Reflexionen

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Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Australien 2007 - Tag 22

∞  10 November 2008, 22:25

Erlebt am 14. November 2007 – Von Kambalda nach Southern Cross

Schöne Grauslichkeiten unter heisser Sonne



Als wir uns um unser Frühstücks-Tischchen müffeln, gesellt sich unser Nachbar zu uns. Da er weiss, dass wir gen Westen ziehen und unser Endziel Perth ist, schenkt er uns einen Stadtplan – sowie einen Ortsplan von Esperance. Alle wollen uns immer wieder in die Küstenstadt Esperance schicken. Es soll dort die schönsten Strände überhaupt geben. Aber wir sind nun mal keine Badenixen und werden über Land fahren. Jawoll. Wir machen uns allerdings nicht auf, ohne dem netten Herrn den nächsten Fund von 10g Gold zu wünschen oder gerne auch mehr, was er mit einem gemütlichen Lächeln beantwortet. Der Mann ist die personifizierte Gelassenheit, und es scheint ihm ganz gelegen zu kommen, dass er sich erst mal um seine defekte Anhängerkupplung kümmern kann. Ihm wird keine Zeit mehr weg laufen.
Als erstes aber tuckern wir auf den Aussichtsberg, von dem man einen weiten Blick über das Schürfgebiet um Kambalda hat. Die Landschaft bietet ein prächtiges Farbenspiel – aber auch ein sprichwörtlich in Stein gehauenes beklemmendes Vermächtnis für die Ausbeutung der Erde durch den Menschen. Riesige Landstriche präsentieren sich wie der Untergrund eines Meeres, das sich zurück gezogen hat – oder verdunstet ist. Dieser Gedanke ist gar nicht so weit her geholt, denn es muss hier brutal heiss werden im Hochsommer, wenn heute schon in den frühen Morgenstunden nichts so munter ist wie die ungezählte Schar dieser schon bekannten aggressiven schwarzen Fliegen, die sich sofort in die Augen- und Mundwinkel setzen, so dass man das Gefühl bekommt, endlich das Schicksal von Schweizer Kühen auf der Sommerweide würdigen zu können… Dagegen wehren wir uns mit Fliegennetz – und baldiger Weiterfahrt.




Unseren ersten Boxenstopp legen wir im pittoresken Städtchen Coolgardie ein. Das Nest besteht aus zwei Häuserzeilen beidseits der Hauptstrasse. Wie an einer Kette aufgereiht wirken die Gebäude ein bisschen wie eine Filmkulisse. Stumm starren sie sich über eine absurd breite Strasse hinweg an. Die Strasse ist wirklich so breit, dass gleich drei Roadtrains problemlos miteinander kreuzen könnten. So breit die Strasse, so klein das “Kaffeehaus”, aber es hat sogar so was wie ein kleines Gärtchen und einen Alternativvorschlag zum nicht vorhandenen Devonshire Tea in Form eines selbstgebackenen Cakes, der so frisch ist, dass er durch das Cellophan hindurch seine Feuchtigkeit beweist. Das Ding schmeckt dann auch ausgezeichnet (ohne Cellophan). Manches Gebäude wirkt so heraus geputzt, dass man sich unwillkürlich fragt: “Und für wen die Mühe?” Andere Einheimische scheinen darauf auch keine Antwort zu finden und lassen dem Charme des langsamen Verfalls durchaus seinen Willen.
Und so ist Coolgardie so was wie eine Relaisstation zwischen zwei Zielen. Hier kommt man hin, um gut und sicher weiter reisen zu können – und doch bleiben hier ganz offensichtlich immer mal wieder Menschen hängen.


Ansonsten ist es heiss auf der Fahrt, auf jeden Fall heiss genug, um ahnen zu lassen, dass das nur ein Vorspiel ist, bevor es in ein paar Wochen einfach mörderisch heiss sein wird. Trocken ist es dabei schon lange. Hier wie auf der ganzen Reise klagen die Menschen über die Trockenheit.

Ich sitze im Roadhouse von Yellowdine vor einem Milchshake mit sehr viel Eis und in einem Raum mit noch mehr Klimaanlage, und denke still über den kleinlichen Frust nach, mit dem wir manchmal zu Beginn der Reise kämpften, wenn wir durch den Regen fuhren. Dass das “bisschen Regen” zudem nirgends wohin reicht und den Menschen mehr wie eine Verhöhnung als wie eine Milderung der Not erscheint, konnten wir immer wieder anhand der Vegetation beobachten.

Auch unser Zeltplatz in Southern Cross hat dieses Jahr schon viele heisse Tage gesehen. Der Boden ist beinhart. Die Zeltschnüre wickeln wir um schwere Steine, die wir heran rollen. Und da steht es dann, unser Zelt, und wärmt sich auf…
Wir sind einmal mehr froh um die Fliegennetze und hoffen, dass die zwei hässlichen Gesellen im Stromkasten sich morgen wo anders wohler fühlen, bevor wir wieder rein langen und den Stecker ziehen müssen… Es soll sich um Mäuse-Spinnen handeln (Mouse-Spider), und ihr Biss sehr schmerzhaft sein… Na, das ist ja mal was Neues in Austalien.




Im Städtchen finden wir in die Schulbibliothek, die auch so was wie eine Dorfbibliothek ist, die Internet-Anschlüsse anbietet. Da werfen wir dann mal einen Blick in unsere Mail-Accounts und auf die Blog-Seite – und freuen uns an den Kommentaren und an der Verbundenheit, von der wir nach drei Wochen gerne eine Prise nehmen. Erklärt wird uns der Service von einer deutschen Studentin, die es ausgerechnet hierher für eine dreimonatiges Praktikum verschlagen hat. Die Welt ist ein Dorf und Southern Cross ist ein Teil davon.
Dazu passt, dass wir, zurück auf dem Zeltplatz, feststellen, dass wir Nachbarn aus dem Aargau gekriegt haben. Vater macht Ferien vom Business und zeigt der Familie vier Wochen lang, wofür Daddy so malocht, das ganze Jahr, oder wohl eher die ganzen letzten Jahre. Immerhin scheint er es zu geniessen und akut nichts zu vermissen vom wirklichen unwirklichen Leben. Und der Caravan für die ganze Familie bietet durchaus einen gewissen Komfort.


Auf einem kleinen Streifzug entlang des Zeltplatzes gelingt es uns dann endlich, die prächtigen Halsband-Sittiche zu fotografieren. Was für prächtige Tiere!
Dann bereiten wir uns einen Reissalat zu und bekommen zur Mahlzeit ein ganz besonderes Schauspiel geliefert: Mit der Abenddämmerung und dem Sonnenuntergang zieht ein Gewitter auf, das sich schliesslich in beinahe stummen Blitzen entlädt. In einem Fall bildet ein Blitz gar einen sich schliessenden Kreis. Ein “Kugelblitz?”.
Wir sehen Regenwolken aufziehen. Der Wind frischt auf, wird richtig aggressiv. Wir spüren auch ein paar Tropfen, sind überzeugt, dass es gleich schütten wird. Doch nichts geschieht. Es scheint, als würde das ganze Nass über dem Boden schon wieder verdunsten. Zwei Stunden später, ja noch am nächsten Morgen haben wir das Gefühl, die Luft wäre noch weitaus trockener als zuvor. Gewitter im Outback – oft eine unerfüllte Hoffnung für die Natur.



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Der Artikel wird in ein paar Tagen in die Sektion GEREIST verschoben.