Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Australien 2007 - Tag 11

∞  9 Juni 2008, 15:21

Erlebt am 03. November 2007 – von Robe nach Strathalbyn


Vom Überguss zum Sonnenschein



Regennächte im Zelt halten einen verheerend in sich geschlossenen Kreislauf an Ungemach für mich bereit: Seit kurz nach Mitternacht regnet es ununterbrochen. Das ständige Geräusch von fliessendem Wasser und den auf die Zeltmembran prallenden Wassertropfen wirkt über mein Bewusstsein ganz offensichtlich harntreibend auf meine Blase ein… Es ist dies eine tolle Nacht, um drei Mal für kleine Jungs aus dem Zelt zu kriechen… Die Uhrzeiten habe ich gar nicht wissen wollen. Hingegen weiss ich, dass mit dem aufhellenden Himmel, so um fünf in der Früh’, die spannende Frage langsam von mir Besitz ergriff, wie gut wohl unser Zeltchen den Wassermassen weiter trotzen würde, die Petrus uns mit dem Schüttbecher zuzuführen begann. Nicht nur, dass der Himmel nun alle Schleusen öffnete – hinzu kam ein heftiger Wind, so dass der Regen nicht nur von oben sondern abwechselnd von allen Seiten gegen das Zelt trommelte. Von Zeit zu Zeit traf ein Wassertropfen meine Stirn. Ayurveda-Relaxing für Arme, komplett gratis und ungefragt, sozusagen.

Nicht allzu lange nach fünf Uhr morgens, wir haben uns gerade zu einem gemeinsamen Pipi-Stopp ausserhalb des trauten Heims versammelt, da wird das Problem unaufschiebbar: Die natürlichen nassen Gewalten werden bis sieben Uhr nicht einfach aufhören, ihre Macht zu demonstrieren, sondern noch ganz schön länger ihren Spass daran haben.

Wir krabbeln zur Lagebesprechung wieder ins Zelt. Was denn meine Strategie wäre, fragt mich nun die beste Camperin von Allen, kaum hat sie sich wieder in den Schlafsack gesteckt. Wie ich also weiter versuche, was ich scheinbar vor Stunden schon begonnen habe, nämlich ohne grossen Erfolg zu überlegen, höre ich neben mir plötzlich das Knurren meines Betthasen. Die Frau hat die Ruhe weg, das muss ich ihr lassen! Ihr ruhiger Atem ist eine Demonstration der Gelassenheit, während der Wasserdruck langsam dafür sorgt, dass alle paar Sekunden entlang einer Naht ein Wassertropfen auf die Kissen tropft. Aber sie hat ja Recht: Es ist noch immer recht gemütlich, und so lange ich mir nicht schlüssig bin, wie ich den Zeltabbau durchführen soll, ohne gleichzeitig auch die 3 Quadratmeter Innenwohnfläche im Auto zu versiffen, bleibe auch ich schön brav liegen.

Um sieben aber startet dann definitiv unsere Notoperation. Erst will ich in T-Shirt und Unterhose zum Zeltabbau schreiten, da eh alles in Sekunden am Körper klebt, aber mir ist im Nu so bibberig kalt, so dass ich mir ein Unterhemd aus meiner Skiunterwäschekollektion gönne und die Jacke und Hose eines Regentrainers überziehe, die ich vor zwanzig Jahren letztmals auf einem Fussballplatz spazieren führte… Aber das hier ist auch Sport! Die Chefcamperin wird in den Wagen beordert, schliesslich müssen nachher nicht Beide klatschnass im Auto vor sich hin dampfen. Ich fahre den Wagen mit dem Heck direkt ans kleine Vorzelt ran, von wo aus ich Thinkabouts Wife das Innenleben des Zelts ins Auto schiebe. Und da wir luxuriös schlafen, sind das zwei Isomatten, Die Liegepolster aus dem Auto, zwei Kissen, zwei Schlafsäcke und eine Wärmedecke. Jaaah, alte Menschen habe es gerne bequem!
Dann beginnt der Zeltabbau, wobei ich natürlich chancenlos bin, die Wassermassen vom Innenzelt fern zu halten. Aber die grossen schwarzen Säcke, die ich, aus welcher Eingebung auch immer, im Supermarkt gekauft habe, sind Gold wert. So kann ich Zelt und Überzelt in ihrer ganzen nassen Armseligkeit doch gut verstauen – und vor allem schnell.
Am Ende schaffen wir den Abbau samt Frühstück in der praktisch gleichen Zeit wie gewöhnlich – auch die Wäscheleine geht – knapp – nicht vergessen.

Die heutige Route führt uns durch den lang gezogenen Coorong and Lakes National Park. Doch unser geplanter Spaziergang bei “42 Miles Crossing” fällt Wind und Regen zum Opfer. Eine besondere Warntafel hätte es dafür gar nicht gebraucht…

Die Landschaft wäre an weniger trostlos grauen Tagen aber in jedem Fall grandios – mit viel Wasser, auch an besseren Tagen wie heute…

Dafür können wir guten Gewissens wie Lehnstuhltouristen vor Salt Creek den Scenic Drive geniessen: 20 km Autofahrt durch Wetlands und eine abwechslungsreiche Seenlandschaft.
Mindestens aus der geschützten Kabine heraus lässt sich der Ausblick geniessen. Aber es ist windig, regnerisch und kalt.
Das richtige Wetter also für einen Café-Stopp, und den legen wir dann auch in einem pittoresken Pub in einem kleinen Roadhouse vor Pelikan Point ein: So wie hier kenne ich die klassische und beste Infobörse für Reisende wie uns! Der sehr freundliche Gastgeber will alles über unsere Reise wissen, und er erklärt uns ausführlich, was es in der Gegend zu sehen gibt und welche Routen sich lohnen. Seine aparte Frau leistet uns dabei Gesellschaft. Sie ist von jener feinen, zarten zeitlosen Schönheit, bei der man sich unweigerlich fragt, wie sie an diesen verlassenen Ort der Welt geraten sein mag? Ihr Mann scheint es zu wissen und sie stellt sich die Frage offensichtlich nicht. Da sind zwei mit sich und der Welt zufrieden, und das wirkt ansteckend.
Beim Verlassen des Lokals vergessen wir daher auch die traurigen Augen des kleinen Lobsters im Aquarium und verscheuchen die Gedanken an sein ziemlich gewisses Schicksal…

Am Pelikan Point erwartet uns ein aufgehellter Himmel, und wir können trocken und bei einzelnen Sonnenstrahlen den Fussmarsch zum Aussichtspunkt wagen. Pelikane hat es – wie wir vorgewarnt wurden – zwar keine, und es bläst fürchterlich. Die Vegetation aber ist grandios, und die Lagune dehnt sich vor unseren Augen aus. Sie muss ziemlich flach sein, denn trotz dem starken Wind ist die Brandung für einmal minim.



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Wir fahren weiter zum Parnka Point. Unser ursprünglich für die Übernachtung vorgesehene Ort ist pittoresk, mit von Algen bizarr gefärbtem Wasser, mit einer üppigen Vegetation und reicher Vogelwelt. Zudem sind die einzelnen Rastplätze wunderschön angelegt und liebevoll gepflegt. Mehrere Orte sind für die Vogelbeobachtung hervorragend geeignet.



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Allerdings sind alle Punkte dem Wind stark ausgesetzt, und daher werden wir nicht hier bleiben: Wegen dem schlechten Wetter haben wir heute viel weniger angehalten als auch schon und entscheiden uns daher zu Weiterfahrt.
Dank dieser Entscheidung sehen wir heute doch noch Pelikane: Im Lake Albert bei Meningie.

Und dann wechseln wir zum ersten Mal die Seiten: Thinkabouts Wife absolviert die ersten Kilometer mit Arli 21, von Meningie bis vor Strathalbyn, denn an diesem Ort werden wir übernachten. Meine Frau ist klein, also nein, einfach etwas kurz geraten, und so ein Toyota Landcruiser ist nicht nur aussen ein ziemlich grosses Möbel, aber Thinkabouts Wife hat ihn schon in Westaustralien problemlos gefahren. Das ist zwar zehn Jahre her, aber sie findet sich dennoch problemlos wieder zurecht, und sogleich spielt auch wieder die Zusammenarbeit: Da der Schalthebel ein wenig tief und weit links sitzt, übernehme ich das Schalten, auf Kommando, sobald sie ausgekuppelt hat. Was abenteuerlich tönt, funktioniert wunderbar, mit etwas Anlauf übrigens sogar in der Stadt. Für uns ist das immer wieder ein wunderbares Sinnbild dafür, wie wir zusammen spielen und passen.

Ich geniesse dieses Beifahren, wenn sie mit dem Traktor hantiert, wie ich das Ding manchmal nenne, wobei ich es liebevoll meine: Thinkabouts Wife ist zuhause durchaus mal ein ängstlicher Mensch, aber hier traut sie sich was zu, und hinter dem Steuer war sie noch nie langsam… Da ich mich diesbezüglich auch an Westausralien erinnern kann, bin ich auch darauf gefasst und behalte die Bitte, anfangs doch etwas langsamer zu fahren, für mich. Dass ich weiss, sie könnte die ganze Strecke auch alleine fahren, entlastet mich enorm – zumal sie gerne Autobahn fährt, was mir schnell mal zu langweilig wird.
Und die Schalthebelbedienung verhindert, dass ich einnicke. Wobei es nicht wenige gibt, die behaupten, die Tatsache, dass ich neben meiner fahrenden Frau schlafen könne, sei der ultimative Liebesbeweis (allerdings weiss ich das besser: Ich konnte das in der Armee selbst neben den abenteuerlichsten Fahrern… werde ich bewegt, döse ich gerne weg…).

Auf dem Campingplatz in Strathalbyn scheint plötzlich wieder die Sonne. So können wir uns für eine Nacht im Auto in Ruhe einrichten. Ich nutze die Gelegenheit, das Überzelt über ein mit dem Wäscheseil gebildetes Dreieck zwischen Stossstange, schwachem Obstbäumchen und Autotürgriff zu hängen zum Trocknen. Der Wind bauscht nicht nur die Zeltmembran, er treibt uns auch die Wolken wieder zu, und so rolle ich das ausgelegte Innenzelt wieder zusammen, kaum habe ich es ausgepackt… Es tröpfelt bald wieder…

Eine Viertelstunde später wage ich es doch und werde belohnt: 90 Minuten danach kann ich beide Teile einigermassen trocken in den Originalhüllen verstauen.
Thinkabouts Wife hat derweil alles für einen Tomatenreis-Mais-Eintopf vorbereitet und wir nehmen es beim Essen bezüglich Tempo und Quantität mit jedem Fernfahrer auf. Die von einer Kundin zuhause empfohlenen Tim Tam’s, eine Marke für alle möglichen Sorten von Gebäck, schmecken tatsächlich ausgezeichnet (Variante Caramel mit Schoko-Überzug…).
Jetzt ist es Viertel nach Neun abends, und wir haben den Wecker erst auf acht Uhr gestellt: Adelaide ist nicht mehr weit entfernt, und einkaufen müssen wir da auch nicht mehr.

Thinkabouts Wife hat heute so richtig durchgeschüttelt und zerzaust worden: Der ständige Wind hat ihr zugesetzt. Ein paar trockene und windstille Tage wären sehr willkommen!Aber wir haben unter dem Strich soo viel Glück gehabt heute. In der zweiten Tageshälfte ist wider alle Erwartung kein Regen mehr gefallen. Es wird stets für alles gesorgt. Obwohl Duschen ein Wunschtraum bleibt: “The shower is out of function.”