Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Australien 2007 - Tag 13

∞  22 Juni 2008, 15:17

Erlebt am 05. November 2007 – von Mannum nach Melrose

Durch gemalte Landschaften und still stehende Zeiten



Was für ein Erwachen UND Aufstehen das ist, wenn dich ein klarer blauer Himmel begrüsst, und wenn du ans Licht krabbelst und du sogleich ins Sonnenlicht blinzeln darfst! Vergessen ist augenblicklich, was für eine harte Nacht das war, sprichwörtlich, weil mein Rücken sich anfühlt, als hätte er die Härte der Liegebank gleich angenommen und bleibend gespeichert. Ich war zeitweise so verkrampft, dass ich mich im Schlafsack kaum drehen konnte. Unseren schwachen Blasen hingegen ist es z danken, dass wir nun diese Prachtstimmung eine halbe Stunde eher geniessen können.
Absolute Stille liegt über dem Wasser. Der Morgenmuffel in mir lässt das Knurren augenblicklich sein. Ich bin hellwach – und sehr still. Die Korellas haben damit mehr Mühe und schnattern uns die Ohren voll. Dafür, dass diese Pärchen ihr Leben lang zusammen bleiben, haben sie sich jeden Morgen unerklärlich viel zu erzählen. Sie haben wohl unwahrscheinlich lebendige und komplexe Träume…




Vom Start des heutigen Tages werde ich ein Bild noch lange bei mir präsent haben: Wir fahren auf der Uferstrasse einem dichten Schilfgürtel entlang, der so hoch steht, dass wir das Wasser kaum sehen können. Als dann ein Raddampfer den Fluss hinunter fährt, ist es uns, als würde er direkt durchs Schilf gleiten.
Zum zweiten Mal setzen wir mit einer Fähre über den Fluss: Der Murray River offeriert uns einen Scenic Drive bis nach Purnong. Die Strasse bietet mehrere lohnende Blicke auf den mäandrierenden Fluss, der immer wieder kleine private Jettys mit Hausbooten umspült. Von zwei, drei Aussichtspunkten wie dem Z-Bend habe ich mir allerdings mehr erhofft. Die Ansichtskarten vom feuerroten Gestein, die wir bewunderten, wurden natürlich von Photoshop optimiert – und jetzt, mitten am Tag, ist das Licht einfach zu grell und die Luft zu wenig klar.




Nach Swan Reach führt die Strasse weg vom Murray River, durch immer wieder neue Weingebiete. Und da sind meine violett gefärbten Blütenwiesen. Die Intensität der Farben ist enorm (kein Photoshop!). Mir entfährt noch aus einem anderen Grund immer mal wieder ein glücklicher Seufzer: Es sind die Wächter am Strassenrand, pittoreske Gesellen, oft von knorriger Gestalt: Meine Bäume…


So weitet sich die Landschaft, breitet sich aus, als gäbe es kein Sorgen, bis wir Mintaro erreichen: Ein altes, verwunschenes Städtchen mit vielen geschichtsträchtigen Gebäuden, in denen die Zeit festgehalten wird – und mit der Weinhandlung und –schenke “Reilly’s Wines”, wo auf einer prächtigen, von Rosen umrankten Terrasse nicht nur Wein angeboten wird, sondern vor allem ein Devonshire Tea, der genau so ist, wie es gute Nervennahrung sein soll: Frisch gebackene Scones mit Rahm und Honig, einfach lecker; mit Capuccinos, die wie Capuccinos schmecken, und zwar die ganze gigantisch grosse Tasse lang… Der Wirt weiss, wie exklusiv sein Angebot ist, aber ich habe noch nie so gerne 20 Franken für eine gross(artig)e Kleinigkeit ausgegeben.




Frisch gestärkt fahren wir weiter nach Clare. Auf dem Weg müssen wir mehrmals anhalten. Die Landschaften mit diesen violetten Blütenteppichen sind einfach atemberaubend.




Der Einkauf in Clare ist das Werk von uns Pofis: Wir versuchen auf solchen Reisen wenn möglich immer in der gleichen Ladenkette einzukaufen: Da findet man sich schneller zurecht und braucht nach kurzer Zeit auf der Suche nach den kleinen unbedingt notwendigen Dingen für ein Camper-5-Stern-Napfgericht deutlich weniger Nerven. Mit der mittlerweile ausgefeilten Checkliste geht auch kaum mal etwas vergessen, und wir arbeiten Hand in Hand.
Thinkabouts Wife übernimmt die Autofahrt bis Melrose, und ich nicke tatsächlich ein paar Mal daneben ein…
Der Melrose Caravan Park ist klein, sehr sauber und äusserst kompetent von einer sehr hilfsbereiten Frau geführt. Eine komplett ausgerüstete Campingkitchen ist perfekt, auch wenn wir sie nur für den Abwasch brauchen. Wir werden auf unserem Fleckchen Zeltplatz für uns kochen, machen uns aber zuerst auf die Suche nach den Roos (Känguruhs), die hier immer mal wieder zu Besuch kommen sollen. Wir finden Mutter Lampohr auch schon bald. Ich staune immer wieder über die ausdrucksstarken Augen dieser Tiere, und mit ihren dünnen Vorderbeinen vermögen sie sich auch am Rücken bequem zu kratzen… Unsere Dame zittert allerdings am ganzen Körper, als würde sie an diesem warmen Frühsommerabend tatsächlich frieren.




Das Flussbett hinter unserem Lagerplatz ist ausgetrocknet. So schlecht unser Wetter teilweise war, wir haben es immer wieder gehört: Für die Menschen hier wäre es ein Segen, es würde weiter regnen…
Herrlich, wenn man seinen selbst gekochten Eintopf mit Reis, Broccholi, Karotten, Peperoni und süsssaurer Chilisauce draussen, am Klapptischchen geniessen kann. Endlich wieder!
Wohl auch deswegen beachten wir den Gegensatz zu stadtnahen Campingplätzen heute besonders stark: Am Murray River und hier, auf diesem kleinen Platz, hat es kaum Dauermieter. Alle begegnen sich im gemeinsamen “On The Move – Lebensgefühl”. Allerdings scheint der Campingplatz ein “Funkloch” zu sein. Keine Nachrichten nach Hause möglich, keine SMS an Caro, unsere Rapporteurin zuhanden thinkabout.ch zu Hause. Hoffentlich erkennt sie darin keinen Grund zur Sorge. Es wäre wirklich ohne jeden Grund! Und kommt über die Havarie mit dem Roller hinweg. Von diesem Missgeschick hat uns ein gemeinsamer Freund berichtet. Die Geschicke der Freunde am anderen Ende der Welt, hautnah mitgefühlt… Die Welt ist klein geworden, und doch sind wir hier so fern aller Alltagsrhythmen. Es ist einer dieser Abende, an denen Du den ganzen Wert einer fernen langen Reise zu erkennen und auszukosten vermagst.
Ich freue mich sehr auf die Wanderung morgen, auf eine hoffentlich trockene Nacht und das Schlafen im Zelt.




Ich blicke zufrieden auf den erlebten und den kommenden Tag. Morgen werden wir nur sehr wenig Auto fahren. Die Tage nehmen nun einen leiseren und langsameren Takt an – bevor dann die langen Überführungsetappen beginnen…


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