Reflexionen

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Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Australien 2007 - Tag 23

∞  24 November 2008, 21:57

Erlebt am 15. November 2007 – Von Southern Cross nach Hyden (Wave Rock)

Erstarrte Urgewalten



Wir gönnen uns einen gemütlichen Start in den neuen Tag und machen uns dann auf der Emu Fence Road auf Richtung Hyden.
Die Strasse ist auf unseren Unterlagen zwar als Track eingetragen, aber es handelt sich dabei viel eher um eine ungeteerte Autobahn. Die Fahrt ist also unproblematisch und wir kommen viel schneller voran, als wir gedacht haben. Die letzten 50 Kilometer sind dann sogar asphaltiert.

Seit der Pannenserie nehmen wir es bewusst etwas gemütlicher und geniessen das sehr. Ein Hindernis sind wir deswegen kaum. Hinten kommt kein einziges Auto nach, ausser wenn wir Pause machen, und den ersten Gegenverkehr verzeichnen wir nach 54 Kilometern…




Stumpy Tails, Tannzapfenechsen, haben wir zwar zuvor schon gesehen, aber nun treffen wir sie mitten auf der Strasse an. Sie bewegen sich in aller Regel sehr langsam vorwärts, und bei Gefahr verharren sie meist unbeweglich. Unter Umständen schaffen sie sich mit einem Fauchen Respekt, aber wir können diese Tiere heute mehrmals in aller Ruhe in Augenschein nehmen.




Dennoch sind wir schon um Zwölf auf dem Zeltplatz, der direkt am Wave Rock liegt.
Die Lobby ist schön schattig und lädt zu einem kurzen Päuschen ein.

Reiseführer wie örtliche Hinweistafeln preisen einen sog. “Wave Rock – Walk an”. Leider ist die Beschilderung nach wenigen hundert Metern vorbei, oder wir übersehen es schlicht, auf jeden Fall ist es uns zu blöd, umzukehren, um vielleicht danach in der anderen Richtung genau so im Salat zu landen. Und überhaupt ist diese in Stein gehauene Welle nicht zu übersehen und so faszinierend, dass uns das vorerst mal herzlich egal ist. Beeindruckend, wie glatt das eigentlich sehr grobkörnige Gestein ist, so dass man die grösste Mühe hat, auch nur ein bisschen in der Welle stehend aufrecht bleiben zu können.




Wir sind ganz “hin” und finden, da können wir ja auch gleich hier weiter gehen, müssen dann aber feststellen, dass sich der Rücken des Wave Rocks gar nicht so leicht begehen lässt und suchen die sichere Variante am rückwärtigen Fuss des Felsens. Und da hat es dann auch auf einem schönen Stück Wiese ein Schild, wie wir aus der Ferne erkennen können. Das wird uns sicher wieder den Weg weisen.
Als wir näher kommen, ist die Pleite total: Das Schild ist kein Wegweiser, sondern die Tafel eines Golfplatz-Greens: Wir befinden uns am Loch 14…
Also das Ganze kehrt und mehr oder weniger so zurück, wie wir gekommen sind…




Eher zufällig finden wir dann auch Hippo’s Yawn.


Der Felsen bildet eine Höhle, die sich wie das Maul eines riesigen Flusspferds öffnet. Thinkabouts Wife versucht, ihm das Maul aufgesperrt festzuhalten, aber das will nicht so recht gelingen, und überhaupt lässt sich das Ungetüm nicht so richtig fotografieren…
Die frühe Nachmittagszeit, also mit die heisseste Zeit des Tages ist so richtig der passende Moment, um in offenem Gelände einen Spaziergang um einen Salzsee zu machen: Unwirklicher könnte einem die Landschaft gar nicht mehr vorkommen, die Farben sind grell, satt und reflektieren das Licht in die Augen blendender Intensität. Ein ganz besonderes Erlebnis. Und hier, an diesem See entsteht ein Edel-Resort für Wochenend-Touristen… Es lässt sich an diesem Ort ganz bestimmt lecker Party feiern – wenn die Sonne untergeht und noch später…




Wir wandern zurück zum Caravan-Park, kommen an einem kleinen Tierpark vorbei, in dem zwei Schwarze Schwäne mit der Schönheit der stillen Melancholie an uns vorbei gleiten. Zu diesem besonderen Ort gehört – natürlich – ein Tourismuszentrum, und das hat ein Selbstbedienungs-Café. Mit, o Wunder, richtigen Stühlen und Tischen aus Holz, viel wildwestmässig angehauchtem Firlefanz in der Deko und im angrenzenden Tourismusladen – und mit einer Auslage im Café selbst, die uns schon ziemlich ratlos bleiben lässt: Die Auslage enthält Dinge, die uns entweder zu lebendig scheinen – oder zu lange tot… Randensalat, der schon auswässert, eingetrockneter Schinken, so faltig wie meine Haut hoffentlich nie wird, und Käsescheiben, die sich längst rollen, obwohl sie niemand darum gebeten hat…
Für besonders Mutige wäre da noch Nudelsalat im Angebot, natürlich mit irgendwann selbstgemachter Mayo…
Das alles gab es offensichtlich auch schon gestern. Vielleicht liegt es daran, dass das “Lokal”, das ja mehr das Businessmodell eines Shops mit angefügtem Kleinsttier-Terrarium zu sein scheint, schon um fünf Uhr, also lange vor der Essenszeit, die Pforten schliesst? Zwischensaison eben. Ich will nicht unken, nur weil ich zur falschen Zeit hier bin.

Wir graben also aus unseren Taschen – Früchtekuchen! Denn endlich haben wir ihn gefunden, beim letzten Einkauf im Supermarkt, das nie austrocknende, süsse, saftige Stück Nervennahrung, das aus Cellophan geschält wie von selbst zwischen unsere Zähne will. Herrlich. Plötzlich sind so viele Erinnerungen wach an unsere Erkundung der Westküste vor zehn Jahren.

In einer Ecke bei der Reception steht eine Internetstation, und so entscheide ich, mal mit der “Redaktion” zu Hause Kontakt aufzunehmen. Es gelingt. Allerdings ist die Gummitastatur sehr ungewohnt für mich, und die einzelnen Tasten haben einen so unterschiedlichen Anschlag, dass es kaum möglich ist, ein einziges Wort auf Anhieb richtig zu schreiben. Am Ende sieht meine Nachricht aus, als würde ich mitten aus einem Vollrausch heraus versuchen, einen Text zu schreiben.

Egal. Danach schauen wir uns noch ein wenig die Auslagen im Zentrum an. Wave Rock auf alle Arten. Tassen, Kalender, Bücher, Karten. Immer die prächtigsten Farben, mit dem Photoshop-Kübel ausgegossen, wie es scheint…

Ich war gespannt, wie der Felsen im Abendlicht wirken würde, aber er liegt sehr früh im Schatten. Zudem vermute ich mal, da war ich auch schon ein wenig durch die Photoshop-Romantik im Touriladen verdorben. Im Nachhinein gefallen mir die Aufnahmen sehr wohl, und sie geben die beeindruckende Dimension des Felsens sehr gut wieder.




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Der Artikel wird in einigen Tagen in die Sektion GEREIST verschoben.