Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Australien 2007 - Tag 21

∞  26 Oktober 2008, 19:28


Erlebt am 13. November 2007 – Von Balladonia nach Kambalda (Caravan Park)

Arbeiten in der australischen Hitze



Der Untergrund des Caravan Parks in Balladonia dürfte schon lange nicht mehr aus Gras bestehen, und wenn es windet, wird der Wind wohl durch alle Ritzen dringen… Doch die Nacht ist milde und ruhig. Unsere netten Nachbarn erkundigen sich auch sogleich, wie wir geschlafen haben und so setzen wir uns bereits moralisch gestärkt an unser Frühstücksklapptischchen, die fruchtigen Müsli als wohlschmeckende Energiespeicher vor uns wie das Versprechen auf einen gelungenen Tag. Und kaum beginnen wir zu essen, lösen sich Schatten aus dem nahen Wald, und zwei Kängurus hüpfen recht zielstrebig über den ganzen Platz auf uns zu. Natürlich sind wir nur die Touristen X und Y in einer ungezählten Menge an möglichen Naschgelegenheiten. Aber die paar Rosinen, die wir für sie haben, reichen aus, dass sie uns die ganze Zeit über Gesellschaft leisten, und die zarte Behutsamkeit und offene Zutraulichkeit, mit der sie sich uns widmen, erscheint uns wie eine engelsgleiche Weissagung, dass auch heute alles gut gehen wird.




Unsere Glücksbringer rühren uns ans Herz, und wir nehmen das Glück, das diese den menschlichen Feinsinn berührenden Tiere anbieten, mit auf unsere Reise, für deren Gelingen wir nun überhaupt keine Bedenken mehr haben. Omen, Zeichen, Glücksbringer – wer zwischen zwei Punkten in der Ungewissheit verbleibt, sucht und findet Halt in einer Art Vertrauen, die jenseits aller Technik und jedes Hilfsmittels in sich selbst ruhen soll.


Und für so manchen Road Train ist Technik noch sehr viel entscheidender als für uns…
Die Strecke nach Norseman ist auf sicher achtzig der zweihundert Kilometern eine Baustelle: Die Strasse wird stellenweise verbreitert oder geteert, und die Strassenarbeiter, arbeiten mit schweissgetränkten Hemden oder nackten Oberkörpern, haben alle breitkrempige Hüte auf – und keiner ist zu sehen, der nicht ein engmaschiges Fliegennetz trüge – die aggressiven Viecher sind also auch hier allgegenwärtig… Die Strasse verläuft denn auch durch viel Buschwerk, und wie ich bei meinem ersten Radwechsel erfahren musste, hausen die Mistviecher darin ganz offensichtlich besonders gern.

Auf jeden Fall fahren wir statt auf Teer meistens auf Schotter, was für die Reifen natürlich die viel höhere Belastung darstellt… Dafür wäre bei einer Panne doch einiges schneller jemand zur Stelle, trösten wir uns. Aber die Fahrt verläuft ohne das geringste Problem, so dass wir schon vor elf Uhr in Norseman ankommen, die Werkstatt auch finden und dort feststellen dürfen, dass uns Bruno tatsächlich schon angemeldet hat.

Die Werkstatt scheint gut ausgerüstet, und die Mechaniker arbeiten an drei Aufbock-Stationen ohne Unterlass. Wir müssen etwas warten, und nach kurzer Zeit wische ich mir den Schweiss von der Stirn. Meine Frau deutet auf ein Thermometer: Es ist um halb zwölf Uhr 35 Grad in der Werkstatt, obwohl die Garagentore hoch gefahren sind und der Platz davor im Schatten liegt…
Die Mechaniker scheinen unberührt und arbeiten mit ruhigen Bewegungen sehr konzentriert. Die aufgebockten Vehikel sind dabei in sehr unterschiedlicher Form… Ein kleiner Geländewagen hat eine von Rost grossflächig angefressene Karosserie, und als der Fahrer die Tür öffnet, sehe ich, dass die ganze Innenverkleidung der Türen fehlt und unzählige Kabel aus dem Armaturenbrett ragen – BEVOR die Mechaniker die Arbeit angefangen haben… Doch auch dieser Besitzer hat in erster Linie nur Sorge um das Fahrgestell des Wagens, Achsen und Räder. Der Rest ist wie die Beilage auf dem Teller – so unwichtig wie das Gemüse zum Fleisch.

Der Werkstattchef persönlich kümmert sich dann um unseren Patienten. Der Schlauch vom Picknick-Platz ist tatsächlich “Shit”, wie er trocken meint. Die restlichen zwei Schläuche, die wir auch austauschen lassen, wären scheinbar dann in Ordnung gewesen – aber sicher ist sicher. Am Getriebekasten ist eine Mutter lose und eine zweite fehlt. Das wird behoben und neues Öl in den Block gepresst.

Als wir um halb zwei losfahren können, ist es noch deutlich heisser geworden, und ich muss an die Strassenarbeiter vor Norseman denken, während die schwitzenden Mechaniker uns knapp nachwinken.

Wir haben just für diesen Zeitpunkt einen möglichen Auslasstag eingeplant und ziehen den jetzt auch ein. Gewählte Route und verlorene Zeit lassen uns ohne Hast nach Kambalda fahren, wo wir schon um vier auf dem Camping-Platz eintreffen. Kambalda ist eine Minenstadt, und der Campingplatz beherbergt entsprechend individualistisch geprägte Menschen mit wenig Bedürfnis nach Komfort. Viele Menschen wohnen hier für eine ganze Saison, Wanderarbeiter also, oder Menschen wie unser Nachbar an diesem Tag, ein frühpensionierter Australier, der sich nun dem Goldschürfen widmet, die Tage wie das Wasser durch sein Goldsieb rinnen lässt und dabei ganz vergnügt zu sein scheint. Er hat auch schon was gefunden, versichert er mir, und ich weiss nicht warum, aber ich glaube es ihm.

Für einen Gang zum nahen Aussichtsberg ist es uns entschieden zu heiss, also geht Thinkabouts Wife duschen, und ich schlendere über den Platz, halte da und dort einen Schwatz, mache die Bekanntschaft mit Dauermietern, drei Australiern und einem Neuseeländer, wobei letzterer scheinbar stoisch seit Monaten die Neckereien der Einheimischen erträgt. Alle Vier pflegen das gleiche Hobby: Sie füttern die Galas hier an und haben ihnen ein abenteuerliches, sehr futuristisches Klettergestell gebaut, auf dessen eine Spitze ein Spielzeugauto aufgespiesst sinnlos in die Luft ragt, dessen Kurbel schon so manchen Schnabelhieb abbekommen haben dürfte. Zur Installation gehören natürlich die australische Flagge (gross) und die neuseeländische (klein) – und das Gala-Kino wird mit Bier und hoch gelagerten Beinen genossen. Wie jeden Tag, da bin ich sicher. Ich zeige die Fotos, die ich schiessen kann, auf dem kleinen Display meiner Kamera, und die lieben Menschen sind ganz aus dem Häuschen.




Weiter wandere ich an pittoresken Vorgärtchen vorbei und staune über so manche Umgebungsgestaltung und gestrandete Zeitzeugen…




Endlich sind auch die Temperaturen angenehm. Der ideale Tag für ein kaltes Couscous mit Salaten, Melonen etc. Uns geht es gut! Noch um halb zehn Uhr abends ist es warm genug für eine kalte Dusche – der Tag endet so friedlich, wie er es am morgen uns in Aussicht gestellt hat!