen, wie Thinkabouts Wife versichert, was nur so viel heisst, als dass sie ganz bestimmt Fell tragen. Ich liebe meine Frau für ihre Tierliebe und lasse mich dafür überall hin mitschleppen. Wir sehen die Kerlchen dann allerdings nicht. Es dürfte noch zu früh für sie sein um vier Uhr nachmittags. Der Wanderweg aber erlaubt die gefahrlose Pirsch durch ein höchst exotisches Stück Wald – ohne Bedrohung, aber doch mit dem Gefühl, hier nur Gast zu sein, wandern wir langsam zu einem Fluss, der an dieser Stelle sich zu einem See verbreitert und beruhigt. Er hat fast keine Strömung und spiegelt die Baumreihen an seinem Ufer wieder. Ich weiss nicht, ob ich sonst wo je in Australien eine Tafel gesehen habe, die das Fischen verboten hätte. Hier gibt es sogar das, und das will wirklich heissen: Psst, hier bist Du nur Gast.




Auf dem Rückweg ist ein schwarzer Kakadu nicht zu überhören. Diese grossen und riesigen Vögel können sich aber ganz schön unsichtbar machen, wenn sie in grosser Höhe in den Bäumwipfeln hocken. Und der kleine schwarze Vogel mit der feuerroten Brust ist auch da, um uns rechtzeitig aus dem Waldstück zu verabschieden. Den grossen Campplatz werden wir uns mit einem einsamen Biker teilen, der keinen grossen Wert auf Gesellschaft zu legen scheint. Auch recht. Für mich Gelegenheit, unseren Land Cruiser noch anders auszurichten, damit wir eine möglichst ebene Liegefläche für die Nacht bekommen. Die Bäume stehen so weit auseinander, dass ich hier in weitem Bogen am Hang vorwärts fahren kann, aber das Auto dürfte in der Kurve durch seinen Hochbau schon ein wenig schepps wirken… Auf jeden Fall fuchtelt und schreit Thinkabouts Wife draussen wild durcheinander, auch wenn sie ganz allein ist und sieht mich wie die Walnuss auf der Meereswoge kentern… Manchmal muss man sich gegen die wehklagenden Kräfte der Angst mit rauher Grobheit einfach durchsetzen, sonst breiten sie sich nur noch weiter aus. Und das tue ich dann auch und gebe so viel Gas, dass das “Cruisen” am Hang nur kurz dauert, und ich wähle die Kurve so, dass die Fliehkräfte, wenn schon, dann hangaufwärts wirken… Aber was will ich meiner Frau Physik erklären, meint sie mit Recht. Ihr stichhaltiges Argument: Ich müsse mir das ja selbst nicht von aussen ansehen…

Und mit viel Liebe und Respekt denke ich daran, wie sie mit mir auf die Tree Tops mitgekommen ist. Mutig sein, ist keine Kunst, wenn man keine Angst kennt. Aber der oder die, welche eine echte Hemmschwelle zu überwinden vermag, hat meinen allergrössten Respekt. Um so schöner, dass der Juckreiz, der sie so lange so heftig gequält hat, etwas nachgelassen hat.

Das Klima hier ist sehr freundlich. Noch um zehn ist es warm, dass man draussen sitzen könnte im Kerzenschein. Kein Wind, keine Hitze. Aber leider Moskitobiester. Also ab ins Innere. Und das haben wir nun erstmals so eingerichtet, dass ich unten schlafe. Das Gerödel ist dadurch viel grösser, dafür haben wir beide mehr Platz – und bis wir das Auto abgegeben haben, sind wir bestimmt auch hierin perfekt organisiert!