Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Australien 2007 - Tag 15

∞  11 August 2008, 23:28

Erlebt am 07. November 2007 – in Willmington

Ein Ruhetag, schlussendlich



Im Zelt schläft es sich nicht leicht in den Tag hinein. Das Sonnenlicht ist in der Regel ein zeitiger Verführer (manchmal auch ein Plaggeist). Heute, an unserem “freien Tag”, dauert der Schlummer immerhin bis exakt acht Uhr acht.
Während ich Frühstück mache, sehe ich auch schon, wie sich Thinkabouts Wife über die defekte Zeltstange hermacht, um dann auch gleich im Camp-Shop nachfragt, welche Ersatzmöglichkeiten sich uns denn bieten könnten.

Wir müssen auch Bruno, den Vermieter anrufen, nicht nur des Zeltes wegen. Damit wir nichts vergessen, muss eine Liste erstellt werden. Wie hoch ist eigentlich die Kiste (zum Teil sind für Durchfahrten Maximalhöhen angegeben, und was ist mit dem optimalen Reifendruck (als würden wir schon Schlimmes ahnen…). Die Angaben dazu und zu so einigem anderem waren bei der Übergabe durch Peter mangelhaft oder gingen schlicht vergessen – oder man hätte meinen können, mit einem Töfflimech, aber sicher nicht mit einem Garagisten zu reden; und in den Manuals finden wir dazu auch nichts.

Das alles besprechen wir zwischen den Müslischalen, in denen das halbe Futter noch immer vor sich hin feuchtet. Ein wirklich relaxtes Frühstück ist das nicht…
Dann diskutieren wir Möglichkeiten, die Zeltstange zu schienen oder einen Gummi neu einzuziehen und dabei aus der Vorzeltstange ein gesundes Endstück einzubauen. Oder wir könnten die Stange schienen – oder, kruzifix vermaledeit, in Port Augusta ein neues Zelt kaufen, wie Bruno am Telefon auch sofort meinte.
Wir diskutieren trotzdem noch weiter, und ich suche eine geeignete Schiene, nachdem ich es nicht schaffe, einen Zelthäring so zu biegen und abzuschleifen, dass er nicht selbst zum Spiess für das Überzelt wird. Schliesslich verwerfen wir alle diese Übungen: Wir sind schliesslich noch fast vier Wochen unterwegs. Ein neues Zelt muss her – das kriegen wir zu vernünftigen Preisen allerdings nur in Port Augusta, Ziel geplant für in ein paar Tagen. Direkt hinfahren oder so lange im Auto schlafen?
Bis wir entschieden haben, unsere Tour wie geplant fortzusetzen und die nächsten Nächte im Auto zu überschlafen, ist es nach elf Uhr…
Und nun? Das Städtchen Willmington liegt einen Kilometer entfernt. Das Auto fahrtüchtig umbauen – wir schlafen ja jetzt drin und Küche ist es auch – lohnt dafür nicht. Die Sonne scheint. Mittag – die ideale Zeit für einen Marsch entlang einer Schnellstrasse unter offenem Himmel. Und wenn wir da sind klappen die womöglich in Willmington über Mittag die Gehsteige hoch, oder wie?
Und wir wollen doch da auch ein bisschen herumlaufen und fragen, ob nicht doch vielleicht jemand, ganz zufällig, genau so eine Zeltstange hätte, wie wir sie brauchen?
Wir können ganz schön verbissen sein, wissen Sie…
Was für ein Scheisstag. Wir hassen beide Unentschlossenheit. Um halb zwölf entscheiden wir uns zum Gang ins Städtchen, und kaum bewegen wir uns, geht es uns besser.
Und der Marsch wird zum Spaziergang! Die Sonne scheint nicht so heiss, wie befürchtet, die Strasse wird durch einen Wiesenstreifen abgegrenzt, und so schlendern wir alsbald durch eines jener unzähligen Städtchen, die wir sonst innert zwei Minuten achtlos durchfahren haben. Dabei, das kann ich ihnen sagen, ist in Willmington was los! Auch über Mittag. Am Stadtrand rosten zwar alte Vehikel vor sich hin – einen so bizarren Fuhrpark samt Rakete und Kutsche auf einem Hausdach habe ich selten angetroffen – und zu sehen ist kein Mensch.




Aber die Damen vom Bowles Club Willmington lassen Sportsgeist erkennen und volle Konzentration – bei selbstverständlich tadelloser Wettkampfkleidung.




Mit einem netten und natürlich reichlich grossen Capuccino im Bauch, in dem ein “frischer Kuchen” schwimmt, selfmade, wie er durchs Cellophan hindurch beim Servieren nochmals vom Verkäufer beschworen wurde, kommen wir zurück ins Camp.




Der Shop in Willmington hatte leider fast alles, aber nur eine Sorte Zeltstangen, die nicht passen – dafür sehr gutes Klebeband. Ich hab’s gekauft. Man weiss ja nie!
Jetzt ist unsere Stimmung prächtig. Ich verfasse einen Blogbeitrag auf Vorrat. Verschicken ist nicht möglich hier. Kein Empfang. Thinkabouts Wife wäscht sich den Pelz und hilft mir beim Kartenschreiben. Was sehr, sehr lieb ist, denn das überlässt sie sonst sehr gerne mir. Dann dusche ich auch noch rasch.
Es wird noch ein richtig geruhsamer später Nachmittag aus unserem Ruhetag, und dazu passt ein Streifzug durch den Stoney Creek, der hinter dem Caravan Park verläuft und zum Gelände gehört. Wir begegnen als Highlight einer Tannzapfenechse – erst sehen wir wirklich nur das Schuppengeflecht, das tatsächlich sehr stark einem Riesentannzapfen gleicht, doch dann entdecken wir den Kopf – und gleich danach den Körper eines zweiten Tieres darunter. Es ist ein Paar, das nicht gestört werden möchte, wie wir ja durchaus verstehen können.




Zum Abendessen gibt es Chapatis aus der Pfanne, mit Bohnen, Mais, Gurke. Bestrichen wird das ganze mit Käse “From The Laughing Cow”, wie die Australier ihre Variante des “La vache qui rit” nennen.
Es schmeckt hervorragend – der schwarz gebrannten Pfanne zum Trotz. Zum Glück haben wir gleich zu Anfang einen sehr praktischen Stahldrahtknäuel für die Pfannenreinigung gekauft.
“Feeding Possums” ist erneut ein Grosserfolg. Wählerisch werden die Viecher allerdings sehr schnell. Nach den ersten Birnenstückchen aus meiner Hand erntet Thinkabouts Wife für ihr Angebot einer Bananenschale nur noch einen strafenden Blick… Gestern noch hatten sie ihre Hälse danach lang gemacht, heute winken sie mit ihren feingliedrigen Pfötchen die Bananenschale zur Seite und grapschen nach den Birnenstückchen. Ich geniesse die Beachtung und muss sagen, die Viecher sind echte Feinschmecker.




Wir sind zufrieden und glücklich über diesen ruhigen Tag – denn genau so haben wir ihn doch noch erleben und geniessen dürfen. Und für morgen ist uns auch nicht bange. Alles ist in Ordnung.