Reflexionen

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Australien 2007: Flug nach Singapur

∞  10 Januar 2008, 17:30

Erlebt am 22./23. Oktober – Zürich -> Singapur

Rudelverhalten vor und im Flugcontainer




Nach einem Tagebucheintrag vom 23. Okt. 06h12 Ortszeit (Singapur).

Wenn man auf dem Flughafen Zürich-Kloten mit der Schienenbahn zum Terminal E fährt, wird so ziemlich jedes Cliché bedient, das man von der Schweiz kennt. In einer dunklen Passage erscheint vor dem Fenster das projizierte Alpenpanorama, natürlich frisch verschneit, ein Jodler erklingt und Kühe muhen um die Wette. Trotzdem nervt es mich nicht. Ich bin jetzt selbst auf Reisen, und so manche Schwarz-Weiss-Betrachtung droht mir die nächsten Wochen auch. Zudem sieht der Reisende selbst die Welt, die er besucht, meist positiver, als es die Menschen tun, die er dabei trifft. Und sie gehören ja zur Schweiz, die bodenständige Kultur und diese Berge, die schon von Zürich aus so gut zu sehen sind, wenn sich die Voralpen bei Föhn scheinbar ganz nahe ans Ufer rücken und sich über dem Obersee auftürmen. Also gebe ich dieser Schweiz beim Betreten des Terminals ganz bewusst den Gruss der Frauenstimme aus dem Lautsprecher zurück: „Uf Wiiderluegä.“

Die Sicherheitsbeamten auf den Flughäfen haben es nicht einfach. Sie müssen viel schärfere Kontrollen als früher durchführen und fragen sich vielleicht trotzdem manchmal, wie viel das wirklich bringen mag. Als Flugpassagier hilft mir am meisten der Gedanke, dass dieser Aufwand meiner Sicherheit dienen soll. Dass dabei die Sicherheitsbestimmungen den neuesten Kenntnissen immer ein bisschen hinterher hinken oder auch mal übers Ziel hinaus schiessen, liegt in der Natur des Problems: Der Staat reagiert nur (überreagiert?).

In Zürich lösen sie das Problem mindestens an diesem Morgen vorbildlich: Lange vor den eigentlichen Sicherheitsschleusen wird man höflich von einem Mann oder einer Frau in Uniform begrüsst und der Schleuse mit der kleinsten Schlange zugewiesen und wenn nötig darauf hingewiesen, dass jener Lap noch ausgepackt und diese Jacke ausgezogen werden soll.
Das Personal ist von der ersten bis zur letzten Person ausgesucht höflich und schafft damit eine völlig ruhige Stimmung – und grosse Disziplin unter den Passagieren.
Hier wird jede Missgunst, jeder mürrische, sich aufgehalten fühlende Passagier mit Höflichkeit „besiegt“. Entwaffnend, bestechend und wirksam. Es kann sein, dass wir auf ein besonders motiviertes Team trafen, aber es ist offensichtlich, dass die Höflichkeit Teil der Strategie ist, die dem Personal die Arbeit erleichtern soll. Ich hoffe, dass dies immer so gelingt wie an diesem späten Morgen!

Das Flugzeug ist wohl ausgebucht. Vor dem Gate stauen sich die Menschen, die sich in der Luft scheinbar einfach besser fühlen, wenn sie den Flugcontainer einen Schritt vor den anderen betreten haben. Das geht selten für alle Nerven gut aus, da es in der Natur der Menschen zu liegen scheint, dass jene, die diesem erhofften Wohlgefühl Tribut zollen und frühzeitig anstehen, gegenüber jenen, die gelassen in den Sitzen warten, in der erdrückenden Überzahl sind. Beim Aufruf zum Boarding ist die Schlange an-stehender Menschen mindestens fünfzig Meter lang. Was da ein Aufruf bringen soll, zuerst würden die Reihen X bis Y zum Einsteigen aufgefordert, weiss ich auch nicht. Ich werde diese Hektik nie so ganz verstehen, obwohl es natürlich schon ärgerlich ist, wenn man sein Handgepäck nicht verstaut kriegt. Zur Not aber gibt es Flugpersonal, das hilft – und selbst wenn man Platz dafür gefunden hat, ist man nicht davor sicher, dass irgend ein Rüpel sein Schalenköfferchen so in die Lücke drückt, die gar keine mehr ist, dass die eigenen Gepäckinnereien vor dem geistigen Auge bereits in nie erkannte Einzelteile zerbröseln…

Also: Es ist keine Sensation. Wir haben tatsächlich alle abgehoben – mit allem Handgepäck. Das Flugzeug ist praktisch neu, auf jeden Fall habe ich noch nie so viel Schnickschnack in der Economy erlebt. Ich schaue mir doch tatsächlich ein wenig Harry Potter an (lesen Sie zu meinem Verhältnis zu Harry Potter, so Sie mögen, hier mehr). Schon bald allerdings tonlos: Ich werde mich nie mit dem Gedröhn in meinem Hirn anfreunden können und kriege heisse Ohren, ohne einen Grund dafür zu haben. Und Kopfschmerzen habe ich auch. Dafür kriege ich keinen oder nur ganz, ganz wenig Schlaf.

Dafür ist sowieso nicht so viel Zeit. Die Tücken des Service bringen es mit sich, dass Vegetarier (ja, die Extrawurst ist die einzige, die ich nehme) ihr Essen zuerst kriegen, dafür die Getränke zuletzt (oder ganz sicher zu spät). Aber der Service ist bei Singapur Airlines schon sehr gut und aufmerksam. Kann vor Singapur allerdings keinen O-Saft mehr sehen…
Die Aircondition macht mir Sorgen. Es zieht. Jetzt habe ich kalte Ohren…

*

Auf dem Flughafen in Singapur schauen wir uns prüfend an. Meine Frau hat noch nie so wenig geschlafen im Flugzeug. Wie werden wir uns an den Rhythmus der Tage gewöhnen?
Immer wieder ein Erlebnis ist der Transferbereichs im Singapurer Flughafen. Mehrere Pools mit Kois laden zum Rasten und Verweilen an. Die Orchideen können doch gar nicht echt sein, und doch sind sie es – natürlich.