Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Von Phnom Penh (Kambodscha) nach Chau Doc (Vietnam)

∞  26 Juni 2009, 20:03

Erlebt am 27. März 2009


[Landkarte Phnom Penh -> Chau Doc;
Bilder des Tages: Kambodscha und Vietnam ]


In der Nacht haben wir die AC ausgeschaltet, es war uns bei 24° zu kühl. Jetzt erhalten wir die Nachricht, dass es in der Schweiz nur 8° hat, vor zwei Tagen sogar Schneefall. Nein, das kann und will ich mir nicht vorstellen! Thinky hat praktisch kein Fieber mehr, nimmt trotzdem nochmals ein Acetalgin.
Heute heisst es bye-bye Cambodia – hello Vietnam.
Wir haben gepackt und bringen unsere Taschen erstaunlicherweise immer noch gut zu.
Wir werden erst um 12:15 abgeholt, da bleibt noch Zeit, den Fragebogen auszufüllen:
Ob wir Kambodscha als Reiseziel empfehlen würden? Ja, uneingeschränkt.
Was uns am besten gefallen hätte? Die Freundlichkeit der Menschen.
Dann schauen wir im TV Nachrichten: Europa scheint noch zu stehen; alles ist so weit weg.


Bildung – für eine bessere Realität


Das Schnellboot fährt erst um die Mittagszeit. Seit Menschengedenken, so scheint es uns, haben wir in einem Hotel zum ersten Mal für einen ganzen halben Tag nichts zu tun als auszuschlafen und ausgiebig zu frühstücken. Es gibt schlimmere Schicksale…
Leider weiß ich nichts besseres, als den Fernseher einzuschalten. Die deutsche Welle berichtet, dass Europa noch steht. Die Finanzkrise ist noch immer das beherrschende Thema. Ich blicke da nach wie vor nicht durch, aber nun bin ich weit weg, wenn auch vielleicht immer noch viel mehr mittendrin, als mir und den Einheimischen hier lieb sein kann. Dennoch habe ich das sehr irdisch wohlige Gefühl, dass der Mikrokosmos hier eine eigene ganz reale Welt für mich bereit hält, die einem die Orientierung auf das wirklich Wesentliche sehr viel schneller und direkter nahe legt, als das, was unsere hoch gezüchtete Zivilisation zu Seifenblasen aufbläst und für die Realität hält.
Und dann erscheinen die Taliban auf dem Flimmerkasten, und es wird die Geschichte eines Dorfes in Afghanistan erzählt, in dem die bärtigen Schindluderer alle Mädchen aus den Schulen geholt haben. Mir kommt wieder unsere Reiseleiterin S. in den Sinn, und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie deren Welt aussähe und was ihr und mir entgangen wäre, hätte sie durch eigene Bildung nicht so viel Selbstvertrauen gewinnen können.
Dass die amerikanische Botschaft gegenüber von unserem Hotel von S. mit keinem Wort erwähnt wurde, wir aber mitgeteilt bekamen, ob wir gerade den Russen- oder gar den Mao-Boulevard entlang fuhren, kann man einer Kambodschanerin jetzt wohl kaum zum Vorwurf machen. Es geht ja bei der Bildung nicht um Objektivität allein. Es geht auch um die Wertschätzung der Lernenden, um Orientierungshilfen und Erziehung zur Selbsthilfe und Selbstbestimmung, und ja, immer auch ein bisschen um Stolz, und (leider?) auch um (nationale) Identität.
Und mit der Art, mit der Kambodschaner und Vietnamesen mit westlichen Besuchern praktisch umgehen, verknüpfe ich sehr wohl eine Beurteilung, die mich diese Bildung sehr respektieren lässt!



Die Einschiffung auf das elegante Victoria-Speedboat erfolgt problemlos, wir sind die einzigen Passagiere. Die Tickets sind kein Thema, ebenso wenig die Teilnehmerzahl. Wie von uns erwartet, ist der Transport auch nur für uns zwei “included”, allen Kuoni-Unkenrufen zum Trotz.
Die Crew empfängt uns mit kalten Tüchlein, Mineralwasser und einer Tüte voller Früchte; wenn ich das gewusst hätte!
Wir passieren, kaum haben wir abgelegt, die Stelle, wo der Tonlé Sap in den Mekong mündet und fahren dann auf dem Mekong weiter Richtung Delta.
Überall wird nach Sand und Kies gebaggert.




Wir überholen und kreuzen grosse und kleine Frachtschiffe: der Mekong ist ein bedeutender Transportweg für den Warenaustausch zwischen Laos, Kambodscha und Vietnam.




Obwohl wir recht schnell unterwegs sind, ist der Lärm nur gering.
Nach zweimal Anlegen sind die Zollformalitäten durch die Crew erledigt, nicht einmal das Gepäck wollen sie sehen. Wir müssen lediglich im Zollhäuschen anwesend sein.
Die blau-rote Flagge mit den Türmen von Angkor Wat wird durch die rote mit dem gelben Stern ersetzt, und schon fahren wir weiter.
Gegen 16:00 legen wir bereits am Pier des Victoria-Hotels in Chau Doc an,




wo wir von M, einem äusserst freundlichen, sympathischen Mann, in Empfang genommen werden. In der Lobby besprechen wir das Programm: den Lady Xu –Tempel, den ich gerne besuchen möchte, schlägt er von sich aus vor, und ein zusätzlicher Abstecher in ein Vogelreservat wird er einbauen.
Dann zeigt er uns das Menu für das Nachtessen: Ich glaube es ja nicht! 6 Gänge, alles vegi. Nur das Sorbet findet keine Gnade.
Mit M’s Handynummer und seiner Versicherung in den Ohren, jederzeit für uns erreichbar zu sein, betreten wir den Lift.
Dann sitzen wir in Bademänteln in unserem Zimmer “mit Wow!-Faktor”,

trinken grünen Tee und schauen auf den Mekong – bis zum Sonnenuntergang. Die Fischer werfen ihre Netze aus und ziehen sie wieder ein,




unablässig fahren Schiffe vorbei, vom Einbaum bis zum Frachter. Viele Wasserhyazinthen hat es hier, sodass es an gewissen Stellen aussieht, als ob sie in einer gigantischen Salatschüssel schwämmen.
Auch von unserem Tisch im Speisesaal sehen wir auf den Fluss, aber von den Schiffen ist nicht mehr viel auszumachen, denn die haben nur ganz wenig Licht. Das Menu wurde nochmals ausgedruckt und mit unseren Namen versehen. Das Essen ist schlicht fantastisch, da hätte selbst das Hiltl Mühe. Die „vegetarischen Schnecken“ entpuppen sich als Pilze, zu Muschelschnecken geschnitzt, und sind so was von gut. Tofu gibt es da, der nichts, aber auch gar nichts mit den eher faden Blöcken aus unseren Läden gemeinsam hat.
Als wir wieder ins Zimmer kommen, liegen auf dem Bett zwei aus Palmenblättern geflochtene Schächtelchen mit einem süssen Bettmümpfeli.
Müssen wir morgen wirklich weiter?




Kampong Tralach – Koh Chin – Phnom Penh

∞  20 Juni 2009, 21:37

Erlebt am 25. März 2009


[Die Bilder des Tage: Album ]


Unsere Kleider sind immer noch sehr feucht, auch die AC hat sie nicht trocken gebracht. Es ist gewitterhaft schwül.
Wir lassen uns viel Zeit fürs Frühstück; es ist herrlich, zu essen, während Dörfer und Schiffe vorbeiziehen, sich das Leben auf dem Fluss abspielt, und jetzt, wo das Schiff fährt, ist auch die Temperatur angenehm.
Das Anlanden in Koh Chin funktioniert nach einem Fehlversuch nur über ein anderes Schiff.
Ich sehe die ersten Moscheen, genau gesagt drei Stück und einen buddhistischen Tempel.






Wir sitzen auf dem Sonnendeck im Schatten und lassen es uns gut gehen. Den Ausflug auf diesen Tempelberg mit anschliessender Besichtigung einer Werkstätte für Silbergravuren lassen wir definitiv die anderen 14 machen. Wir stellen uns vor, wie die wohl schwitzen werden, um dann so ziemlich am Anschlag Silberwaren kaufen zu dürfen, während wir genüsslich an unseren Drinks nippen.
Zum Mittagessen sind wir dann wieder alle zusammen, und das Schiff läuft aus Richtung Phnom Penh, wo wir bereits um 15:00 ankommen, drei Stunden früher als laut Programm.
Jetzt heisst es Abschied nehmen von Catherine und Peter, und wir versprechen uns, in Kontakt zu bleiben.


Reisen ist Begegnung ist Leben


Ich sitze auf dem Oberdeck. Ein sanfter Wind streicht mir durchs Haar. Ich habe die Beine ausgestreckt, das Glas Cola steht auf dem niederen Beistelltisch in Reichweite. Ich bin überzeugt, im bequemsten Stuhl auf dem ganzen Schiff zu sitzen. Ich fühle mich wohl und habe dafür auch die richtige Gesellschaft. Diesen Platz haben wir uns zusammen mit Catherine und Peter ausgesucht, und während wir die Gruppe auf dem Aufstieg hoch über fünfhundert Treppenstufen wissen, der Hitze ausgesetzt, beglückwünschen wir uns zu unserem Entschluss, der Muße zu frönen.
In wenigen Stunden trennen sich unsere Wege, und dabei bräuchten wir Tage, um uns noch alles zu erzählen, was doch noch erzählt und geteilt werden müsste. Reisebekanntschaften macht man viele. Die meisten sind nicht von Dauer. Ausgetauschte Adressen vergilben auf Papier und sind lange zuvor schon vergessen. Du bist nie sicher, ob es hier und jetzt und mit diesen Menschen anders sein wird. Aber du wünschst es dir. Und so erzählen wir uns von unseren Reisen, wir erfahren von Hundeadoptionen auf den Seychellen und schwärmen von unserer Zeltsafari in Botswana. Wir wollen uns nicht gegenseitig übertrumpfen. Unsere Schilderungen sind voller Selbstironie. Reisende, die sich einander verwandt fühlen, wollen nicht prahlen. Sie tauschen sich aus, weil man ein gemeinsames Feuer brennen lassen und weiter nähren will. Und während erzählt wird, sieht man mit den Augen des Erzählers mit.
Reisen schafft Distanz zum eigenen Ego, relativiert die vermeintlichen Bedeutungen der Gesellschaft, in der man nicht nur verwurzelt, sondern durch deren Ansprüche man auch gefangen ist. Und so erfahren wir auch nochmals im Gespräch eine ganze Menge über eine Liebe, die uns so vertraut ist, weil sie eine Form der Kameradschaft prägt, die gerade das Reisen erleichtert, weil man sich als Paar mit den eigenen Stärken und Schwächen erkennt und unterstützt.
Eine Reise ist eine Zeit der scheinbaren Ungebundenheit, die meist mit hohen Erwartungen belastet ist. Wenn sie aber nichts beweisen muss, so ist sie einfach Sinnbild und Erfahrungsschatz auf einem gemeinsamen Weg, der schon viel weiter gedacht ist, sich wohl an einen Anfang erinnert, aber kein Ende sich denken mag.
In solcher Gesellschaft ist man auf der verrücktesten und exotischsten Reise geborgen, und eine Begegnung wie mit Catherine und Peter macht das eigene Glück einfach noch bewusster. Wir fühlen uns sicherer als jede Maus in ihrem Erdloch, mögen wir im Moment auch keinen festen Boden unter den Füssen haben und das Wasser vieler Flüsse uns noch an manche Orte tragen, von denen wir eine höchst unbestimmte Vorstellung haben. Wir werden unsere Erfahrungen machen, sie annehmen und mit ihnen leben. Und dann werden wir wieder zu erzählen haben, und wir hoffen sehr, dass wir dazu auch Gelegenheit bekommen. Auch dafür schreiben wir Reisetagebuch: Um das Wissen um dieses Geschenk der beständig neuen Lebensbildung mit allen zu teilen, die keine Reise in Angriff nehmen, ohne gewillt zu sein, sich ganz darauf einzulassen.
Noch wissen wir nicht, dass wir mit Catherine und Peter tatsächlich für viele Wochen nur noch einen sehr eingeschränkten Kontakt haben werden. Ihre Reise nach Borneo wird durch eine Krankheit Catherines erschwert werden, von der sie sich erst Wochen nach der Rückkehr erholen wird. Doch Catherine wäre nicht die Frau, die wir nun kennen, wenn sie uns nicht voller Begeisterung von ihren nächsten Projekten schreiben würde. Unsere Freunde leben. Und werden weiter reisen.
Auch der Abschied von der Crew geht uns nahe. Wir werden mit einer Herzlichkeit und Offenheit umarmt, die für Asiaten eher untypisch ist. Das We will miss you habe ich noch lange im Ohr. Und bevor ich einen Fuß auf den festen Boden von Phnom Penh setze, denke ich: “Danke. Ich Euch doch auch. Ich habe ja schon damit begonnen, verflixt nochmal.”
Unsere Reiseleiterin für Phnom Penh erwartet uns schon. Die Frau mittleren Alters ist sehr hübsch, gepflegt, und hat ein selbstbewusstes Auftreten. Wache Augen schauen uns direkt an und machen uns den Kontakt sofort sehr leicht. Unsere Reise geht weiter. Uns stehen noch viele neue Begegnungen bevor. Wir leben. Und wie!


Am Pier erwartet uns schon unsere Guide, die uns ins Hotel Sunway bringt. Da besprechen wir die nächsten zwei Tage, es scheint alles OK zu sein. Dass wir nach unseren ausführlichen Besuchen der Angkor-Tempel das Nationalmuseum nicht besuchen möchten, und auch das berüchtigte Foltergefängnis Tuol Sleng, das inzwischen ein Genozid-Museum ist, von der Liste streichen, ist kein Problem, dafür besuchen wir einen Markt mehr und haben bei den anderen Sehenswürdigkeiten mehr Zeit. S ist eine herrlich unkomplizierte Frau und hat soeben eine Kuoni-Scharte ausgewetzt. Sie hinterlässt uns ihre Handynummer, auf der wir sie jederzeit erreichen könnten.
Im Zimmer verteilen wir zuerst unsere feuchten Kleider. Da es nur drei Kleiderbügel im Schrank hat, muss der TV und die Stehlampe als Kleiderständer dienen.
Hier ist die Temperatur äusserst angenehm, und in Anbetracht der gut 37° draussen, beschliessen wir, heute das Hotel nicht mehr zu verlassen.
Thinky geht ins Business-Center, um Mails zu checken, ich schreibe Tagebuch. Und eine Mango wartet auch noch auf mich! Zudem gibt es hier im Zimmer einen Wasserkocher, um Tee oder Kaffee zu machen.
Das Sunway habe ich ausgewählt, weil es sehr zentral liegt, aber vor allem auch, weil es sehr umweltfreundlich ist. Bettwäsche und Tücher werden nur auf Wunsch gewechselt, die mittlere Grösse Tücher gibt es nur auf Verlangen. Die Shampoo-Fläschchen im Bad sind nachfüllbar, und Batterien werden gesammelt.
Am Abend hat Thinky 37,5° Fieber, also praktisch Aussentemperatur.

Kambodscha: (von Kampong Chnang nach) Kampong Tralach

∞  18 Juni 2009, 16:50

Erlebt am 24. März 2009, nachmittags


[Bilder-Album des Ausflugs gibt es ab hier ]


Um 15:00 legen wir in Kampong Tralach an, diesmal direkt am Ufer. Es geht eine steile, sandige Böschung hinauf, hilfreiche Hände sind da. Wir wollen den Vihara besuchen, einen mit Fresken ausgemalten Tempel der Leu-Klosteranlage, die etwas ausserhalb des Dorfes liegt. Für diese Fahrt stehen zehn Ochsenkarren bereit, auf die wir unter ungläubigem Staunen der einheimischen Bevölkerung steigen. Wer fährt denn noch mit so was, wenn er nicht unbedingt muss???




Sie sind weich mit Stroh ausgepolstert, ein dickes Tuch darübergelegt. Die Zweiergespanne sind alle ausnehmend schöne Zebus, liebevoll geschmückt, mit Glöckchenhalsband versehen, wie ich sie schon bei der Töpferei am Morgen gesehen habe.
Wie eine Prozession zuckeln wir dem Tempel entgegen, Kinder bieten Lotosblumen an. Eskortiert werden wir vom Dorfpolizisten, Sandy hilft beim Verkehr regeln. Die Strasse ist ziemlich schmal, und wir sind natürlich ein Verkehrshindernis. Die Ochsen stört es nicht im Geringsten, wenn die Lastwagen ganz nahe an ihnen vorbeifahren: sie gehen stoisch ihren Weg.

Nach einer knappen halben Stunde sind wir da. Sofort werden die Ochsen ausgespannt und dürfen auf dem Kloster-Rasen grasen.




Während der ganzen Fahrt wurden sie auch nie mit der Peitsche angetrieben; ein leichtes Antippen mit der Hand neben der Schwanzwurzel reicht, dass sie schneller gehen.
Eine Stunde lang schauen wir uns die Klostergebäude und vor allem die Wandmalereien im Vihara an.



Sie sind wirklich sehr schön, über 100 Jahre alt,




wenn ihnen die Witterung auch schon sehr zugesetzt hat. Zusätzlich hat vor allem der Mäuseurin eine verheerend zersetzende Wirkung. Die kleinen Nager kann ich gut im Gebälk ausmachen.
Hinter dem Altar mit dem grossen, neuen Buddha entdecke ich wohl seinen Vorgänger: ganz einfach ist er, und doch so reich in seinem Ausdruck.




Dann geht es wieder durch die Reisfelder zurück. Die Kinder wollen auch mitfahren und dürfen es auch.
Wir halten am Dorfeingang, damit wir zu Fuss zum Schiff zurückgehen können. Jemand hat die Idee, für die Kinder Süssigkeiten zu kaufen. Ich mag diese Art „Wohltätigkeit“ nicht, klinke mich schnell aus. Im Nu ist natürlich das ganze Dorf da, alle wollen etwas haben. Andere geben die gekauften Schleckwaren der Lehrerin auf dem Pausenplatz. Die lässt die Schüler in Reih und Glied antreten, im Nu herrscht Ruhe und Ordnung,




und jeder bekommt etwas. Immerhin.




Die erstandenen Schulhefte können aber nicht in dieser Schule abgegeben werden; die sind für eine Privatschule bestimmt, in der die Kinder in Französisch unterrichtet werden. Ich dachte eigentlich, dass die Kolonialzeit vorbei sei und hoffe, sie lernen auch Englisch. Ich gehe zurück aufs Schiff.
Bei einer alten Frau kaufe ich unterwegs Mangos. Die sind hier gelb und zuckersüss. Wir verständigen uns in Zeichensprache, das klappt einwandfrei. Ich erhalte für $ 1 drei Stück, die ich selbst aussuchen kann. Dann werden sie gewogen, und ich bekomme noch Wechselgeld in Riel.


WIR TOURISTEN SIND SONDERLINGE



Noch selten war ein Reisetag in der Ferne für mich so sehr ein Bildersturm, ein Panoptikum von Standbildern, die in ihrer Summe und Abfolge ein sehr lebendiges und auch ein wenig verwirrendes Bild dessen zeichnen, was man als Fremder in der Fremde erleben kann, und was nicht. Und wahrscheinlich besteht die Kunst darin, sich nicht über Gebühr anzubiedern und zu akzeptieren, fremd zu bleiben. Wir sind nur auf der Durchreise – und es wäre schön, könnte die Erinnerung, die wir zurück lassen, eine Positive sein. Doch wie sollen wir verstanden werden? Und wie viel können wir selbst verstehen?
Heute lerne ich, dass Kambodscha ein Land ist, in dem – sich flauschige Decken in einer Luxusunterkunft besonders kuschelig anfühlen
-die Töpferin um den Topf herum geht, statt dass er sich selber dreht, – lockere, schwankende Stege nur über 4m50 Fallhöhe ein Geländer haben und – unsere Schwierigkeiten mit dieser Tatsache doch ein Gaudi für die Bevölkerung darstellen müssen, diese aber so höflich ist, es nicht offen zu zeigen (oder sind die Menschen schlicht fassungslos, dass sich Zweibeiner so staksig bewegen können?) – Kinder besonders deutlich machen, dass sie bereits ganze Persönlichkeiten sind – Zebus riesig sind und Perlen um den Hals tragen – Servierpersonal sich von unserer guten Laune anstecken lässt und umgekehrt – Ochsenkarren und Luxusbarken nicht unbedingt zusammen passen – Nicht nur die Roten Khmer es NICHT schaffen werden, Stätten wie Vihara die innere Weihe zu rauben. Hoffentlich.

Irgendwie habe ich heute ständig das Gefühl, dass sich die Kambodschaner fragen müssen, wie es sein kann, dass so ungelenke, massige und schwitzende Menschen, die so offensichtlich nicht hierher gehören und ohne Leitung rettungslos verloren wären, in der Welt ganz offensichtlich so viel mehr zu sagen haben als sie selbst?
Nun, auch und gerade wir brauchen die Chance zur wirklichen Begegnung, um auch ein bisschen was von uns selbst preisgeben und menschlich werden zu können. So sind wir für das Servicepersonal im Restaurant längst eine schöne Abwechslung, und niemand stört sich, dass wir immer am längsten hocken bleiben, so dass nicht abgeräumt werden kann. Der Blickaustausch wird wacher, das Nicken mit dem Kopf stärker, und schliesslich steckt das Lachen gegenseitig an, und wir können zeigen, wie sehr wir den Service schätzen. Es ist toll, das Gefühl zu haben, beim Essen auf der Terrasse des Schiffes geradezu ungeduldig erwartet zu werden.
Auf dem Ochsenkarren sind solche Begegnungsbrücken zu den Passanten und Anwohnern eher schwer herzustellen. Davon zeugen die Gesichtsausdrücke, die ich ausmachen kann und die zwischen Freude, Amusement, Verwunderung, Unverständnis bis Ärger in allen Schattierungen schwanken. Da hält man sich am besten an die Kinder. Für die ist unser Umzug schlicht Abwechslung und Gaudi. Und daran hält man sich dann gern, und so lässt sich so manches Touristenherz begeistert auf die Idee ein, in den Verkaufsständen an der Strasse auf dem Rückweg Süssigkeiten zu kaufen und diese unter den Kindern zu verteilen, lieber etwas mehr als weniger.
Am Landungssteg unserer Barke fotografiere ich einen Schuljungen, und dann ist der Teufel los, als ich ihm das Bild auf dem Display zeige. Nun wollen alle vor die Kamera, oder fast alle. Darauf verbringe ich eine halbe Stunde mit den Kids, in denen Blicke allein genügen, um uns zu verständigen. Und ich bekomme einen faszinierenden Einblick in eine Gruppe Kinder, die hier wie überall auch schon nach Regeln funktioniert, und so mache ich darin die lauten und die starken, aber auch die stillen und nachdenklichen Typen aus. Und gehe danach aufs Schiff, wo ich mich erst einmal in den Bug setze und eine Viertelstunde voller Dankbarkeit verweile. In Gedanken wünsche ich jedem einzelnen dieser jungen Menschen ein Füllhorn voller Glück.



Duschen. Im Bademantel in der klimatisierten Kabine auf dem Bett liegen. Rausgucken. Mango essen. Es geht mir so gut.
Beim Nachtessen haben wir es mit unseren neuen Freunden wieder richtig lustig, sehr zur Freude des Servierpersonals. Für sie sind wir „die, die immer lachen“. Nun ja, ich habe zB. Peter vor zwei Tagen gefragt, was denn „schwimmendes Dorf“ auf Französisch heissen würde, doch nicht etwa „village nagé“? Dieses „flottant“ kam mir einfach nicht in den Sinn (wie vieles andere auch nicht). Seither neckt mich Catherine immer mal wieder damit. Jetzt fragt sie uns, ob wir morgen den Ausflug mitmachen würden? Der gehe auf einen stark gesteigerten Berg und dann 500 Stufen wieder runter. Wir einigen uns darauf, dass mein „geschwommenes Dorf“ durch Christines „gesteigerten Berg“ neutralisiert wurde. Und lachen natürlich. Und wie.
Aber wir können uns auch ganz ernsthaft unterhalten. Ja.
Den Ausflug morgen machen wir wohl nicht mit.


[Alle Bilder des Tages finden Sie hier ]


Der Beitrag wird wie alle Reiseberichte nach einigen Tagen in die entsprechende Sektion verschoben.

Kambodscha: Chnok Tru – Kampong Chnang

∞  11 Juni 2009, 16:50

Erlebt am 24. März 2009, vormittags

Wir werden um 06:45 durch einen Gong geweckt, der vor jeder Kabinentür angeschlagen wird; klingt irgendwie wie ein Totenglöckchen.


Ein grosses Frühstücksbuffet erwartet uns, während das Schiff Kurs auf Kampong Chnang nimmt. Der Fahrtwind sorgt für ein mückenfreies Essen und eine angenehme Temperatur.

Nach 8:00 ankern wir mitten im Fluss und werden von lokalen Booten an Land gebracht. Mit einem Bus fahren wir zu einer Töpferei, die, wie alle hier in der Gegend, die Töpfe ohne Scheibe herstellt, sondern im gleichen Stil wie vor Jahrhunderten: Die Töpferin kreist ständig um den Topf, sodass es aussieht, als würde sie mit ihm tanzen.

Hier gibt es auch viele Thot-Bäume (Zuckerpalmen), deren Saft zu Palmzucker verarbeitet wird, auch das wird uns gezeigt. Bei solchen typischen Gruppenreisen-Besichtigungen ist für mich das Darumherum immer viel spannender: Das Mädchen, das seinem Bruder die Läuse knackt,

der kleine Junge in der Hängematte,

der Schweinestall.

Auch hier sind die Menschen freundlich und offen, freuen sich, wenn sie fotografiert werden. Keinem käme in den Sinn, etwa Geld dafür zu verlangen.

Es ist wieder sehr heiss: Es gibt wohl am Ende der Ausflüge erneut das Schauspiel: “Die Thinkabouts im eigenen Saft”.

Auf dem Rückweg zum Schiff müssen wir über einen wackligen, schmalen Steg, gut vier Meter hoch. Anfangs hat es noch eine Bambusstange als Geländer, die hört aber nach ¾ des Weges auf, zudem werden die Dielen schmaler und dünner, wippen mehr, auch wenn die Höhe abnimmt. Das Wippen mag ich doch schon bei diesen Hängebrücken nicht! Ich fühle mich so unsicher, dass ich auf allen Vieren den Rest hinter mich bringe, was Thinky gemeinerweise auch noch fotografiert; dabei bin ich keineswegs die Einzige, nur die Erste, die sich diese Blösse gibt.

Gegen 11:00 sind wir zurück auf dem Schiff und werden mit Mineralwasser und kalten Tüchlein empfangen, die äusserst willkommen sind. Unterhemd, T-Shirt, Hemd, alles zum Auswinden durchgeschwitzt.

Nach einer ausgiebigen Dusche sitze ich jetzt an einem schattigen Platz auf dem Sonnendeck, an einem der Tische ganz im Heck. Der Fahrtwind verhindert neue Schweissausbrüche und ich kann bequem im Tagebuch schreiben.

Auf dem Mittagesbuffet lässt sich Gutes finden: aus dem süss-sauren Fischgericht klauben wir Gemüse und Sauce, dazu gibt es Reis und weiteres Gemüse. Die Vorspeisen sind alle roh und bleiben wie die geschnitten Früchte und der ungekochte Pudding dort, wo sie sind.

Auf den breiten Liegen beim Dachgarten ist das Verdauen herrlich, während die Landschaft vorüberzieht und ich das emsige Treiben auf dem Fluss beobachten kann. Das Speedboat Siem Reap – Phnom Penh zischt an uns vorbei;

es schafft die Strecke in wenigen Stunden.

Siem Reap, Tonlé Sap See, Chnok Tru

∞  2 Juni 2009, 06:50

ERLEBT AM 23. März 2009


[Bilder des Tages: Album ]
[Karte: zur Lokalisierung, mit Dank an redravine ]


Die Einschiffung auf der Toum Tiou II, einer im traditionellen Stil erbauten Barke mit zehn Kabinen, steht heute auf dem Programm. Sie wird uns in drei Tagen gemütlich auf dem Tonlé Sap – Fluss nach Phnom-Penh schippern.
Um 11:45 sollen wir abgeholt werden, da bleibt noch Zeit, einige Makros im Garten zu machen.




Mist, ich komme mit diesem Objektiv nicht zurecht, vermisse meine analoge Kamera dafür. Auf den Bildern sind Blumen, aber keine Makros, jedenfalls nicht so, wie ich sie mir vorstelle. Ich versuche manuelle Einstellungen, aber die rechte Geduld fehlt mir. Es ist erst nach 9:00, aber schon wieder so heiss, dass ich lieber im gekühlten Zimmer warte.
Wir werden zu einem Hotel in Siem Reap gebracht, wo wir unsere Mitpassagiere kennenlernen und erst einmal zu Mittag essen. Sandy, ein Belgier, stimmt uns darauf ein, dass die anderen 16 einer französischen Reisegruppe angehören. Also eigentlich nur 14, denn die zwei, die neben uns sitzen, sind ein deutsch-französisches Ehepaar und mögen keine Gruppenreisen. Wir unterhalten uns auf Deutsch und sind uns sofort sympathisch.
Dummerweise bestelle ich ein Lemonsoda, in der Meinung, eine Dose zu bekommen, erhalte aber ein Glas voller Eiswürfel, aufgefüllt mit Wasser und frisch gespresstem Zitronensaft. Ein Gedanke an Thomas lässt mich dies unberührt stehen lassen.

ERFAHRUNG UND ENGAGEMENT


Sandy, der belgische “Kapitän” unserer Gruppe, beweist mit der Sitzordnung seine Erfahrung in der raschen Einschätzung seiner Schutzbefohlenen. Dass er Catherine und Peter zu uns setzt, ist sehr aufmerksam und nicht nur wegen der Sprache ein Volltreffer. Wir brauchen nicht lange, um heraus zu finden, dass wir uns sprachlich leicht verständigen können, weil beide auch hervorragend deutsch sprechen. Aber es liegt nicht allein daran, sondern vielmehr an den ähnlichen Auffassungen und Einstellungen zum Reisen an sich. Und da man sich an solchen Orten, auf Reisen in fremden Ländern ganz allgemein in einem wacheren Zustand befindet, als wären alle Sensoren beständig auf Empfang eingestellt, brauchen wir vier nur ein paar Minuten, um unsere Geschwisterhaftigkeit zu erkennen. Dieses Gefühl wird auch nicht dadurch geschwächt, dass wir sehr wohl auch unterschiedliche Empfindlichkeitsgrade feststellen – aber wir können die jeweils andere Optik verstehen.
Das gilt für die Tischnachbarn rechts nicht unbedingt, wie sich noch heraus stellen wird.
Also Catherine, z.B., würde nie nach Vietnam reisen, “weil die dort Hunde und Katzen essen”. Für mich denke ich, dass die Aufzählung damit noch lange nicht abgeschlossen sein dürfte… Dann präziesiert sie, dass es ihr, also ihnen beiden, dabei auch um die Art geht, wie die Tiere getötet werden, und Peter nennt dann auch ein paar Beispiele. Ich habe mir das Essen trotzdem schmecken lassen und Sie sollten das auch tun, weshalb ich auf den wörtlichen Report hier verzichte. Die Tatsache, dass wir Vegetarier sind, nimmt uns sowieso aus jeglichem Schussfeld, und wir dürfen uns damit auch nach Vietnam getrauen… Catherine ist mir sympathisch. Ich brauche dafür nicht ihre Ansichten zu hundert Prozent zu teilen. Ich weiss einfach, dass die Tierwelt diese ihre 100%ige Parteilichkeit verdient hat. Und sie rollt dabei mit den Augen, dass es eine Freude ist, ihr Wortschwall ist dabei so engagiert, emotional und gleichzeitig durchaus argumentativ, dass ich ihr gerne zuhöre und mich durchaus auch packen lasse. Und sogleich sieht man auch, wie die beiden sich ergänzen: Peter ist der sachliche, der durch Abwägung und fundamentale Information überzeugen will, während seine Catherine mit der Fahne der Tierfreiheit die Bastille jeder Zooeinfriedung zu stürmen bereit ist.
Und besonders sympathisch ist dabei, dass sie keine Reise nach Kambodscha braucht, um ihr missionarisches Wirken an den Mann und die Frau zu bringen. Nein, schliesslich sitzt man ja mit Landsleuten zusammen, und da bietet sich doch nichts so sehr an wie eine grundsätzliche Diskussion über die französische Unsitte des Verzehrs von Foie Gras. Stopfleber also, für die Gänse in einer Art gemästet werden, die ich wiederum hier nicht näher erläutern will, siehe oben. Wir essen derweil auch schon längst, aber Catherine kümmert das nicht. Jetzt sehe ich meist ihren breiten Rücken und dahinter die weit aufgerissenen Augen und Münder der französischen Copatriots, und ich höre vor allem die Argumente. Mindestens zwölf der vierzehn anwesenden weiteren Franzosen sehen ihre Kultur, alle heiligen Traditionen und – oha – die ganz persönliche Freiheit angegriffen und in Frage gestellt. Die Schlacht ist heroisch (Catherine) und doch nicht zu gewinnen. Irgendwie für beide Seiten nicht. Und die Mehrheit hat irgendwie immer das “Recht”, tief in sich drin die “andere(n)” als Spinner in die Ecke zu stellen.
Dass das alles doch irgendwie vergnüglich bleibt, liegt auch wieder an unseren neuen Freunden: Die Tatsache, dass man nicht verstanden wird, ist kein Grund, seine Meinung nicht zu sagen. Meint der stille Hamburger Peter, während er sich über den Nachtisch her macht. Also, ich kann ihnen sagen: Die Kombination einer Hamburger Gelassenheit mit der Affinität zu südfranzösischem Temperament erzeugt eine Gemütlichkeit, die dem Genuss eine bedächtige, aber sehr bewusste Chance einräumt. Immer wieder. Wir werden viel mit einander lachen. Und dabei ganz bewusst zusammen reisen!




Kurz vor 14:00 werden wir in kleinen Bussen zu der Anlegestelle gefahren. Dann besteigen wir ein Motorboot, das uns bis etwa zur Mitte des riesigen Tonlé Sap – Sees bringt, wo wir auf ein Speed-Boat umsteigen, das uns schliesslich zur Toum Tiou II bringt, die auf dem Tonlé Sap – Fluss ankert. Die Boote müssen dem Wasserstand angepasst sein, und der ist jetzt, am Ende der Trockenzeit, ziemlich niedrig,




deshalb die etwas kompliziert anmutende Anreise.
Wenn der Monsun und die Schneeschmelze in den tibetischen Bergen (Mai – Nov.) das Wasser im Mekong ansteigen lässt, wird der Tonlé Sap Fluss zurückgedrängt, wechselt also seine Fliessrichtung und füllt den Tonlé Sap – See, der dann fast doppelt so gross wird; dabei kann ich jetzt schon seine Ufer nicht erkennen.




Er ist der grösste See in SO-Asien und einer der fischreichsten. Bis zu 12 m hebt sich der Fluss, und die Menschen hier haben sich so angepasst, dass sie schwimmende Dörfer gebaut haben, die diesem Umstand Rechnung tragen. Laut Programm sollten wir heute ein solches besichtigen, aber wir fahren mit dem Schnellboot nur langsam durch, während die Sonne untergeht.








Ein Stück nach dem Dorf – es ist inzwischen dunkel – gehen zur Begrüssung die Lichter auf unserer Barke an. Das Speedboat fährt längs, wir steigen hinüber. Ein tolles Schiff ist das!



Auf dem 1. Deck sind Kabinen, auf dem 2. ebenfalls (da sind wir), sowie ein offener Speisesaal, auf dem 3. eine Bar und Sonnenterrasse inkl. Dachgarten. Hier lässt es sich sein, ideal zum relaxen, nach den doch eher anstrengenden Tagen.
Wir beziehen die schöne Kabine mit grosser Fensterfront.






In der Bar gibt es einen Drink. Da es sehr gewitterhaft ist, hat es Unmengen von Mücken. Um jedes Licht sind ganze Wolken davon, so was habe ich noch nie gesehen. Das Antibrumm scheint sie jedoch abzuschrecken.
Beim Speisesaal wurden die Bambus-Roulos heruntergelassen, was die Plagegeister draussen hält.
Sandy hat uns einen Tisch mit Catherine und Peter gegeben; das Essen ist vorzüglich, und wir unterhalten uns bestens.
Über Nacht bleiben wir hier vor Anker.


[Die Bilder des Tages lohnen heute, wie wir meinen, ganz besonders einen Besuch, wenn man Sonnenuntergangsstimmungen mag…]




Banteay Srei, Ta Som, Neak Pean, Preah Khan, Preah Pithu und Abschied

∞  23 Mai 2009, 15:20

Erlebt am 22. März 2009, Nachmittags


[Die Tempel auf der Karte ]


[Die Bilder des Tages: Album ]


Kurz vor 12:00 sind wir in Banteay Srei. Nur noch eine Gruppe Franzosen ist hier. Wir warten, bis sie gegangen sind, da die Gänge in der Anlage nicht allzu breit sind. Und wir haben Zeit!








Ich stehe nun beim inneren Eingang und höre einem Guide zu, der seinen zwei Touristen weis machen will, dass Garuda der Beschützer Shivas sei und sie dann mit Jahreszahlen und Namen zutextet, die kein Mensch behalten kann. Sicher übersieht man ohne Guide das eine oder andere Detail, aber das muss ich wirklich nicht haben.
Dieser Tempelkomplex ist ganz anders, als die bisher gesehenen. Das Eingangstor ist oben schleifenartig geschwungen, und die filigranen Steinmetzarbeiten sind einmalig schön.






Ich versuche, die Geschichten zu lesen, lasse mich von der Detailtreue der Figuren bezaubern. Die Tempel stammen aus dem 10. Jh.,




und die Arbeiten sind immer noch gestochen scharf oder gut restauriert.






Jeder einzelne der sieben Köpfe der Naga-Schlange ist sichtbar, mit Augen und Zähnen.




Die Figuren tragen Arm- und Ohrringe. Das Ramayana als in Stein gemeisselte Bildergeschichte!




Die Anlage ist von einem Wassergraben umgeben, und wenn man diesen überquert, hat man einen schönen Blick auf die Tempeltürme.




Wir finden unter einem Baum ein gutes Plätzchen im Schatten und geniessen die Stille, die nur von den Zikaden gestört wird. Viele Schmetterlinge und Libellen sind hier. Ich bin.




Es wird zunehmend heisser; zwar hat es vereinzelte Wolken am Himmel, aber die scheinen mir gewittriger Natur zu sein, deshalb ist es wohl so schwül. Wir freuen uns auf die Rückfahrt nach Angkor, den kühlenden Fahrtwind. Dies ist aber Fehlanzeige, denn selbst dieser ist richtig heiss. Wir kommen uns vor, wie Wäschestücke im Tumbler. Andere hätten allerdings mehr Grund zu schwitzen:




Als wir beim Ta Som ankommen, sind unsere Kleider zwar trocken, aber nicht für lange. Zum Glück liegt der kleine Tempel inmitten von grossen Bäumen. Hier gefällt es mir sehr. Sein Eingangstor weist ebenfalls die 4 Gesichter auf, wie bei Angkor Thom, ist aber besser erhalten.
Zudem ist das Ausgangstor von einer dekorativen Würgefeige überwuchert.












Der Neak Pean ist ein Inseltempel, und kommt wohl nur in der Regenzeit richtig zur Geltung, wenn die Becken gefüllt sind.




Preah Khan ist eine sehr grosse Anlage, die ca. 1’000 Mönchen als Kloster diente. Das Eingangstor ist wegen Restaurationsarbeiten verhüllt, und im Hauptgebäude gibt es auch noch viel zu tun. Dennoch herrscht hier eine wunderbare Atmosphäre. Licht, das durch die Lücken im Dach eindringt, die schiefen Wände, die Würgefeige, die eine ganze Aussenmauer fest im Griff hat, die vielen losen Steine, die ganze Räume füllen, Durchgänge, die ins Nirgendwo führen: wehte hier kein guter Geist, wäre es gespenstisch.














Wir gehen aussen herum zum Tuki zurück, vorbei an den Händlern. Auch ihnen ist es zu heiss, die meisten schlafen. Nur die Zikaden sind in Hochform.
Zeit für eine Kokosnuss!
Wir fahren durch das Nordtor von Angkor Thom zum Parkplatz bei der Preah Pithu-Gruppe, wo wir sofort von den lieben Leuten erkannt werden, die uns vorgestern Unterschlupf vor dem Regen gewährten. Sie freuen sich sehr, dass wir wieder zu ihnen kommen.




Mit dem Selbstauslöser machen wir Fotos und versprechen, sie zu senden. Die Besitzerin schreibt alle unsere Namen in lateinischer Schrift und dann in Khmer auf einen Zettel.
Wir besuchen nochmals die Preah-Pithu-Gruppe, diese fünf Tempel-Ruinen, die wir wegen dem Regen das letzte Mal fluchtartig verliessen. Wieder ist kein Mensch hier;




wir picknicken genüsslich unter den ausladenden Baumkronen und nehmen so in wunderbarer Stille Abschied von den Angkor-Tempeln.






Alle winken, als wir abfahren.
Das letzte Mal durch Angkor Thom, vorbei an den Prasat Suor Prat Tempelchen, die mit Sonne tatsächlich richtig warm erstrahlen,




dem Bayon,




dessen steinerne Gesichter sich auch heute geheimnisvoll lächelnd geben, zum Südtor hinaus, vorbei an Angkor Wat, das von Weitem am schönsten aussieht.


Auch hier teilen wir uns die Strasse mit den unterschiedlichsten Weggenossen.




Dann heisst es Abschied nehmen von T, dem scheuen, zurückhaltenden Mann mit dem grossen Herzen, der uns ein so guter Fahrer war.
Jetzt will ich nur noch duschen, mich im klimatisierten Zimmer hinlegen. Packen müssen wir auch noch.




Kambodscha: East Mebon und Landminenmuseum

∞  22 Mai 2009, 16:55

Erlebt am 22. März 2009, vormittags


[ Kartenausschnitt: East Mebon und Richtung nach Banteay Srei ]


Auch heute werden wir durch die Sonne geweckt. Wir wollen zu der 38 km entfernten Banteay Srei Tempelanlage, dort aber erst um 12:00 ankommen, weil sich dies so gut bewährt hat. Wir starten wieder um 09:00



und halten beim East Mebon, der am Weg liegt.
Wie der Pre Rup hat er fünf Türme und drei Terrassen,




mit dem Unterschied, dass an den Ecken der Terrassen gut restaurierte Elefanten stehen (sie bekamen Zähne und Rüssel zurück),




und die Treppenstufen auch für mich zu überwinden sind.
Der Gottheit im Hauptturm – ich vermute, es handelt sich um Vishnu – wurde bereits geopfert, und der Duft von Räucherstäbchen umgibt mich.




Die Aussenwände von zwei kleinen Nebengebäuden neigen sich derart nach aussen, dass es mich wundert, dass sie überhaupt noch gestützt werden können.




Auch auf dem Weg liegt das Landminenmuseum, das eine Herzensangelegenheit T’s zu sein scheint. Er hat ja viele Familienmitglieder verloren, auch durch Landminen. Ein Privatmann hat eine Stiftung ins Leben gerufen, die Geld sammelt, um Minenräumaktionen zu finanzieren, denn immer noch sind weite Teile Kambodschas nicht sicher. Täglich explodiert irgendwo eine Mine oder ein Blindgänger. Meist trifft es Bauern, die ihre Felder bestellen oder spielende Kinder. Arme und Beine werden weggerissen, Prothesen sind rar. Die Stiftung unterstützt auch die Opfer, erfasst sie, gibt ihnen eine Stimme. Die Arbeit wird in dem Museum dokumentiert, die Gräuel des Krieges aufgezeigt, die Minen ausgestellt etc. Das muss ich nicht sehen, will aber die Räumungsaktionen und die Opfer unterstützen, zumal es sich hier um eine NGO handelt, die nicht korrupt ist, wie uns T versichert. Thinky macht einen kurzen Rundgang und füttert für uns die Spendenbox.
Weiter tuckern wir durch Reisfelder und kleine Dörfer.




Die meisten Häuser stehen auf Stelzen, darunter baumeln die Hängematten, leben Schweine und Geflügel. Überall ist es sattgrün, die Vegetation üppig. Bunte Blumen und blühende Sträucher gibt es, wohin man auch schaut. Die Bananenstauden und Mangobäume hängen voller Früchte. Das feucht-warme Klima lässt alles wunderbar gedeihen, wie in einem Treibhaus.

GEBT DEN MENSCHEN IHREN STOLZ ZURÜCK


Das kleine Landminenmuseum ist eindrücklich. Das Leid der dokumentierten Schicksale stülpt sich nicht einfach wie eine vernichtende Krake über mich, nein, es erdrückt mich nicht. Wahrscheinlich deshalb, weil dieses Museum auch eine Art Vermächtnis des Gründers dieser Stiftung ist. Kriege führen auch immer wieder zu ganz besonderen Lebensläufen, in denen sich alles verbündet, das dem Irrsinn des Krieges die unerschütterliche Menschlichkeit entgegen setzen will, trotz allem Leid, das diese Menschen selbst getroffen hat. Was siegt in unserem eigenen Lebensbild? Die Tatsache, dass Kriege immer wieder geführt werden, womöglich noch brutaler als alles, was bisher schon unvorstellbar war – oder der unausrottbare Samen der Güte, der in allen diesen Konflikten stets irgendwo nieder fällt und keimt, wächst und gedeiht? Menschen werden aus ihren Erfahrungen immer wieder die unterschiedlichsten Konsequenzen ziehen. Sie können, ja sie müssen sich immer wieder zwischen Versöhnung und Hass entscheiden, die Menschlichkeit wählen oder nur noch an die eigene Macht glauben. Laut Michael setzen die Kambodschaner in neueren Grenzkonflikten selber Tretminen ein. Sie hätten ja selbst Anschauungsunterricht genug genossen, wie effektiv diese wären, meint er bitter.
Ich sage dennoch: Ein von Minen befreites Feld ist jene Art von Entwicklungshilfe, die den Menschen vor Ort neue Möglichkeiten schenkt. Und die Arbeit, die zwar gefährlich ist, kann ausgebildet und vermittelt, weiter gegeben und in die Hand von Einheimischen gelegt werden, nach und nach. Gebt den Menschen ihren Stolz zurück, indem Ihr ihnen eine Perspektive schenkt.
Als ich aus dem Museum komme, empfangen mich freundliche Gesichter, und ich trinke mit den Menschen und mit meiner Liebsten gegen den Durst in der feuchten Hitze an. Hier wird gelebt. Und jedes Lächeln, das ich beitragen kann, ist wenigstens annähernd so stark wie das, was ich selbst an Freundlichkeit in mir aufnehme. Menschen können mit einander auskommen. Je mehr wir darum wissen, dass wir einander trotz oder gerade wegen unserem Wunsch nach persönlicher Freiheit nötig haben, um so leichter und friedvoller wird unser Leben sein.


Ta Prohm, Pre Rup, Banteay Samre und Angkor Wat

∞  21 Mai 2009, 16:17

Erlebt am 21. März 2009 nachmittags


[ Bilder des Nachmittags ab HIER Karte: Ta Prohm, Pre Rup, Banteay Samre und Angkor Wat via wikivoyage.org ]

Kurz nach 12;00 sind alle Gruppen weg, und die übrigen Anwesenden verteilen sich recht gut in der Anlage. Es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe: so was von eindrücklich! Riesige Wurzeln halten Mauern umklammert. Manchmal sieht es so aus, als ob sie darüber fliessen würden.

Die Bäume wachsen aus Dächern und kleinsten Ritzen, stellen ihre Sprengkraft mühelos unter Beweis. Die Natur demonstriert hier ihre Macht ohne die geringste Anstrengung. Es sind die Mauern, die ächzen und stöhnen.

Wir bleiben hier über eine Stunde, können uns gar nicht satt sehen. Eine Welt wie aus einem Fantasy-Film.

Zurück auf dem Parkplatz gehen wir mit T eine Kokosnuss trinken. Selbst er schwitzt.

Pre Rup hat wie Angkor Wat fünf Türme und drei Ebenen.


Eine steile Treppe führt nach oben. Für mich zu steil, und die Tritte zu hoch. Thinky macht sich an den Aufstieg, während ich den Tempel ebenerdig umrunde.

BEGEGNUNG MIT DER EINSAMKEIT


Die Treppe des Pre Rup ist so steil, dass ich das Gefühl habe, bei jedem Tritt “gleich in die Mauer zu laufen”. Zum Glück sind die Tritte nicht nur hoch, sondern auch tief genug, so dass die Sohlen immer sicheren Halt finden.






Die ganze Treppe ist zwar lang, aber nicht soo lang, dass ich nicht Luft und Gedanken anhalten und machen könnte, dass ich raufkomme. Und dann stehe ich keuchend auf der obersten Ebene und drehe mich um. Meine Knie zittern. Nicht nur wegen der Anstrengung. Ich bin alles andere als schwindelfrei. Was mache ich eigentlich hier oben? Mein Blick fällt der irrwitzig steilen Treppe entlang nach unten. Himmel…




Dabei habe ich mindestens einen Meter Platz zwischen mir und der Kante zur ersten Treppenstufe. Es hat noch ein paar Touristen ausser mir hier oben, aber wir sind ein versprengtes Grüppchen, und wer die Aussicht geniesst, dem dürften meine Probleme ziemlich egal sein.



Fragen Sie mich nicht, wie sie war, diese Aussicht. Sie war bestimmt toll. Aber ich habe sie wohl nicht wahrgenommen. Stattdessen trete ich von der Kante zurück und wende mich dem Bauwerk zu. Ich bin vielleicht kaum je auf einem mächtigeren Gesteinsquader gestanden als hier und jetzt, und vor mir steigen die Türme in den Himmel,

stoisch in einer Art, die ein bisschen Sehnsucht weckt, auch je eine solche Sicherheit zu kennen – während die Knie einfach nicht wollen, was ich will. Ich gehe wie auf Eiern, aber ich gehe – und bin vielleicht genau der Richtige, um ganz besonders hier die Utopie des Menschen zu fühlen, für die Ewigkeit bauen, überhaupt irgendetwas schaffen zu können, das zeitlos bliebe. Denn dieses mächtige Bauwerk zerfällt sichtlich und ist gerade deswegen so pittoresk (was für alle Anlagen rund um Siem Reap gilt). Ja, in dieser Deutlichkeit, mit der das sichtbar ist, liegt vielleicht die grösste Faszination überhaupt. Jede einzelne Mauer, jeder Felsvorsprung erzählt von Entstehung UND Verfall. Die geflochtenen Körbe, die ich immer wieder verlassen in den Anlagen stehend antreffe, und in denen Laub oder Abfall gesammelt wird, bilden dabei für mich das Sinnbild, wie der Mensch versucht, das Bestehende zu erhalten – verloren in einem Bemühen, das gegen die Zeit am Ende nichts auszurichten weiss.

Ich stelle mir vor, wie Gott uns in unserem Schaffen genau so liebevoll amusiert zusieht, wie wir ein Kind beobachten, das die Hausarbeit seiner Mutter imitiert. Was könnten wir denn Ehrfürchtigeres tun, als die Schönheit zu bewundern und zu pflegen, so lange sie zu erkennen ist? Wir sollten uns mit der Utopie der Ewigkeit in unserem weltlichen Streben nach Vollkommenheit nicht quälen.

Vollkommen aber ist in mir nur meine Schiss. Denn nun muss ich da wieder runter. Zuvor aber bleibe ich noch eine ganze Weile stehen. Ich kann in diesem Moment spüren, wie sich tiefe, Angst machende Einsamkeit anfühlen muss: Da unten, irgendwo, ist Thinkabout’s Wife, per Luftlinie ein paar Meter entfernt, aber gleichzeitig am Ende der Welt. Wenn soziale Netze brechen, wenn Beziehungen scheitern, dann mag sich genau dieses körperliche Gefühl einstellen: Wie es nur weiter gehen kann, ist klar, der Weg vorgezeichnet, man steht noch immer im Leben, aber nichts gibt Halt, im Ausblick sehe ich nur Bedrohung und niemand soll mir sagen, das hier wäre ein Klacks und ich müsste nur Schritt für Schritt nehmen und unter mir wären Tonnen von Gestein. Nein, ich kann die Gravitation fühlen und könnte glauben, ich würde bestimmt in die Tiefe gezogen. Und die Weite vor mir ist nur ein bedrohliches (Luft-)Loch.

Herrschaft, ich bin wirklich ganz allein. Und dass ein paar Menschen um mich herum stehen oder schon auf der Treppe sind, macht es nur noch schlimmer…

Dann blende ich alles aus. Ich bin hoch gekommen, also geht’s auch wieder runter. Schritt für Schritt. Unterwegs treffe ich eine Dame, deren Körperhaltung mir sagt, dass sie das gleiche Problem hat. Wir lächeln uns aufmunternd an und ich gebe mir einen Ruck:

Wenn ich mir einbilden kann, ich täte etwas für andere, statt nur für mich selbst, fühlte ich mich schon immer besser in meiner Haut. Also gehe ich der Dame voraus – im Grunde aber schiebt sie mich auch unsichtbar vorwärts, und bald hat uns die Erde wieder. Und damit meine ich den Boden des Planeten, nicht so ein schwabbeliges Bauwerk, jawoll.

Kinder aus einem Waisenhaus verkaufen aus Palmblättern gebastelte kleine Fische und Vögel, die an einem Schnürchen hängen. Ich kann sie als Geschenk-Anhänger gebrauchen. Thinky bringt Fotos von oben mit, und wir setzen uns unter einen grossen Baum, die ganze Anlage im Blick, und machen Picknick.

Jetzt wollen wir zum Banteay Samre. Die Fahrt führt durch Dörfer und Reisfelder, und ich sehe endlich einen Wasserbüffel.

Auch zu dieser Anlage führt ein längerer Fussweg, und auch hier spielt ein Orchester, daneben werden schöne Messingfigürchen verkauft, darunter auch Elefanten. Wir möchten eigentlich nur einen haben, aber ganz untypisch verkauft man hier nur zwei für $3. Bis jetzt haben alle kleineren Sachen ausnahmslos $1 gekostet: die Kokosnüsse, die Dose Cola, zehn Postkarten, Armbändchen, Schlüsselanhänger etc.. Die kambodschanische Landeswährung, der Riel, ist praktisch nicht im Gebrauch, jedenfalls nicht für Touristen. ( 1$ entspricht ca. 4’100 Riel). Naja, dann nehmen wir eben zwei, einen mit Rüssel nach oben, einen mit Rüssel nach unten. Ist schliesslich für einen guten Zweck.

Die Anlage ist wunderschön.

Die einzelnen Gebäude innerhalb der Umfassungsmauer sind wie ineinander verschachtelt. Sie wurden zwar auch restauriert, aber auf sanfte Art und sind dabei sehr authentisch und lebendig geblieben.

Wir sind hier die einzigen Touristen und können uns alles völlig ungestört anschauen, in uns aufnehmen. Ein Mönch praktiziert in einem der Räume. Er nickt uns freundlich zu.

Hier wurden auch blühende Sträucher gepflanzt, darunter ein wunderbar riechender Frangipani und eine Bougainvillea, auf der ich einen kleinen Leguan entdecke.

Wir haben Zeit und nehmen sie uns. Vielleicht haben wir ja Glück, und es gibt heute einen schönen Sonnenuntergang. Das wäre so um ca. 18:00. Dafür treffen wir nach 16:00 wieder in Angkor Wat ein und setzen uns in ein Restaurant am Rand des Seerosenteiches. Hier stehen Bäume mit riesigen, ausladenden Kronen wie Schirmakazien, die wunderbaren Schatten spenden. Die ersten Fotofreaks haben ihre Stative bereits in Stellung gebracht, stehen und sitzen auf mitgebrachten Höckerchen, andere suchen noch nach den besten Plätzen.

Wir bestellen jetzt erst einmal Nudeln mit Gemüse und Spiegelei, sowie Kokosnüsse. Die haben bei mir Suchtfaktor. Das Essen ist ausgezeichnet, ich bekomme auch noch etwas zusätzliche Chilischoten. Die Temperatur ist erträglich. Wir erhalten „Besuch“ von einer alten Frau: Sie will mir ein T-Shirt verkaufen mit den aufgedruckten Khmer-Vokalen. Es sieht nett aus, ist meine Grösse, eine gute Qualität, brauchen tue ich es nicht. Aber die Frau tut mir leid. Nur 3$ will sie dafür haben. Sie strahlt in ihrer Armut soviel Würde aus. Ich kaufe das T-Shirt und biete ihr noch die Kokosnuss an, hoffend, dass ich sie damit nicht beleidige. Nein, sie nimmt sie gerne. Mit aneinandergelegten Händen verbeugt sie sich so tief, dass es mir peinlich ist.

Thinky kauft auch eines.

Etwas später kommen zwei Kinder mit einem trommelartigen Instrumentchen: Da ist es wieder, das „only one dollar, madame“, wobei das „madame“ konsequent französisch ausgesprochen wird. Das Instrument muss natürlich demonstriert werden, sonst kauft es eh keiner, und das ist laut, zu laut. Und geht schnell auf die Nerven. Ich will es nicht kaufen, sie wollen nicht verschwinden. Thinky nimmt es und legt es auf die andere Seite des Tisches, zur Abholung. Das scheinen sie zu kapieren. Flöten sind übrigens auch im Angebot. Und Fotobücher.



SOUVENIRVERKÄUFER SIND AUCH MENSCHEN

Eigentlich wissen wir das ja alle. Dennoch nimmt man sie als Tourist in der Fremde gerne in erster Linie als Störefriede wahr. Sei können ja auch hartnäckig sein, und dass es oft Kinder sind, macht die Sache auch nicht einfacher, mag man sich doch durchaus unbehaglich dabei fühlen, so im Fokus eines jungen Lebens zu stehen, das doch vor allem Schule und Spielen kennen sollte (Achtung: Niemand sagt, dass diese Kinder gar nicht in die Schule gehen).

Gerade im Kontakt mit diesen Kindern kann ich jeweils sehr leicht erfahren, wie ich im Moment gerade selbst geerdet bin: Bin ich nicht auch vielleicht abwehrend, weil ich mich fremd fühle? Ist mein Denken gerecht, wenn ich auch abwehre, weil ich mich daran störe, dass nur mein Geldsäckel zählt?

Es ist im Grunde ganz einfach: Wenn ich einen oder zwei Schritte auf die Menschen zugehe, werden sie selbst sehr menschlich für mich. Hier, unter diesen schattigen Bäumen, mit viel Zeit und innerem Frieden, voller Dankbarkeit, an einem solchen Ort sein zu dürfen, gelingt uns das sehr gut. Wir sprechen einen Jungen an, der ein Buch über Angkor verkaufen will. Und schliesslich schaut meine Liebste mit ihm das Buch durch. Es ist längst klar, dass sie es nicht kaufen wird, aber der Junge blättert weiter, als würde er selbst zum ersten Mal die Bilder richtig betrachten. Und der stille Ernst, der aus ihm spricht, lässt mich lächeln.

Ich habe mir – für meine guten, gelassenen Momente in der Fremde – einenTrick zugelegt: Ruhig einmal ein paar Sätze in meiner eigenen Sprache an das Kind, den Menschen richten, es wirklich anschauen und auf etwas ansprechen, das ich ganz bewusst NEBEN den angebotenen Postkarten entdecken kann. Es wird sofort Neugier geweckt, und plötzlich ist es hell geworden, und das Lachen ist herzhaft.

Es sind glückliche Momente, hier in Angkor Wat, wo das wirklich Lebendige die Natur des Lichts und die Menschen sind, die von uns Besuchern leben. Übrigens: Das Nudelgericht war absolute Spitze!

Langsam wird es auch für uns Zeit, um an den Teich zu gehen. Ein Stativ haben wir nicht mit, das muss auch so gehen.

Thinky fotografiert den Sonnenuntergang, der auf den Bildern besser aussieht, als in Natur, auch ohne Bearbeitung. Ich konzentriere mich auf das Darumherum: die Mönche, die sich in ihren orangen Roben mit Touristen fotografieren lassen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich dabei um Statisten handelt. Und dann die Tempeltänzerinnen, die plötzlich auftauchen und mehr miss- als anmutig auf mich wirken und auch noch Geld für ein Foto wollen. Für was so ein Zoom nicht alles gut sein kann;-).

Auf Pferdchen kann man um den Teich reiten, und einen Fesselballon gibt es auch, der meinen ersten Eindruck von diesem Ort endgültig abrundet.

Um 18:20 – es ist noch nicht dunkel – erscheinen die Wächter und drängen die Touristen aus der Anlage. Der Tempel wird jetzt beleuchtet, und dafür braucht man ein Zusatzticket. Was in manchen Prospekten als „spektakulär“ angepriesen wird, ist einfach nur kitschig: rot, blau, grün, gelb, weiss, so wechselt Angkor Wat jetzt minütlich seine Farbe und hat dabei seine Seele für immer verloren.

Mittlerweile ist es stockdunkel. T erwartet uns gleich am Eingang des Parkplatzes und wir fahren durch die Nacht zurück zur Villa. Im Gegensatz zu einigen andern Verkehrsteilnehmern hat unser Tuki Licht.

Thomas lag den ganzen Tag flach: Durchfall, und wie. Ich biete ihm Elotranslösung an, einen Stopper haben sie selbst. Die habe ich immer mit, aber noch nie selbst gebraucht. Morgen früh fahren sie mit dem Taxi nach Bangkok, das dauert gut zehn Stunden.

Das war ein langer Tag.


THEORIE UND PRAXIS

Es sind keine 48 Stunden her, da haben die Damen und Herren Weltenbummler beistimmend in die Runde genickt, als jemand meinte, man müsse in fremden Ländern neugierig sein und insbesondere auch das Essen probieren. Dem scheuen Einwand, dass es dabei Grenzen gäbe, die einzuhalten ganz vernünftig wäre, wurde nur ein nachsichtiges Stirnrunzeln geschenkt. Nun gebe ich ja gerne zu, dass wir relativ rigoros sind in unseren Regeln: Wir essen keine ungekochten Speisen und nicht mal schon geschält servierte Früchte. Und auch eine Garküche kocht nicht alles so gar, dass es zu empfehlen wäre. I

Und sonst, hielt man uns entgegen, hat man halt ein bisschen Durchfall. “Das vergeht wieder”.

Nun hängt Thomas im Stuhl. Ich empfinde keine Schadenfreude. Es ist alles andere als ein Vergnügen, “das bisschen Durchfall” bei über 35 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit einfach so weg zu stecken – und auf Reisen schon gar nicht.

Im Grunde habe ich mich über mich selbst geärgert: Wir waren auch diesmal jene, die zu helfen wussten und “was dabei hatten”. Und doch lasse ich mich vom souveränen Gehabe lockerer Globetrotterrunden immer wieder ins Bockshorn jagen und frage mich dann im Stillen, ob ich es nicht doch etwas zu eng sehe?

Jeder, wie er es braucht: Nur Glück war es wohl auch nicht, dass wir selbst in fünfundzwanzig Jahren Fernreisen nie durch einen “richtigen” Durchfall eingeschränkt wurden. Aber Glück braucht es auch.


Siem Reap: Auf dem Weg zum Ta Prohm

∞  20 Mai 2009, 16:50

Erlebt am 21. März 2009, vormittags

[ Karte, Album vom 21. März 2009 ]

Heute ist es strahlend schön, die Sonne hat fast alles Diesige weggefressen, und der Himmel ist zumindest hellblau.

Um 09:00 starten wir. Die Fahrt geht am farbenfrohen Markt vorbei.

Ich staune auch jetzt wieder, dass es nichts gibt, was man auf einem Moped nicht transportieren könnte, auch drei ausgewachsene, lebende Schweine sind möglich. Im Tuk-Tuk ist man zudem an all dem recht nahe dran.

Unsere Rucksäcke stehen zwischen uns am Boden, und ich habe mein linkes Bein so angewinkelt, dass meiner nicht rausfallen kann. Auf diesem Knie sitzt er. Ein Frosch. Knallgelb. Handtellergross. Mit grossen Saugnäpfen an den Füssen. Keine Ahnung, woher der kommt, muss wohl im Tuk-Tuk übernachtet haben. Nach dem ersten Schreck gefällt er mir, ich will ein Foto machen, da springt er auf den Rucksack, zum Glück nicht auf die Strasse – gelb gefällt er mir besser als rot. Nach ein paar Minuten fahren wir schon in den Parkplatz beim Prasat Kravan – Tempel, wo auch er aussteigen darf.

Wir seien die ersten Besucher, versichern uns die Händlerinnen, und würden deshalb auf alles Rabatt erhalten. Eine hübsche taubenblaue Bluse mit asiatischem Verschluss hat die Eine über dem Arm: “maybe when I come back – don’t forget me” – nein, nein, sie gefällt mir ja, und ich möchte den Leuten ja gerne etwas abkaufen, wenn sie etwas (Ver)Brauchbares anbieten.

Die Tempelanlage ist vollständig restauriert, liegt in einem grossem Park, wirkt aber etwas steril.

Mit der Bluse geht es weiter zum Banteay Kdei, einem ehemaligen Klosterkomplex, der im Gegensatz zum Prasat Kravan sich praktisch noch im Urzustand befindet: Genau so, wie man ihn nach der Entdeckung frei gelegt hat, ohne Restaurierungen.

Zwei Löwen stehen vor dem Eingang, die Mauern neigen sich bedenklich.

Eine warme Ausstrahlung hat das Gebäude, das uns sofort in seinen Bann zieht. Die fein gearbeiteten Figuren an den Wänden der Innenhöfe sind absolut sehenswert. Einer der Wächter weist mich auf eine besonders schöne hin. Die Dachkonstruktion ist hier nicht aus Holz, und somit weitgehend erhalten geblieben. Ein herrlich friedlicher Ort, den wir ganz für uns allein geniessen dürfen.

Gegenüber ist das Wasserreservoir Srah Srang. Das liegt in der prallen Sonne, und die heizt gerade auf 40° – im Schatten.

Vielleicht hilft da ja etwas Tuk-Tuk-Fahrtwind. Jetzt geht es zu meinem – wie ich hoffe – persönlichen Highlight: dem Ta Prohm. Auch dies ist ein Klosterkomplex, aber immer noch im Griff der Würgefeigen und Kapokbäume, die man hier extra so weit wie möglich stehen liess. Schon beim Einbiegen in den Parkplatz sehen wir die Busse. Wir sind zu früh, denn auch diese Gruppen werden erst um 12:00 ins Restaurant verfrachtet werden. Zu der Anlage führt ein längerer Weg durch den Wald, und den schlendern wir gemütlich entlang. Ein Orchester spielt auf traditionellen Instrumenten traditionelle Musik. Es sind Landminenopfer, die auf eine Spende hoffen. Wir hören ein wenig zu, ich mag diese einfachen, ehrlichen Klänge, stecken etwas in die Box und gehen weiter. Da drängen sie sich vor dem Eingang: Eine Gruppe Japaner mit rosa Hüten, dahinter eine mit gelben Fähnchen. Alle wollen sich vor der Würgefeige fotografieren lassen. Das dauert. Laut sind sie. Und es kommen neue Gruppen.

Wir setzen uns auf ein Mäuerchen im Schatten und machen erstmal Pause.

Siem Reap: Bayon, Angkor Wat

∞  19 Mai 2009, 16:55

Erlebt am 20. März 2009 am Nachmittag:


Karte [ via wikivoyage.org ]

T fährt uns zum Bayon, wo wir kurz vor 12:30 ankommen. Wie erhofft sind die Busse weg und die Regenponchos können wir im Tuk-Tuk lassen. 37 Türme erwarten uns hier, die meisten mit vier riesigen Gesichtern, eines in jede Himmelsrichtung.

Die Verwitterung hat vor keinem Halt gemacht, dennoch sind sie würdevoll schön und eine geheimnisvolle Aura umgibt sie. Was für ein Ort!

Um den eigentlichen Tempel herum befinden sich kleinere Schreine, eigentlich sind es grosse Buddhafiguren mit Ueberdachung. Laien und Mönche bringen Opfergaben.

Einen kurzen Besuch statten wir noch der Elefanten-Terrasse ab; erstaunlich, wie plastisch die Tiere wirken, obwohl sie praktisch nur aus einem Rüssel bestehen!

Hingegen brauchen die Prasat Suor Prat – Tempelchen auf der anderen Strassenseite zwingend etwas Sonne, um richtig zur Geltung zu kommen.

Dann tuckern wir nach Angkor Wat; die Strasse führt durch den Wald, und da leben die heiligen Affen. Ich mache ein paar Fotos und sie entern sofort das Tuk-Tuk, springen aufs Dach.

Aggressiv sind sie nicht, nur standesbewusst.

Angkor Wat ist das grösste sakrale Einzel-Bauwerk der Welt. Seine fünf Türme sind bis zu 65 m hoch (steht man direkt davor, sieht man nur drei); es wird ebenfalls von einem breiten Wassergraben umgeben, über den sich auf der Westseite eine Brücke spannt.

Darüber wälzt sich ein steter Besucherstrom – 1 Mio. sollen es jährlich sein -, der auch jetzt nicht gerade klein ist.

Wir steigen die Treppen hoch, umrunden das Gebäude (die 2. und 3. Ebene sind wegen Renovierung geschlossen), erkunden die Innenhöfe.

Hübsche Figuren hat es da an den Wänden, aber ich kann mir nicht helfen, für mich ist der ganze Tempel tot. Da lebt nichts mehr, ausser der Vermarktung.

Dazu passt die rund herum verlaufende Galerie mit den Buddha-Statuen: allen wurde der Kopf abgeschlagen (nicht im Bild).

Sehr schön aber sind die Reliefs an der Aussenwand:

Inzwischen scheint die Sonne, aber es ist viel zu diesig für einen guten Sonnenuntergang, der hier so spektakulär sein soll; darauf brauchen wir also nicht zu warten.

Wir gehen etwas essen, dann zurück in die Villa. Da werden blühende Sträucher in grossen Töpfen angeliefert, die dekorativ um den Pool herum aufgestellt werden.

Ich spiele mit den zwei tollpatschig-süssen Hundewelpen.

Wir unterhalten uns länger mit Thomas und Beate, einem sehr sympathischen Paar aus Leipzig, das wir schon am Vorabend kennen lernten.


Siem Reap am Morgen: Um und in Angkor Thom

∞  18 Mai 2009, 06:50

ERLEBT am 20. März 2009

[Karten: Besuchte Orte um Angkor Thom am Morgen via wikivoyage.org und Central Angkor Thom via wikivoyage.org ]

Wir haben beide gut geschlafen und sind wach, bevor der Wecker klingelt. Beim Verlassen unseres klimatisierten Zimmers, glaube ich gegen eine Wand zu laufen: die Luft ist dermassen feucht, dass sie richtig zäh zu sein scheint, und 30° ist es bestimmt schon. Nach einem guten Frühstück fahren wir um 07:00 los. Heute wollen wir die beiden grössten und bekanntesten Tempelanlagen besuchen: Angkor Thom und Angkor Wat. Zuerst geht es zum Südtor von Angkor Thom, einem der fünf Einlasse in der 3×3 km langen Umfassungsmauer der letzten Hauptstadt des Angkor-Reiches, und das am besten erhaltene. Eine Brücke führt über den 100m breiten Wassergraben, die links und rechts von einer Reihe von je 54 Götter und Dämonen gesäumt ist, die eine Schlange tragen. Wir sind hier zwar nicht allein, aber bestimmt vor dem grossen Besucheransturm da und können das imposante Tor ausführlich bestaunen.

Die Strasse führt nun direkt zum Bayon, dem Hauptheiligtum, aber da sind schon die ersten Busse, weshalb wir erst um die Mittagszeit hier sein wollen, wenn all die Gruppen zum Essen gehen.

Wir fahren durch das ebenfalls wunderschöne Victory-Gate wieder raus aus Angkor Thom

und besuchen zuerst zwei kleinere, gut erhaltene andere Tempel: den Chao Say Tavoda

und den Thomannon.

Bei beiden sind wir wohl die ersten Besucher. Gärtner sind noch dabei, Laub zusammenzukehren, und einige Kinder spielen ausgelassen.

Der Ta Keo ist auch nicht weit; ein wunderschöner Tempel, aber leider nur notdürftig restauriert. Die Treppen sind in sehr schlechtem Zustand und ermöglichen so den freien Fall aus fünf Metern Höhe. Ich habe Michael versprochen, bei ihm die Rechnung zu begleichen, bevor ich da hinaufklettere:

Ein etwa vier Meter hoher Stein-Buddha neueren Datums sitzt in der An Tan Tho Pagoda, auf unserem Rückweg nach Angkor Thom. Den muss ich natürlich besuchen.

Durch das Victory-Gate kommen wir wieder in die Stadt Angkor Thom zurück. T parkiert das Tuk-Tuk auf dem grossen Parkplatz bei der Preah Pithu-Gruppe, wo es auch Shops hat. Für diese Tempel scheint sich ausser uns niemand zu interessieren, und so sind wir wieder ganz alleine in einem riesigen Park mit wunderschönen, alten Bäumen und ziemlich baufälligen Tempeln, die mich sofort in ihren Bann ziehen.

Hier ist der ideale Platz für ein Picknick, aber leider kommt starker Wind auf und aus der schwebenden Feuchtigkeit werden fallende Regentropfen, es blitzt und donnert, allerdings weiter weg.

Als wir zurück eilen, ist T daran, die Regenvorhänge des Tuk-Tuks herunterzulassen, dann suchen wir alle auch schon Schutz bei den Shops vor dem stärker werdenden Regen. Bereitwillig werden für uns Tisch und Stühle zurechtgerückt und ich habe keinen Augenblick das Gefühl, es werde erwartet, dass wir etwas bestellen. Das tun wir natürlich trotzdem, und zwar Kokosnüsse. Herrlich, dieser Saft! Es hat Kinder, die Andenken verkaufen wollen; sie sind anständig und höflich.

Wir lassen die Kokosnüsse halbieren und geben sie ihnen; sie essen das Fleisch daraus noch so gerne.

Mit der netten jungen Shopbesitzerin und ihren Freundinnen unterhalten wir uns angeregt und sitzen so fast zwei Stunden.

Die Planen sind erstaunlich dicht, es tropft nur selten durch, trotzdem ist alles feucht. Es hat deutlich abgekühlt, die Luft ist angenehm frisch und der Regen hat fast aufgehört. Alos ziehen wir unsere Fahrrad-Regenponchos an, die auch die Rucksäcke schützen und machen uns wieder auf unsere Besichtigungstour.

Der Tep Pranam beherbergt ebenfalls einen grossen, neueren Stein-Buddha und liegt mitten in einem Wald.


Ein freundlicher Mann winkt mich zu sich, gibt mir ein Räucherstäbchen, das ich dem Buddha opfern soll. Weiter führt uns dann ein schmaler Trampelpfad durch den Wald von Tempel zu Tempel.

WOHNEN IN DER NATUR


In Angkor Thom gibt es einige Anlagen, denen neu gebaute Tempel angegliedert sind – und Klöster. Nicht ganz untypisch, dass ich diese nicht fotografiert habe:Sie stehen auf Pfählen, und ducken sich doch fast unter die Bäume, die sie umgeben. Nehmen sich neben den Tempeln zurück. Sie empfangen Schutz und bieten welchen. Sie wirken behaglich, wie Oasen der Ruhe, sie haben durchbrochene Wände, mit Fenstern ohne Glas und manchmal ohne Türen. Sie wirken privat und sind doch auch nach aussen gewandt, bewohnt von Menschen, die sich nach der Natur richten und deren Leben noch von Regen und Sonne wirklich bestimmt wird. Ich fühlte mich mehr als einmal angezogen von der Atmosphäre, als wünschte ich, zu lernen, die Zeit fliessen zu lassen.

Nie sah ich da einen Menschen eilen, ausser ausgelassen herum rennenden Kindern.

Doch zu fotografieren gibt es da nichts, schien mir (was mir Vorbeiziehendem bezeichnend erscheint). Keine grossen Kontraste, Prunk schon gar nicht. Alles bleibt zweckmässig, und blitzte mal eine oranges Mönchsgewand auf, so erschien mir ein Photo zu kitschig, zu platt. Hier findet alles seine Ordnung und nichts stellt sich dar.

Jeder Wunsch zur Darstellung, zur Verkörperung, scheint auf den Glauben fokussiert zu sein. Auf den nahen Schrein, bei dem man jeden Tag die frischen Opfergaben finden kann. Schlichte, kleine, liebevolle Zeichen einer Erdung, die nicht nach der eigenen Bedeutung fragt, noch nicht mal nach der nächsten Aufgabe, um sich selbst abzulenken: Ein Leben, das jeden Tag einfach die Fragen von gestern wieder aufnimmt und daran nicht verzweifelt, wenn es auch heute keine Antworten findet. Wäre nicht gerade das bei uns ein weises Leben?


Gemütlich geht es weiter zum kleinen Preah Palilay.

Ein grösserer Tempel mit schönen Pools davor, ist der Phimeanakas. Eine steile Treppe führt hinauf, aber das lohnt sich wohl nur bei besserem Wetter (Aussicht?)

Der Baphuon wiederum ist schon seit Jahren so was wie ein Kunstwerk von Christo für Arme: Er wird restauriert und ist deshalb von der UNESCO vollständig verhüllt worden. Betreten verboten.

Es regnet wieder für ein paar Minuten und wir finden unter einer Palme guten Schutz und Zeit für ein feuchtes Picknick.

Auf der Strasse gehen wir zurück Richtung Parkplatz, während sich Karawanen von Touristen unter Regenschirmen von der Elefantenterrasse hinunter tasten…

und sehen uns noch die Terrasse des Lepra-Königs an, die für ihre Flachreliefs bekannt ist. Diese können mich allerdings nicht richtig begeistern, dafür hat die Figur, von der ich nicht weiss, wen sie darstellt, eine starke Ausstrahlung:


*
Die Reiseberichte werden jeweils Ende der Woche in die Sektion GEREIST verschoben, und können dort “am Stück” nachgelesen werden.
Die Bilder des Tages finden sich gesammelt und grösser anzuschauen jeweils im Reise-Album *




Siem Reap: Roluos-Gruppe

∞  14 Mai 2009, 16:55

Erlebt am 19. März 2009

Mit Michael, dem Besitzer, bespreche ich die geplanten Touren, die ich hauptsächlich anhand der Wiki-Voyage-Seiten zusammengestellt habe. An dieser Stelle ganz herzlichen Dank an Stefan Fussan, den Fussi, wie er genannt wird, der die Seiten gestaltet und ausgezeichnete Karten erstellt hat. Michael gibt mir nun wertvolle Tipps, wie die Besucherströme umgangen werden können, und um 13:00 starten wir zur ersten Erkundungstour. (Dem Jetlag begegnen wir immer auf diese Weise: sofort auf örtliche Zeit um- und einstellen, ja nicht zur Unzeit schlafen, keinesfalls ausrechnen, wie lange man schon auf ist).

[Karte: Die Roluos-Gruppe via wikivoyage.ort ]

Die Luftfeuchtigkeit ist hoch, der Himmel leicht bewölkt, etwa 30°, die natürliche Aircondition im Tuk-Tuk höchst willkommen. Zuerst müssen wir einen Mehrtagespass für 60US-$ kaufen, der zum Eintritt in sämtliche Tempel berechtigt, dann fährt uns T zur 13 km östlich gelegenen Roluos-Gruppe, die aus drei Tempelkomplexen aus dem 9. Jh. besteht. Hier war einmal die Hauptstadt des Khmerreiches, die dann aufgrund astrologischer Erfordernisse im 12. Jh. aufgegeben wurde und nach Angkor umzog.

Zuerst steuern wir Lolei an, die kleinste der drei Anlagen. Sie besteht im Wesentlichen aus zwei Ziegel-Türmen in warmem Rotorange, dh., das ist das, was noch davon zu sehen ist, daneben steht ein Kloster modernen Ursprungs. Wunderbar ruhig ist es hier – wir sind die einzigen Touristen – und können uns alles genau anschauen, die Atmosphäre aufnehmen.

Der Preah Ko umfasst sechs Türme, die je nach Blickwinkel interessante Perspektiven bieten und wunderschöne Steinmetzarbeiten aufweisen. Davor liegen drei Nandi-Bullen, in ihrer altersbedingten Reduziertheit zeitlos schön. Die Anlage ist von herrlichen Bäumen umgeben, handtellergrosse Schmetterlinge fliegen vorbei.

Der Bakong ist der grösste Komplex, umgeben von einem Wassergraben. Hier treffen wir zum ersten Mal auf Andenkenverkäufer und Shop-Stände. Auf mein „no thank you“ folgt ein hoffnungsvolles „maybe when you come back“; damit bleiben sie zurück.

Wir überqueren den Wassergraben auf einem blumengesäumten Weg und gehen geradewegs auf den Hauptturm zu. Eine steile Treppe führt über vier Terrassen, an deren Ecken zT. noch Elefanten stehen, nach oben.

Auch hier kaum Touristen.

Die Nebengebäude wirken in ihrem Verfall rätselhaft.

Vom nahen Kloster geht ein Mönch in leuchtend safrangelber Kutte dem Graben entlang.

Mir ist, als sei ich schon Stunden hier, fühle mich zu Hause, so, wie ich es nur in Asien – meiner spirituellen Heimat – bin. Ich bin angekommen. Definitiv.

Wir laden T auf eine Cola in einem der Shops ein und kommen mit der Besitzerin ins Gespräch. Die junge Frau spricht ausgezeichnet Englisch und erzählt uns ganz freimütig, dass sie nicht heiraten und keine Kinder wolle, sondern lieber für ihre Mutter sorge, um dann später allein zu leben. T, bis anhin sehr zurückhaltend, beginnt auch von sich zu erzählen; wenn er ein englisches Wort nicht weiss, hilft ihm seine Landsfrau: Er hat unter dem Pol Pot Regime sehr viele Familienmitglieder verloren, darunter alle seine Geschwister. Er durfte keine Schule besuchen, da Bildung verpönt war.

(Hinweis: Weil ich mir bewusst bin, dass praktisch alle Menschen, mit denen wir im Laufe der Reise zusammentreffen, eine politische Vergangenheit haben, auf welcher Seite auch immer, möchte ich sie keinesfalls in Schwierigkeiten bringen; deshalb sind ihre Namen nur Initialen).

Der netten Frau möchte ich gerne etwas abkaufen, aber leider hat sie nichts, was ich brauchen könnte. So frage ich sie nach Bananen. Die hat sie zwar nicht da, kann sie aber organisieren. 1 $ will sie für 15 fingergrosse Stück und freut sich sehr, dass ich sie nehme.

T fährt uns zurück zur Queen-Villa, wo uns Dany, Michaels Frau, ein wunderbares süss-saures Gemüsegericht kocht und auf der Terrasse serviert. Wir lernen andere Gäste kennen, man duzt sich, die Atmosphäre ist völlig ungezwungen.

Rasch wird es dunkel, und die ersten Geckos erscheinen, darunter ein selten fettes Exemplar.

Um 20:00 gehen wir schlafen.

IN DIESER ANDEREN WELT SIND DIE TRÄUME DIE GLEICHEN


Ist Kambodscha ein Entwicklungsland? Hier vor Ort, im Gespräch mit der jungen L. im Shop, auf Plastikstühlen sitzend, die Füsse auf der nackten Erde ruhend, das plastifizierte Tischtuch vor mir, der Fotorucksack acht- und sorglos in eine Ecke gestellt, spielt das keine Rolle. Was interessiert, ist einzig die Frage: Wie sieht dein Leben aus und wie meisterst du es? Unser Driver spricht sehr wenig englisch, L. vom Shop erstaunlich gut. Die junge Frau ist überhaupt eine sehr gewiefte und gewandte Person, diensteifrig, aber nicht anbiedernd. Sie hat eindeutig mehr “auf dem Kasten”, als so mancher Mensch, den ich besser kenne. Und sie erzählt freimütig, wie sie selbst leben möchte in ihrem Land. Die Mutter versorgen? Ja. Aber daneben oder danach nicht unbedingt eigene Kinder haben. Selbstbestimmt leben. Mit uns sitzt für sie die Moderne am Tisch – aber wie viel leichter ist es für uns, so zu leben, wie wir es uns denken? Mögen wir den Verfall gesellschaftlicher Werte bedauern, so leidet L. ganz bestimmt an den vorgefassten Erwartungen, denen sie genügen muss, aber nicht will.

Auch T. beeindruckt mich: Sein Englisch ist höchst bruchstückhaft. Oft findet er die Worte nicht. Die Stille, die sich dann ausbreitet, ist quälend. Aber ganz offensichtlich viel mehr für mich als für ihn. Er zuckt vielleicht mit der Schulter – und versucht es dann nochmals. Das beeindruckt mich sehr. T. will Kontakt haben, will lernen, und er lässt nicht ab davon. Und wie wir erfahren oder bald leicht erahnen können, hat T. nicht unser Glück gehabt und sich in Schulen gelangweilt. Er hat gar keine besucht. Brüder hat er keine mehr. Die Roten Khmer hatten es geschafft, in gut zwei Jahren eine Mio. Menschen, einen Viertel der Bevölkerung, zu vernichten – und eine Stadt wie Phnom Penh vollständig auszuräumen. Die Intellektuellen fanden sich im Landdienst wieder… Pol Pot war ein glühender Verehrer Mao Tse Tungs. Die Bevölkerung liess er dafür deren ganz eigene Kulturrevolution erleben… T. ist am Leben geblieben, aber Schulen hat er keine besucht. Dennoch lernt er, und werde ich von ihm lernen. Und die ganze Zeit über werden wir auf seinem TukTuk keine einzige brenzlige Situation erleben, ja nicht mal ein auch nur leicht brüskes Bremsmanöver, so vorausschauend wird er uns fahren.

L. gefällt mir sehr. Ich wünsche ihr wirklich, dass sie einen Mann findet, der sie so Frau sein lässt, wie sie es sich wünscht. Zu zweit kann man sich eher gegen Konventionen stellen. Allerdings, fällt mir jetzt auf, hat sie von einem Mann gar nicht gesprochen… Mag sein, dass L. realistischer ist, als ich es je sein werde. Aber ich lebe auch in einem Land, in dem ich die meisten Sorgen, die sie haben mag, nie kennen lernen werde. Was längst nicht sicher stellt, dass mein Leben reicher ist als das ihre. Heute, hier und jetzt, haben wir uns gegenseitig gut getan – und wir fahren mit den von ihr besorgten Bananen dankbar “nach Hause”.





Eine Bildersammlung des ganzen Tages finden Sie hier


Der Beitrag wird wie alle Reiseberichte nach einigen Tagen in die Sektion GEREIST verschoben.


Singapore - Siem Reap: Die Ankunft

∞  13 Mai 2009, 16:55

ERLEBT AM 19. März 2009

[Landkarte Kambodscha-Vietnam mit Siem Reap via redravine]


Am Abflug-Gate erhalten wir die Einreisedokumente für Kambodscha: Visumantrag, Einreiseformular, Zolldeklaration, alles mit Heftklammer zusammengehalten. Wir haben den Visumsantrag zwar schon aus dem Internet heruntergeladen und ausgefüllt, aber dieser hier sieht anders aus, also nehmen wir den. Wir, dh. ich erledige den Bürokram; Thinky hat eine Nachricht erhalten, dass sich auf seinem Blog unzählige Spamkommentare befänden, die er an einem freien stationären PC bis zum Boarding noch löschen kann.

Die Silk-Air, eine Tochtergesellschaft der Singapore-Airlines fliegt uns nach Siem Reap, wo wir um 09:50 Ortszeit bei strahlendem Sonnenschein ankommen.

Die Visaerteilung geht ganz schnell, obwohl die Pässe durch sechs Instanzen müssen, die aber alle an einem langen Tisch nebeneinander sitzen. Bei der Einreise stehen wir schlicht in der falschen Reihe: mit den Dokumenten der einheimischen Familie vor uns scheint etwas nicht zu stimmen, das dauert und dauert und dauert, bis sie dann endlich durch dürfen. Bei uns geht es problemlos, und bei der Gepäckausgabe drehen sich nur noch unsere zwei Taschen auf dem Band. Zolldeklaration abstempeln lassen, raus.

Etwas verloren steht da jemand mit einem grossen Schild, das unsere Namen trägt. T heisst der Mann, und er bedeutet uns, hier zu warten. Ich nehme an, er will das Auto holen, sehe aber auf dem ganzen Parkplatz nur drei, vier Tuk-Tuks. Der wird doch nicht…? Doch! Für die Tempeltouren habe ich ein Tuk-Tuk gemietet, aber dass wir damit auch vom Flughafen abgeholt werden, hätte ich jetzt nicht gedacht. Toll! Die zwei Taschen liegen auf der vorderen Ladefläche, ein Rucksack obendrauf, den anderen stellen wir auf den Boden und los geht’s.

Es dauert nicht lange, und wir erreichen Siem Reap. Die Fahrt durch unzählige breite und enge Strassen zur Queen Villa Angkor ist ein eigenes Roadmovie für alle Sinne! Wir beziehen eines der acht Zimmer in dieser Khmervilla, das für die nächsten vier Nächte unser zu Hause sein wird. Per Zufall bin ich im Internet darauf gestossen, weil ich nach einer Alternative für die von Kuoni angebotenen Bettenburgen suchte, die für mich nicht so recht zu den Tempelbesichtigungen passen wollten. Ein „gutes“ Hotel messe ich nicht in Sternen, sondern daran, ob ich mich wohl fühle, ob es “stimmig” ist.

Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht: Die Atmosphäre, das Zimmer gefällt uns auf Anhieb, und alles ist blitzsauber.

ANKOMMEN IN DER FREMDE?


Die ersten Stunden in einem neuen Land kann ich ganz verschieden angehen. Manchmal geht es mir so, dass ich die neue Welt vor dem Taxifenster vorbei gleiten lasse. Ich schaue hinaus, aber ich nähere mich nur langsam, als würde ich die Bilder gerne noch vorbei winken. Ich bin fremd. Mal sehen, was mich erwartet.

In einem TukTuk ist das ein bisschen schwieriger. Ich habe auf dieser ersten Fahrt bereits hundertfach Augenkontakt. Der warme Wind greift ins Haar. Und streicht übers Gesicht, in dem mein Lächeln steht. Freundlichkeit in der Fremde wirkt wie eine ausgestreckte Hand: Wir sind Gast. Aber es ist nie selbstverständlich, auch als solcher willkommen zu sein. Doch wir sind im Nu Teil der Strasse, wir kommen gar nicht dazu, irgendwo hängen zu bleiben mit unseren Blicken. Es ist wie ein Film, der sehr schnell mit aufgeregter Handlung beginnt: Das Leben und Treiben nimmt von uns höchstens wie selbstverständlich Notiz, und unser Fahrer steuert sein Vehikel durch den fliessenden Trubel.

Als er einbiegt in den Garten vor der Pension, ist es, als könnten die Gittertüren des Tors den Lärm der Strasse abwehren. Stille umgibt mich, dann höre ich einen Vogel zwitschern. Spatzen. Überall auf der Welt begrüssen sie mich. Michael kommt uns entgegen. Der fesche Österreicher führt diese Pension und lacht uns mit seinem sympathisch offenen Gesicht an.

Er stellt die Gelassenheit zur Schau, die man sich wohl aneignet, wenn man hier lebt. Ich fühle mich wohl. Der TukTuk-Fahrer bleibt für die nächsten Tage unser Begleiter, nickt Michael. Ich lächle T. an. Das ist gut. Wir sind in der Fremde, aber wir wollen nicht fremd bleiben. Ein Grundprinzip für Begegnungen.

Ich trage die Taschen ins Zimmer. Der Tag wird noch lang sein, aber ich fühle keine Müdigkeit. Ich blicke voraus und bin neugierig wie schon lange nicht mehr auf ein neues Land und seine Menschen.

Zürich - Singapore

∞  12 Mai 2009, 16:55

ERLEBT AM 18./19. März 2009


Am Vorabend hat Thinky unsere zwei Taschen eingecheckt, jetzt sitzen wir mit unseren Rucksäcken im Zug zum Flughafen.

Die Sicherheitskontrolle passieren wir ohne Gepiepse, das Boarding nach Sitzreihen wird vom Bodenpersonal überwacht, klappt deshalb einwandfrei, und wir starten pünktlich um 11:05. In ca. zwölf Stunden werden wir in Singapur landen.

Als Vegetarier oder Empfänger anderer kulinarischer Extrawürste wird man zuerst bedient. Ich weiss nicht, ob das gerecht ist, gefallen will es mir aber, und das Essen ist ausgezeichnet, wie immer bei Singapore-Airlines.

Jeder Passagier hat zur Unterhaltung seinen eigenen Bildschirm, auf dem er individuell Filme anschauen, Infos abfragen, Spiele machen kann. Ich nehme keinen Kopfhörer, mich interessieren nur die Infos, zB. das Wetter in Siem Reap. Fehlanzeige: Keine Meteodaten für Kambodscha oder Vietnam erhältlich, die scheinen kein Wetter zu machen, sondern es so zu nehmen wie es ist.

Thinky schläft ein wenig, ich bin wach und kann auf gut zehn Bildschirmen viel Geflimmer sehen: da hüpft, tanzt, springt, lacht und weint es, geküsst, gekämpft und geschlagen wir auch, in Action- und Trickfilmform, Dramen und Komödien, Western und Krimis. Ich schaue da und dort ein paar Minuten mit, versuche einfach ganz entspannt zu sein, schlafen geht nicht, meditieren vielleicht, etwas dösen schon.

05:40 Ortszeit Singapur: die Maschine setzt zur Landung an, es ist stockdunkel und regnerisch. Auf dem Monitor sehe ich, dass der Tag erst über Japan dämmert.

MIT PINGUINEN NACH SINGAPUR


Bewusst Schlaf finden im Flugzeug, das ist für mich je länger je weniger möglich. Also warte ich darauf, bis mir irgendwann die Augen zufallen. Positiv wie ich bin, bilde ich mir zu diesem Thema sowieso ein, dass man seine Glieder beim Aufwachen danach leichter sortiert bekommt, wenn man zuvor spontan wie ein halbvoller Kartoffelsack irgendwie in seinem Sitz zusammen gesackt ist, die Weich- und Knochenteile durch die Schwerkraft und die Schlafkraft irgendwie zwischen Lehnen, Kopfhörern und Rücken- und Vorderlehnen verkeilt… Bevor ich aber halbgerädert erwachen werde, zappe ich mich durch die medialen Tranquilizer. Ausser James Bond vermag mich nichts nur zu langweilen, ohne dass ich mich aufrege. Bond kann ich zudem auch ohne Ton schauen (ich hasse Kopfhörer, und Flugzeugkopfhörer ganz besonders). Bond ist mittlerweile eine Art Kampf-Ballett mit visualem Päng-Päng-Effekt und eignet sich hervorragend für Langstreckenflüge.

Er hat nur einen Nachteil: Nach zwei Stunden oder so ist Schluss. Und jetzt? In meiner Not wechsle ich ins Kinderprogramm. Ich hoffe auf einen Tom & Jerry – Cartoon. Die sind international verständlich, ohne Ton. Aber nix da. Stattdessen wird ein Zeichentrickfilm mit dem Namen “Happy Feet” geboten. Pinguine sind ja drollige Wesen, und ganz offensichtlich ist der Star des Films ein kleiner Pinguin, und damit noch drolliger. Schnell mal bin ich fasziniert davon, wie fliessend die Bewegungen der Tiere in diesem Film wirken. Der Kleine hat es schwer. Im Gegensatz zu allen anderen Pinguinen kann er nicht singen (!), sondern nur tanzen, was natürlich völlig unakzeptabel ist. Wie er dennoch seine Angebetete findet und so ganz nebenbei die Welt und damit die ganze Pinguin-Kolonie rettet, müssen Sie sich selber ansehen. Ja richtig. Ich habe “müssen” geschrieben. Ich habe auf jeden Fall nach fünf Minuten den Ton eingeschaltet und die Kopfhörer aufgesetzt, und bis zum Ende des Films daran nichts geändert. Ich mag eben echte Helden und wahre Geschichten. Märchen à la Bond sind irgendwie kindisch dagegen.

Und danach? Habe ich sogar etwas geschlafen. Geweckt hat mich dann ein schwerer Pinguin, der sich auf der Suche nach dem Meer watschelnd und wabbelnd durch den Mittelgang gezwängt und mir dabei den Bauch ins Gesicht gedrückt hat…



Erst um 08:40 geht es weiter, die Bordkarten haben wir schon in Zürich bekommen, also haben wir Zeit, uns etwas zu restaurieren. Die stets blitzsauberen Toiletten und Waschräume des Changi-Airport eignen sich dafür hervorragend. Ein Desinfektionsmittel aus dem Duty-Free möchten wir kaufen, aber Hochprozentiges hat es nur in Glas- und nicht in Petflaschen, und damit wollen wir uns nicht belasten. Dann müssen eben die Chilischoten reichen, um allfälligen Darm-Käferchen den Garaus zu machen.

Natürlich statten wir den zwei Koi-Teichen einen Besuch ab und bewundern die Orchideen; ich kenne keinen schöneren Flughafen als den Changi!




nach einigen Tagen wird der Artikel in die Sektion GEREIST verschoben.


Reise nach Kambodscha und Vietnam: Wie es dazu kam (Vorspann)

∞  11 Mai 2009, 19:15

Für Thinkabout kommen Reisevorbereitungen solange zu früh, bis es dafür zu spät ist. Wollen wir verreisen, liegt die Planung also bei mir.

Die letzte Reise nach Australien hatte im Vorfeld enorme Arbeit verursacht, diesmal wollte ich es einfacher haben. Weshalb sollte ich alles selbst recherchieren und unzählige Mails in Englisch verfassen und lesen, wenn es doch Reisebüros gibt, die Privattouren anbieten? Eine Gruppenreise oder ganz individuell Reisen kam nicht in Frage. Vor Ort wollen wir uns aufs Schauen und Erleben konzentrieren können, ganz nach unseren eigenen Bedürfnissen, und ohne uns um Anreise, Unterkunft, Tickets etc. kümmern zu müssen.

Die Tempel von Angkor standen schon lange auf meiner Wunschliste, und es lag relativ nahe, sie mit einer Thailand-Rundreise zu kombinieren. An einem grauen Maitag 08 packte mich das Fernweh, und ich begann in meinem beträchtlichen Reisekatalog-Stapel zu stöbern. Bei Kuoni wurde ich fündig: Rundreise im Baukastensystem inklusive Elefantensafari plus Abstecher nach Kambodscha zu den Tempeln, geplant für 4 Wochen im März/April 09, Buchung vorgesehen im August.

Dann kamen die Unruhen in Thailand, und Zweifel, wie sicher unser Reiseziel sei.

Wir entschieden uns für Vietnam als Alternative, nachdem ich mich vergewissert habe, dass keine rostigen Panzer mehr in den Reisfeldern stehen.

Ende August gehe ich in eine Kuoni-Filiale, hole mir den ab Nov. 08 gültigen Katalog und frage beiläufig nach dem Flugpreis. Zürich-Siem Reap / Hanoi-Zürich. CHF 2’500 müsse ich schon rechnen, meint die Dame. Merkwürdig, ich habe einen Preis von knapp unter CHF 2’000 im Kopf. Zu Hause schaue ich im Internet nochmals nach: Es gibt einen Flug mit Singapore-Airlines für CHF 1’890, und freie Plätze hat es da auch noch. Ich stelle unsere Reise nach den Angaben aus dem gültigen Katalog grob zusammen, damit ich die Flugdaten ermitteln kann. Kuoni teile ich die gewünschten Flugnummern mit, damit der Flug provisorisch reserviert wird, sofern das zu CHF 1’890 möglich ist. Es ist.

Unser Programm besteht aus dem individuellen Aufenthalt in Siem Reap zum Besuch der Angkor-Tempel, gefolgt von fünf Rundreise-Bausteinen durch Kambodscha und Vietnam, einem Ruhetag und total drei Stadtrundfahrten samt allen Hotels, alles mit Buchungscode aus dem Katalog von mir zusammengestellt und übermittelt. Zudem brauchen wir noch einen Überland-Transfer von Nha Trang nach Danang, da sich an diesem Punkt die Katalog-Bausteine nicht nahtlos verbinden lassen.

Am 10.9. erhalte ich per Mail eine Offerte von Kuoni, in der alle Bausteine-Titel schön aufgeführt sind, und zusätzlich ein Original-Detailprogramm in Englisch von Asian-Trails, die für die Durchführung zuständig sind. Leistungen, gemäss Kuoni-Katalog inbegriffen, sind plötzlich excluded und müssen vor Ort bezahlt werden; einzelne Programmpunkte fehlen, ohne Preisreduktion oder Begründung. Der Transfer ist ein Flug, obwohl ich das ausdrücklich nicht wollte: Bei Inlandflügen teile ich den Optimismus einer Weltuntergangssekte. Flugpläne sind da meistens nicht viel mehr als vage Absichtserklärungen und kurz vor der Ausmusterung stehende Maschinen sind auch nicht so mein Ding.

Also das Ganze zur Korrektur zurück. Für das, was jetzt beginnt, ist „Affentanz“ eine Verniedlichung: die Kuoni-Filiale nimmt Rücksprache mit dem Hauptsitz, dieser mit Asian-Trails, dann geht es in gleicher Reihenfolge wieder retour zu mir. Die Korrekturen enthalten wieder neue Fehler, die Begründungen sind so hahnebüchern, dass sich mir die Haare sträuben. So heisst es zB. bei diesem Transfer (ca. 400 km, Fahrzeit 10 Stunden, aufgeteilt auf 2 Tage), die Strecke sei dermassen uninteressant, dass kein Mensch fahren würde. Es handelt sich im Gegenteil um eine landschaftlich äusserst reizvolle Gegend. Dann verlangen sie dafür fünfhundert CHF pro Person ohne Übernachtung, mit der Begründung, der Fahrer müsste auch essen und schlafen. dies macht ein Einheimischer für paar US-Dollars…

So geht das hin und her, ich entscheide mich dann für die Zug-Variante (CHF 89 p/P), worauf der Autotransfer zu CHF 260 angeboten wird.

Nach unzähligen Mails und Telefons ist dann am 11.12. alles bereinigt, sodass Kuoni die Rechnung stellt, die wir begleichen.

Zehn Tage vor Abreise erhalten wir die Reisedokumente, inkl. einem sehr schönen persönlichen Programm in Form eines Büchleins, das vom Hauptsitz verfasst wurde: Zwei Stadtrundfahrten gingen vergessen, die Dritte entspricht nicht der gebuchten Version. Wieder soll das Schnellboot-Ticket ab Phnom-Penh nicht inbegriffen sein, zudem würde die Fahrt erst ab vier Personen durchgeführt; insgesamt sind es acht Punkte, die ich reklamiere. Die zwei Stadtrundfahrt-Programme erhalte ich nachgereicht, sie stimmen zwar auch nicht mit der im Katalog ausgeschriebenen Version überein, aber das will ich dann mit dem Guide vor Ort klären, ebenso die kleineren Programmänderungen, die zeitlich so nicht zu realisieren sind, obwohl mir das Gegenteil versichert wird. Das Ticket ist dann doch inbegriffen, wie man mir am 16. März bestätigt, und die Fahrt wird auch ab zwei Personen durchgeführt. Dies musste jetzt alles so schnell gehen, dass keine Zeit für eine Entschuldigung blieb.

FERIENPLANUNG


Ferien sind für mich wie Ostern und Pfingsten. Die haben auch einen Termin, kommen einfach und finden statt. Aber so schlimm wie dieses Mal war es wohl noch nie. Ich glaube, ich bin generell ein Typ, welcher der Vorfreude eher misstraut und daher dafür relativ ungeeignet ist. Was ich hingegen sehr gut hinkriege, ist, Ostern oder Pfingsten zu geniessen, und zwar richtig und genüsslich, wenn sie dann “da sind”.

Eine Entschuldigung ist das nicht, nur der Versuch einer Erklärung. Und natürlich ist es auch schlicht dumm. Denn eine Australienreise, oder eine individuell angepasstes Reiseangebot durch Kambodscha und Vietnam kann man nicht einfach auf sich zukommen lassen. Das erfordert Vorbereitung. Aber auch praktisches Gespür für das Machbare – und ein sicheres Gefühl für das, was man unbedingt will und was einem auch vor Ort wohl am Wichtigsten sein wird.

In allen diesen Dingen hat mir Thinkabout’s Wife einiges voraus, und immerhin schätze ich diese ihre Qualitäten ganz besonders – und zeige das auch in der Art, wie ich dann die Ferien verbringe. Ich darf wohl sagen, dass man von mir bei dann auftretenden Schwierigkeiten nicht so schnell ein Maulen vernimmt nach dem Motto, hätte, wäre, wenn, oder gar: “Das musste ja so kommen!” oder “Hast Du denn nicht bedenken können?”. Nein, ich bin ein Traumpartner zum Reisen, behaupte ich mal. Dafür allerdings müssen die Ferien erst mal beginnen. Zuvor bin ich eine Zumutung.

Das soll sich zwar ändern, finde ich. Aber eine Garantie gebe ich dafür nicht ab. Denn immerhin handelt es sich dabei um ein Virus in mir, das sich wahrscheinlich schon 1985 in mir festsetzte. Da war ich im Militär, rief meine damals schon Liebste am Samstag nach einem Gewaltmarsch an, um mich von ihr abholen zu lassen. Und diese Gelegenheit meiner eingeschränkten mentalen Widerstandskraft wurde schamlos ausgenutzt:

Als ich aus der Telefonkabine kam, fragte mich mein Freund: “Und?”. Was er wissen wollte, war natürlich, wann und wo wir abgeholt würden. Was er hörte war: “Ich fahre in die Ferien. Nach China.”

Wir waren davor noch nie zusammen auf Reisen, schon gar nicht im Ausland. Thinkabout’s Wife in spe fragte mich einfach mal so am Telefon, mit dem Prospekt auf den Knien, was ich denn davon hielte, eine China-Rundreise zu machen. Nun, ich behielt immerhin den Telefonhörer in der Hand, fand es im übrigen die viel prächtigere Idee als einen 30 kg schweren Militärrucksack 30 km durch die Gegend zu schleppen, wie eben, und war damit für jede wenigstens kleine Spinnerei mit grösserem Genussfaktor leicht zu überreden.

Ich bin mir nicht sicher, ob es eine oder doch wenigstens zwei Wochen dauerte, bis ich dann erfuhr, dass alles schon vorbereitet wäre.

Nun, an dieses Schema blieb ich irgendwie über Gebühr angepasst, obwohl ich längst der Armee entglitten bin und dafür auch keinen sinnentwöhnten Ersatz gesucht und gefunden habe.

Schlicht: Ich habe eben eine Liebste, die diese Dinge grundsätzlich sehr gerne macht. Nur sollte ich ein Gespür dafür entwickeln, wenn wirklich Hilfe geboten ist. Denn mittlerweile bietet das Internet zwar mehr Individualität in Vorbereitung und Gestaltung, aber die Informationsflut ist dafür auch enorm.

Also: Genau so, wie man nie auslernt beim Reisen, gilt dies für Vor- und Nachbearbeitung auch. Es ist eben ein Bild fürs Leben und ein Teil davon. Und bleibt es auch.

Kambodscha-Vietnam: Zu Zweit reisen - und nun zu Zweit schreiben

∞  11 Mai 2009, 18:02

Nun habe ich also zum ersten Mal eine “regelmässige” Co-Autorin auf meinem Blog, und darüber freue ich mich sehr:

Thinkabout’s Wife hat sich fleissig Notizen gemacht – und nun einen Reisebericht verfasst, der unsere Tage chronologisch nacherzählt.

Wir haben schon so oft von Blogs profitiert, wenn wir unsere Reisen geplant haben, und daher möchten wir damit auch etwas zurück geben.

Und ich werde einzelne Beobachtungen meinerseits einstreuen, woraus sich von Fall zu Fall sicher auch interessante Beispiele ergeben können, wie unterschiedlich man die Ereignisse manchmal zu gewichten vermag. Sehr oft ist das prägendste Erlebnis eines Tages nämlich für Beide nicht die gleiche Begebenheit, obwohl wir zusammen reisen. Und das ist auch schön und gut so. Ganz sicher freuen wir uns aber auch, wenn zum Ausdruck kommt, wie glücklich wir immer wieder darüber sind, dass wir beim Reisen so viel Harmonie mit einander leben können. In aller Regel. Und wenn der Partner nervt, so sind wir uns gleichwohl sicher, dass jeder andere in dieser Rolle noch viel mehr nerven würde…

Die Beiträge werden durch diese Grafik von absolutely_frenchy gekennzeichnet: Je nachdem, ob Sie oder Er Ihnen farbig entgegen lacht, schreibt eben Thinkabout’s Wife oder ich.

Und dann, schätze ich, soll es wohl bald mal los gehen, nicht wahr?


Auch diesmal gilt wieder: Die Reiseberichte werden nach einigen Tagen in die Sektion GEREIST verschoben.


Australien 2007 - Wieder daheim und Ende

∞  8 März 2009, 21:04

Erlebt am 30. November 2007 – Heimkehr

Doch unter einem guten Stern



Ist man zuhause, vergisst man gerne und schnell, was beschwerlich war. Dennoch möchte ich hier auch noch kurz erzählen, wie unser Heimflug verlief.
Wir hatten grosses Glück, denn das Flugzeug war wohl höchstens zu zwei Dritteln besetzt. So standen uns zu zweit drei Sitze zur Verfügung. Ein hervorragender Service an Board und vor allem auch eine topmoderne Maschine versüssten uns zusätzlich die Reise. So konnte ich mir über einen USB-Anschluss auf dem Bordbildschirm schon die Fotos auf einem grösseren Bildschirm ansehen. Trotzdem schlief ich darüber immer mal wieder ein – und vergass bei allem jedes Unbehagen über mögliche Probleme beim Druckausgleich. Ich hatte denn auch überhaupt keine, und das entsprach sehr wohl meinem Eindruck, dass ich schon in Perth sofort auf die Antibiotika wie gewünscht angesprochen hatte.

So flog ich also zurück, manchmal Thinkabout’s Wife dösend an meiner Brust, und während ich ihren kleinen Kopf im Arm hielt, machte ich mir wieder einmal bewusst, wie schön es ist, auf einer solchen Reise so Vielem gemeinsam, miteinander und wegen einander trotzen zu können. Statt trotz einander. Und dass dies ganz bewusst die Schwächen des Partners mit einschliesst, und es mit den eigenen Limiten umgekehrt genau so geschieht, das ist das Allerschönste daran.
Wir haben auf dieser Reise manchmal mit unserem Geschick gehadert und uns gewünscht, es würde einmal weniger beschwerlich werden. Schlussendlich aber sind wir dankbar, dass wir in allem doch so behütet waren und der Stern über uns vielleicht manchmal ein wenig geruckelt hat, aber, natürlich, niemals hinter uns zurück blieb.

Und ich schluckte brav meine Antibiotikas zu Ende und war danach auch alle Beschwerden los. Geblieben ist als Erinnerung im Apothekerschrank eine angebrochene australische Packung mit Schmerzmitteln…

Nun ist sie also zu Ende erzählt, diese Reise, die uns so viel zeigte, die aber auch so viel Kraft gekostet hat. Wahrscheinlich ist auch dies ein Grund, dass es mehr als fünfzehn Monate gedauert hat, bis sie hier erzählt war.
In dieser Form wird es diese Reiseberichte wohl nicht mehr geben. Sie kosten einfach zu viel Zeit. Vielleicht sind die Fotostrecken zukünftig gebündelter und die Erzählung beschränkt sich auf Episoden statt die lückenlose Chronologie anzustreben.

Freiheit ist gesucht und soll gefunden werden. Schon sehr bald kann ich mich wieder auf die Suche nach der richtigen Form machen, denn es geht bald wieder los.


Dieser Artikel wird in einigen Tagen in die Sektion GEREIST verschoben.


Australien 2007 - Tag 37

∞  8 März 2009, 18:13

Erlebt am 29. November 2007 – In Perth

Tschüss – und Danke für alles!



Am Abend haben wir uns ganz bewusst und lange Zeit fürs Essen und Schwatzen gelassen. Jetzt, an diesem neuen und doch letzten Tag, sind wir darauf konzentriert, alles zu einem guten Ende zu bringen und funktionieren wieder einmal als gutes Team.
Nach fünf Wochen ist so ein Offroader mit allerlei Sand unterwegs, und den aus dem Innern zu befördern, gar nicht so einfach. Das ganze Equipement, das zum Fahrzeug gehört, will kontrolliert, gereinigt und verstaut sein, und nicht zuletzt müssen wir unsere Reisetaschen wieder so packen, dass sie auch flugtauglich aufgegeben werden können.
Doch wir sind gut in der Zeit und können ruhig aber konzentriert vorwärts arbeiten. Die Stimmung auf dem Platz ist still und leise; aber nicht weit von uns entfernt sitzt ein älteres Ehepaar vor dem Wohnwagen, und der Mann vertreibt uns die Zeit mit Balladen aus den 80er-Jahren. Er spielt und singt richtig gut, und ich ertappe mich dabei, wie meine Hände ihre Verrichtungen im Rhythmus der Musik ausführen. So kriegen wir eine letzte kräftige Brise Camper-Romantik geschenkt.
Dann ist es Zeit zum Aufbruch. Ein letztes Mal geht es darum, einen Ort zu finden und eine Zeit einzuhalten. Wir finden den Standort des Vermieters problemlos und erleben da auch noch eine nette Überraschung. Wir hatten ja einiges Pech mit dem Auto, aber wir wissen sehr wohl, dass dies dem Vermieter nicht wirklich anzulasten ist. Auf jeden Fall kann ich nachvollziehen, wie es dazu kommen konnte, und ich vermute mal, dass Chef Bruno seine Schlüsse daraus gezogen hat, wie er zukünftig neu in den Fuhrpark gelangende Fahrzeuge und insbesondere die Schläuche der Reifen vor der Jungfern-Vermietung überprüfen wird…
Dafür zeigt er sich bei der Abgabe äusserst kulant. Für den Reifen, den wir nach Vertrag selbst bezahlen müssten, und für den wir telefonisch Kostenteilung vereinbart hatten, will er nun keinen Cent, und das Geld für das Zelt wird er uns danach mit der vollen Kaution zusätzlich überweisen. Und vor allem sieht er auch über eine kleine Beschädigung der Windschutzscheibe durch einen Kieselschlag hinweg – obwohl er weiss, dass er das Auto nicht weiter vermieten kann, ohne sie zu ersetzen: Kein Mieter wird mit der Scheibe zu einer langen Reise aufbrechen…
Und zu guter Letzt fährt uns Bruno auch noch persönlich zum Flughafen. Der Schweizer ist vor zwanzig Jahren nach Australien gekommen und hängen geblieben. Er scheint uns keine nachtrauernden Grüsse an die Heimat mitzugeben und ist mit sich im reinen.
Wir sagen Dir danke, Bruno, für Deinen Service. Ganz ehrlich.
Damit sind wir zwar nicht völlig gesund aber doch wohlbehalten und entsprechend dankbar am Flughafen und damit am Ende unserer Reise angekommen.
Die Rückreise macht mir keinen Kummer – was soll ich mich sorgen über Dinge, die ich nicht beeinflussen kann? Und gemeinsam freuen wir uns schon auf den Koy-Teich in Singapur. Den Viechern werden wir Hallo sagen und ihnen still ein wenig erzählen – und uns definitiv auch wieder auf unser Zuhause freuen. Ankommen daheim.


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Australien 2007 - Tag 36

∞  8 März 2009, 17:37

Erlebt am 28. November 2007 – In Perth

Schlapp im Business-Groove



Statt dem Ausflug nach Perth samt nächtlicher Hafenrundfahrt, der nur im Prospekt existiert, entscheiden wir uns für eine individuelle Stadtbesichtigung. Vorn an der Hauptstrasse liegt gleich eine Haltestelle der örtlichen Buslinie, und mit der werden wir in die Stadt fahren.
Es ist ziemlich auffrischend windig an diesem Morgen, und so entscheiden wir uns, unsere Jacken mitzunehmen. Frieren – das kann ich in meinem miesen Zustand nun wirklich nicht auch noch gebrauchen. Nur Rumsitzen aber ist auch schlecht.
Also machen wir uns auf dem Weg – und haben bei der Bushaltestelle dann tatsächlich jenes Erlebnis, das uns wieder ein wenig so fühlen lässt, wie auf unseren früheren Australienreisen: Ein älteres Ehepaar wartet mit uns auf den Bus und mustert uns mit neugierigem, offenem Blick und freundlichen Augen. Und dann geht die übliche Fragerei los, wo man herkommt, was man gemacht hat und wie schnell nun alles vorbei ist; wir erfahren, wo sie wohnen etc. Das Paar bestätigt uns, dass wir Fahrplan und Ticketpreise richtig begriffen haben, und ganz allgemein sind wir uns sehr sympathisch. So mental und seelisch gestärkt besteigen wir den Bus, der nur anhält, wenn man Zeichen gibt, und lassen uns in die Innenstadt chauffieren.
Da einmal angekommen, ist es bereits stickig heiss geworden, der Wind dürfte nun durchaus stärker sein, unsere Jacken sind viel zu warm und mir geht es wirklich nicht gut. Meine Frau weiss wie immer Rat, und wir steuern halt eben an, was wir eh schon vorab in Betracht gezogen haben. Zuerst geht es jetzt mal ins Medical Care Center der Stadt. Hier kann sich jedermann behandeln lassen, gegen eine Pauschalgebühr, die ich noch so gerne entrichte. Wir sind allerdings nicht allein. Der Vorraum ist voller Menschen, die den an sich hellen Raum mit den unterschiedlichsten Krankengeschichten verdunkeln. Mir kommt es jeweils vor, dass in solchen Räumen der Verkehr von den geschäftigen Strassen draussen noch unwirklicher und absurder erscheint und auch deshalb wie in Watte gepackt in der eigenen Wahrnehmung nach hinten rutscht, gedämpft bleibt, während andere Gedanken hoch steigen, die etwas bange danach fragen, wie oft man wohl selbst in seinem späteren Leben noch in solchen Schalensitzen auf die nächste Botschaft warten mag, ganz anders herausgefordert, sich und seinen Körper anzunehmen und Demut zu lernen.
Warum auch immer – aber wir sind schon fünf Minuten später dran und werden von einem blutjungen Arzt in ein Behandlungszimmer geführt. Keine Ahnung, ob er noch in Ausbildung ist oder nicht, aber mir ist das, ehrlich gesagt, egal. Um einen sachkundigen Blick in meinen Hals zu werfen und seine Schlüsse daraus zu ziehen, ist er bestimmt ausgebildet genug. Abgesehen davon tut es ziemlich gut, sich mal einen Moment fallen zu lassen und glauben zu dürfen, dass einem jetzt bald geholfen werden kann. Einmal krank, bin ich bestimmt ein ganz passables Beispiel für eine einigermassen wehleidige männliche Spezies, die sich noch so gerne gerade von den Liebsten unverstanden fühlt. Immerhin behalte ich in der Regel so viel Abstand, dass ich mich darin selbst beobachten und daher beherrschen kann, bevor das Klagen beginnt. Auf jeden Fall habe ich darin in Thinkabout’s Wife die richtige Partnerin, die nicht so schnell ins Bedauern verfällt und sich stattdessen eher auf das praktisch Machbare fokussiert, damit sich die Dinge ändern. Und schliesslich ist sie selbst ziemlich hart im Nehmen, wenn ich nur daran denke, wie sie ihre Augenentzündung zu Beginn ertragen und schlussendlich die wochenlange Einschränkung mit den juckenden Ausschlägen hingenommen hat. Das alles weiss der junge Arzt natürlich nicht, und so scheint er einigermassen geneigt, mich auch für die Fittiche meiner Frau zu bedauern, als sie meint, Fieber hätte ich ja nicht, die Messung dann 38.4° ergibt.
Ich scheine eine veritable Angina zu haben, mit bereits stark geschwollenen Mandeln und Lymphdrüsen, und wenn es nicht gelingt, die Entzündung nullkommanull zurück zu fahren, könnte der Rückflug ziemlich ungemütlich werden – mit der Gefahr, dass das Trommelfell beim Druckausgleich nicht mitspielt.
Also her mit dem Rezept für die Antibiotika und ab in die Apotheke gleich um die Ecke.
Danach sitze ich auf der Treppe vor dem Medical Center und schiebe mir die erste Ration der weissen Pillen rein. Wir haben knapp Mittag, aber ich werde mir bis heute Abend die Tagesdosis einverleiben. Zum Glück vertrage ich diese Mittel in aller Regel gut. Meine Frau sitzt ein bisschen bedröppelt daneben. So “schlimm” hat sie das nicht gesehen. Ich aber bin heilfroh, verhält sie sich so. Denn ich weiss genau: Würde sie um mich herum scharwenzeln mit ach und jöh, kaum huste ich mal, dann würde ich allein davon richtig krank.
Ich bin nun einfach froh, weiss ich, woran ich bin. Ich habe Medikamente und Anweisungen bzw. Ratschläge für die Rückreise, und noch 36 Stunden Zeit, die Entzündung zu stoppen und einzudämmen. Dabei wird mir die mentale Entspannung helfen, die mir jetzt möglich sein wird. Und jetzt wollen wir noch etwas von Perth sehen und herausfinden, was die Stadt ausser jungen, zu Bedauern fähigen Ärzten noch zu bieten hat.
Wir fahren mit einem Bus, der touristisch interessant quer durch die Stadt einen Rundkurs abspult, und ich nehme allmählich etwas von der Stadt wahr.
Vor zehn Jahren galt Perth als DIE Stadt Australiens; eine Sportstadt mit jugendlichem Charme und einer sehr positiven Entwicklung, mit Ruheinseln, Grünflächen und einem Lebensrhythmus des Easy Goings, den man gerne mit Australien in Verbindung bringt. Nun aber spüre ich vor allem eines: Business. Die Stadt boomt, scheint beständig im Bau, und verteilt über alle Quartiere sehe ich sehr viele junge Menschen in Businessanzügen, als hätte sich die Yuppie- und Bankergilde flächendeckend über der Szenerie ausgebreitet. Es sirrt und surrt und flirrt um mich, und der Eindruck will sich nicht mal im Kings Park, dem an erhöhter Lage gelegenen Stadtpark wirklich legen. Wir blicken auf die Skyline von Perth, lassen den Blick von links nach rechts, über die Bucht schweifen, die wir danach selbst noch mit der Fähre überqueren werden, und es fällt uns schwer, wirklich zur Ruhe zu kommen. Natürlich bin ich gesundheitlich angeschlagen, sind wir von der langen Reise beide erschöpft, aber irgendwie ist uns das Land diesmal nicht wirklich vertraut geworden und wir haben die vielen besonderen Momente, die uns die Natur beschert hat, mit einiger Unruhe während der Reise bezahlen müssen. Zwei defekte Zelte, drei Reifenpannen in 48 Stunden, schlechte E-Mail- bzw. SMS-Verbindungen, ein kaputter Akku fürs Blackberry, Augenentzündung, Hautausschläge, Angina. Etwas viel für knapp sechs Wochen, auch wenn diese Form des Reisens am anderen Ende der Welt dies ein Stück weit erwarten lässt. Aber es ist schon so: Das Glück, das uns in früheren Jahren oft beständig begleitet hat, fehlte uns dieses Mal oft. Auch Thinkabout’s Wife ist restlos bedient.
Und so sehen wir auf die Stadt, schlendern durch den Kings Park, schwitzen vor uns hin, und entdecken ein letztes Mal besondere Blumen:




Wir wissen eines ganz bestimmt: Zu Hause, mit etwas Distanz, werden wir das Staunen wieder lebendig werden lassen. Denn dies war auch ein Merkmal dieser Reise:
Noch nie war ich so oft sprachlos vor der Schönheit und Gewalt der Natur. Auch dies hat mich oft atemlos gemacht, aber bestimmt in einer Weise, die ich retrospektiv in noch mehr Demut und Stille verwandeln kann.
Wir fahren mit dem Bus wieder hinunter in die Bucht. Allerdings fehlt es an den Wegweisern, und so verlaufen wir uns dabei ziemlich. Wir fluchen leise vor uns hin, finden aber schliesslich doch zur Fähre – und nach der Überfahrt, bei der letzten Gelegenheit an einem Pier beim Swan Bell Tower sieht meine Frau doch noch einen Delphin, wenn auch nur einen kurzen Moment, als wäre er Bote eines letzten Grusses.




Es hat keinen Sinn, mehr in unsere Köpfe stopfen zu wollen, und so fahren wir zurück zum Camping Platz, wo wir schon am Morgen unseren neuen Platz unter Bäumen bezogen haben.
Wir sind umgeben von Campern wie wir es sind, und viele von ihnen sind am Ende der Reise angekommen und damit beschäftigt, die Autos auf die Abgabe vorzubereiten.
Den Abend verbringen wir im Gespräch mit Gästen des Campingplatzes, und wir geben den beiden Radfahrern Tipps: Durch den Karri Forest zu radeln, nur so zum Beispiel, muss die perfekte Umsetzung eines Lebensentwurfs der Entschleunigung sein. Oder zumindest eines Ferienentwurfs dafür.
Ich schlucke brav meine Tabletten und bilde mir ein, das mit den Halsschmerzen und den Schluckbeschwerden wäre schon besser geworden. Die fiebersenkende Wirkung auf jeden Fall hat nachweislich schon eingesetzt.
Es wartet die letzte Nacht im Auto auf uns…


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Australien 2007 - Tag 35

∞  7 März 2009, 21:23

Erlebt am 27. November 2007 – Von Mandurah nach Perth, Central Caravan Park

Keine Delphine, zu wenig Endorphine…



Wir haben’s nicht mehr weit, und Schlaf ist für mich das wichtigste. Ihm traue ich auf jeden Fall mehr heilende Wirkung zu als dem komischen Saft, den ich da schlucken soll – obwohl… ich nehme ihn eigentlich recht brav und diszipliniert zu mir. Will einfach nicht besser werden, und mittlerweile habe ich auch eine gehörig heisse Birne, die sich relativ monströs anfühlt und ständig in einen Wattebausch gehüllt scheint, so dass ich auf diverse Reize irgendwie nur verzögert zu reagieren scheine. Der Hals fühlt sich auch irgendwie ziemlich geschwollen an…
Wir schälen uns also erst nach acht aus dem Schlafsack. Auch wenn Auto nicht Zelt ist, geht länger schlafen irgendwie nicht. Die Helligkeit und der ganze Lebenskreislauf ist einem so nahe, dass man einfach aus den Federn getrieben wird.
Erst kümmern wir uns nach dem Frühstück mal um den Abgabetermin für das Auto. Er ist ja nicht mehr weit. Die Frau vom Camp will nicht mal Geld fürs Telefongespräch. Ich muss wirklich bedauernswert aussehen…
Wir fahren nach Rockingham – denn auch Rockingham rühmt sich für schöne breite Strände und die Beobachtungs- und Begegnungschancen mit Delphinen. Aber wir kriegen, von Jetty zu Jetty pilgernd, auf denen man ein gutes Stück raus laufen kann, keine zu sehen. Rockingham selbst allerdings ist ein sehr nettes Städtchen, zumindest die Uferpromenade, denn viel mehr mag ich mir nicht ansehen. Weite flache Strände mit gepflegten Promenadenwegen, und es gibt nicht nur Cafés, sie werden auch besucht!




Gerne behalten wir auch von hier wieder die ganz speziellen Färbungen des Wassers in Erinnerung, und der engagierte Kampf zweier Pelikane um die Fischabfälle, die ihnen von einem Fischer beim Ausnehmen des Fangs zugeworfen werden.




Wie gesagt, es ist nicht Saison, und wir wählen in Perth ganz bewusst keinen Platz in Nähe des Zentrums, sondern steuern einen Campingplatz weit draussen beim Flughafen an, der sich dennoch “Central Caravan Park” nennt. Und an unserem letzten Anreiseort passiert es also doch noch: Der Caravan-Park ist voll! Kein einziger Platz mehr. Ich stehe da, als hätte man mir eben ins Genick geschlagen. Dabei gibt es, natürlich, noch andere Plätze. Nur, der Drachen am Desk mag nicht erst dahin telephonieren, damit man nicht vergebens in eine Richtung fährt. Nein, das geht nicht. Abgesehen davon habe ich einfach keine Lust mehr. Nun, es gibt an der Strasse, vor dem Schlagbaum, einen Lattenzaun, an dem drei Steckdosen prangen. Genau: Es sind die Ersatz- bzw. Zusatzstellplätze für so abgewrackte Naturen wie mich. Da können wir unsern braven Toyota Landcruiser hinstellen, wenn wir denn mögen. Für 30 Australische Dollar pro Nacht, Diskont gegenüber einem vollwertigen Platz auf dem Camp-Gelände genau 0.0%. Ich schnappe nur ganz wenig nach Luft. Es ist einfach genau die Pointe, die wir noch brauchten, um auch in der Bilanz zu konstatieren, dass sich in Australien gegenüber der Jahrhundertwende in der Mentalität viel verändert hat. Die Menschen haben ein Stück Gelassenheit verloren, schauen mehr für sich als wir dies auf früheren Reisen empfanden. Oder aber die Südküste und Perth sind diesbezüglich mit der weiter folgenden Westküste, die wir vor knapp zehn Jahren bereist haben, nicht zu vergleichen…
Wir richten uns also ein – und haben später dann die gleichen Nachbarn wie schon zweimal im Outback. Eine Schweizer Familie aus dem Aargau, die mit Wohnmobil unterwegs ist. Er zuckt nur mit den Achseln. Im Wohnmobil lässt es sich an der Strasse gleich leben wie mitten im Campingplatz, ist ja klar. Immerhin meint er ironisch, wäre es nett, dass wir alle die Gemeinschaftsanlagen auch benutzen dürften…
So gestärkt begeben wir uns nochmals zum Drachen und lassen uns dann gleich für morgen einen Platz zuweisen, denn für morgen sind wir dafür ja nun wirklich noch früh genug. Und wie gesagt: Ich will keinen Meter mehr weiter fahren, als zur Autoabgabe nötig.
Und da wäre es doch ganz elegant und passend, wenn wir das Angebot des Campingplatzes nutzen würden zu einer morgigen Stadtrundfahrt nach Perth. Sie wird im Internet vom Platz angeboten. Der Drachen meint, nein, ein solches Angebot gebe es nicht und hätte es nie gegeben.
Steht aber im Internet.
Das würde sie aber wissen.
Wir bitten Sie, nachzusehen. Wir würden es ihr gerne zeigen und sie an die richtigen Stellen klicken lassen.
Wir erscheinen ihr wohl unverschämt.
Da gibt es ja Faltprospekte von diesem tollen Campingplatz, und Thinkabout’s Wife braucht nicht lange in dem Werk zu blättern, und schon kann sie mit spitzem Finger auf das Angebot zeigen.
Bringt ja alles nichts, und wenn ein Drachen “spontan” das Nichtvorhandene vorhanden sein liesse, käme dabei kaum etwas heraus, dem ich mich gerne anschliessen würde. Also werden wir uns auf eigene Faust auf den Weg machen.
Jetzt aber interessiert mich nur noch eins: Das kleine Plätzchen Gras vor der Gemeinschaftsküche und dem Rastplatz. Dort lege ich mich auf einer Matte auf den Bauch und döse den Nachmittag vor mich hin.
Mit der Zeit lerne ich ein paar Menschen kennen, die offensichtlich hier zum Inventar gehören. Den Poolkeeper und Graskeeper in Personalunion, der mich freundlich angrinst, und mich damit immerhin zum Heben eines Zeigefingers bringt, die sonore Stimme eines dunkelhäutigen Arbeiters, der offensichtlich hier auf dem Platz wohnt und zwei Touristen, die bereits monatelang mit den Fahrrädern unterwegs sind.
Das Leben hier scheint ganz angenehm zu sein, wenn man mal von der Strasse weg ist. Ich mag zwar nicht daran teil nehmen, aber es ist trotzdem nett, von guten Empfindungen umgeben zu sein. Ansonsten schleppe ich mich für den Rest des Tages von Schmerztablette zu Schmerztablette und baue auf die Weisheit des Schweizers aus dem Aargau: Schlafen wird man wohl in einem Landcruiser an der Strasse genau so gut wie unter lauschigen Bäumen – und die Hitze wird sich dann auch aus dem Inneren verflüchtigt haben…

*


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Australien 2007 - Tag 34

∞  6 März 2009, 06:55

Erlebt am 26. November 2007 – Von Yallingup nach Mandurah

Märchenmeer, ganz ohne Photoshop



Die Hals- und Schluckschmerzen quälen mich ganz gehörig. Also machen wir uns in Dunsborough auf Medikamentensuche. Genauer: Meine Frau sucht, ich gebe mich meiner Krankheit hin. Ich mag gar nicht mehr reden. Jeder Ton ist mir zuviel…


Also habe ich genügend Zeit, vom Auto aus still meinen Halsschmerz mit dem ersten Liebesleid eines Teenagerpaares zu teilen. Nun, nur rumliegen oder rumsitzen macht nichts besser, also nehmen wir unser Tagesprogramm in Angriff und ich schlucke den komischen Hustensaft wie ein Junge seine Ration Lebertran…
Auch Cape Naturaliste wird von einem Leuchtturm bewacht, unter dessen Augen wir zwei kleine Wanderungen entlang der Küste machen, in der Hoffnung, doch noch Wale zu sehen. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass sie alle längst weiter gezogen sind, aber der Platz hoch über der Küste ist malerisch und so wird mir auch der wandernde, sich an nichts fest klammernde Blick über die Weiten des Meeres nicht öde oder langweilig. Und die Farben des Meeres sind einfach unbeschreiblich.




Aber das ist nur der Anfang. Richtig malerisch, ja unwirklich schön in seinem Türkis-Kleid erscheint uns das Meer in Busselton, von dem das längste Jetty ganz Australiens ins Meer hinaus ragt, längst eine Touristenattraktion geworden. Und daneben, oder eher im ausladenden weiten Arm des Holzsteges, der am Horizont mit dem tiefen Blau der Wasserlinie verschmilzt und sich auflöst, liegen kleine Boote wie Nussschalen auf dem Wasser – oder schweben sie über türkisem Nebel?




Wale sind uns also nicht vergönnt. Da wären doch Delphine schön. Darum fahren wir ins Delphin-Encounter Center von Bunbury. Dort gibt’s eine Menge hoch geklappter Stühle, aber keine Delphine, wie wir daraus messerscharf schliessen können.
Dafür empfängt uns auf dem Timber Top – Camping-Platz eine überaus freundliche Besitzerin, die wunderbar in ihr Paradies passt, in dem es eine Menge schattiger Plätze unter wuchtigen Bäumen gibt.
Der Ort hat Strassen, die fast Alleen genannt werden könnten und viele Cafés, was eher untypisch für Australien ist – aber der ganze Ort wirkt eher verlassen. Während Thinkabouts Wife alle diese Feststellungen macht, liege ich allerdings wieder mal im Gras, mit Kopf ruckelnden Tauben und hoppelnden Hasen um mich und skeptisch bis neugierig blickenden Gallas, bevor sie wieder in den Ästen rumturnen, als könnten sie dafür gleich eine Belohnung erwarten.




Es geht mir momentan besser – und ich hoffe auf Tiefschlaf in der Nacht. Schönheit muss er mir nicht bringen – aber endlich weniger Schmerzen im Hals.



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Australien 2007 - Tag 33

∞  2 März 2009, 16:19

Erlebt am 25. November 2007 – Von der Hamlin Bay zum Yallingup Car Park

Mensch und Meer



Durch Bonarup erleben wir nochmals das unvergleichliche Gefühl dieser Waldstrassen, doch Prevelly ist nicht weit: Hier, neben der Mündung des Margaret Rivers, liegen weltbekannte Küstenabschnitte, die Surfer aus aller Welt anziehen. Und tatsächlich sind die Parkplätze auf der Küstenstrasse alle praktisch vollständig besetzt. Es findet auch gerade ein Contest statt, oder er soll in Kürze starten. So klar wird uns das nicht, aber der Blick zum tiefer liegenden Strand unter einem wolkenverhangenen Himmel und auf die tosenden Wellen, zwischen denen auch manchmal ein Riff auftaucht, wie ich meine, verheisst nicht unbedingt Surfer-Paradieswetter. Während wir hier nicht die geringste Chance hätten, überhaupt raus zu kommen und gegen die Uferriffe geschlagen würden, wollen diese wilden Frauen und Männer da draussen surfen??? Tatsächlich sehen wir auch etwa zwei Dutzend Köpfe im Wasser, weit draussen, aber einen richtigen Wellenritt können wir dann doch kaum beobachten.
Das Surfbrett gehört hier zur Grundausstattung, wie bei uns in den Bergen das Snowboard oder die Skis. Perth ist nur noch wenige Autostunden entfernt…
Wir bewegen uns derweil lieber dem windgeschützten Ufer des Margaret Rivers entlang ein wenig flussaufwärts. Hier können für gemächlichere Wasserbegehungen durchaus Vertrauen verdienende Riesenkajaks gemietet werden. Und vorn an der breiten Flussmündung versucht sich in den harmloseren Wellen der Nachwuchs der Surfbrett-Enthusiasten.




Wir fahren in die Stadt Margaret River selbst und sind ein bisschen baff, als wir da tatsächlich ein vegetarisches Restaurant entdecken. Der nähere Augenschein lässt uns dann aber nicht unbedingt traurig werden über die Information, dass das Lokal geschlossen hat…




In einer Seitengasse finden wir ein Internetcafé, und ich kann endlich mein vorbereitetes Geschäftsmail für anstehende Aktionen auf die Reise schicken. Mein Blackberry will partout nur SMS versenden, und das schon sehr lange, und seit einiger Zeit ist nun auch der Akku am Ende und schafft es ohne Infusionsschlauch nur noch für Minuten, funktionstüchtig zu bleiben…
Wir gelangen zurück auf die Road 250 und fahren zu den Canal Rocks – ein absolutes Highlight! Allerdings kommt uns der Wind auch hier sehr giftig vor, so dass wir in unseren dicken Jacken zwischen den Steinen rumkraxeln. Aber die natürlichen Gesteinsformationen, die hier den Meereinschnitt richtiggehend kanalisieren, sind unheimlich beeindruckend, und einmal mehr fasziniert uns die mahlende Kraft der Natur – und vielleicht ist da auch ein kleines Stück Beklemmung ob der Tatsache, dass Orte noch so schön wirken mögen – und derweil doch so hart sind für Lebensform, die sich dagegen behaupten will – oder muss.
Die Einheimischen, die von einer Brücke in die Fluten springen, sehen das allerdings bestimmt nicht so.




In Dunsborough hätten wir eigentlich campieren wollen. Nur ist das hier nicht möglich. Der Platz ist bereits am frühen Nachmittag überbelegt: Die Schüler eines auswärtigen Colleges feiern in der Gegend ihr Abschlussjahr. Es sollen neunhundert von ihnen erwartet werden… Wir versuchen, nach Yallingup auszuweichen. Dort ist der erste Platz genau so überbucht – aber der zweite? Der liegt idyllisch ruhig und unbehelligt am Meer!
Kaum sind wir angekommen, kann ich endgültig nicht mehr. Ich strecke buchstäblich alle Viere von mir und bleibe einfach im kurzen Gras hinter dem Auto liegen. Ich habe Schluckbeschwerden und Halsweh und bin restlos erledigt. Also rückt meine Liebste alleine aus, schnappt sich dabei meine Kamera und kommt neunzig Minuten später wieder. Während ich ein wenig geschlafen habe, hat sie einen Windsurfer und einen Kitesurfer (?) nicht nur beobachtet, sondern auch noch sehr gut fotografiert, während die ebenfalls anwesenden Wasservögel dafür eher wenig übrig hatten.




Zum Sonnenuntergang zieht es uns dann zusammen nochmals an den Strand. Die Pracht der Blumenvielfalt zwischen den Uferbüschen begeistert uns, und das Streiflicht der untergehenden Sonne taucht alles in goldenes Licht. Das Örtchen zeigt uns die blitzenden Fensterfronten der dem Meer zugewandten grossen, recht herrschaftlich in die dicht und hoch bewachsenen Hänge gebauten Häuser.




Dann versteckt sich die Sonne hinter den Wolken, bevor sie untergegangen ist.
Ich möchte ein gefühltes halbes Jahr lang schlafen…


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Australien 2007 - Tag 32

∞  1 März 2009, 22:54

Erlebt am 24. November 2007 – Vom Warren NP nach Hamlin Bay

Aus dem Wald ans Meer



Abends zuvor um zehn fuhr doch noch ein Auto vor: Der Ranger als Toilettenreiniger. Der Duft, der uns heute morgen auf jeden Fall auf dem Plumpsklo empfing, hätte jeder Fünfsternhotel-Edelkloschüssel entströmen können.
Am Picnic-Tisch sitzend verzehren wir unser Müesli, und Thinkabouts Wife wirft lange letzte und dann allerletzte Blicke auf ihren strahlenden Gum Tree, den sie schon von ihrem Schlafplatz aus beobachten konnte und der das erste mächtige Zeichen von Schutz war, das sie heute beim Erwachen wahrnehmen konnte.
Die Fahrt führt uns dann weg von den Flussufern zu einem Lookout, wo wir nochmals einen Blick auf den verschlungenen Lauf des Warren Rivers werfen können, bevor wir erneut über Pemberton nach Manjimup fahren. Entlang dieses sog. Donnelly Drives besuchen wir den Diamond Tree: Dieser Feuerwachtbaum hat eine gut sichtbare Holzplattform, ist aber seit 1976 nicht mehr “im Betrieb”. Jetzt steht er als Denkmal da, und nicht nur Touristen besuchen den Informationsstand. Ein Skink lugt noch etwas morgenstarr aus einem Riss in einem Baumstrunk, und auf dem kleinen Rundgang macht mir ein wunderschöner rotgeflügelter Fairy Wren den Gefallen, genau so lange still zu halten, dass ich ein einziges Foto schiessen kann. Danke!




In Manjimup ist dann wieder mal tanken und einkaufen angesagt, und ein freundlicher Motorradfahrer lotst uns danach auf die Graffith Road, die uns den Donelly River entlang zum Glenorian Pool führt.
Auch hier sind wir praktisch allein. Sobald man sich dem Weg entlang etwas durch die Büsche schlägt, komme ich ins Schwitzen. Es scheint schon ziemlich heiss zu sein. Die Farbe und Stille im und über dem Wasser ist wunderbar.
Die Wälder bringen immer wieder besondere Formationen hervor: Wie “The Four Aces”, vier Riesen, die scheinbar in Habachtstellung aus allen Richtungen im lichten Wald sofort als streng ausgerichtete Gruppe auszumachen sind.
Nach dem Picnic übernimmt meine Copilotin die Fahrt über den Highway bis vor Augusta. Genau gesagt bis Karridale, wo uns ein auf einem hohen Eisenstab thronender Plastik-Riesennikolaus am Strassenrand mit ausgestreckter Hand ultimativ zu einem Halt auffordert und uns den Weg zu einem weiteren Vanilla-Milchshake weist.
Wir sitzen auf einer Veranda, umgeben von älteren britischen Touristen. Ich höre die Stimmen, doch ich nehme nicht viel auf. Es erscheint mir unwirklich, in dieser Ecke auf Klinkerstein zu sitzen, nachdem ich doch eben mich noch in einem vierhundert Jahre alten Wald befand…
Vor Augusta biegen wir in den Leeuwin Nationalpark ab, der von einem strahlend weissen Leuchtturm geprägt wird. Sollte Ihnen auf den Bildern das Fundament dieses Leuchtturms besonders massiv vorkommen, so muss das nicht nur ein optischer Eindruck sein: Es ist ein strahlend schöner Tag, keine Wolke am Himmel, aber es herrschen Winde, die so brutal sind, dass es meiner Frau nur in meinem Windschatten gelingt, dem Sockel entlang nach vorn zu gelangen, wo ein Schild auf die wirkliche Besonderheit dieses Ortes hinweist: Hier treffen der Pazifik und der indische Ozean mit gegenteiligen Strömungen aufeinander, und tatsächlich ist hier ständig an den aufeinander prallenden Wassermassen und deren Schaumkronen die Berührungslinie auszumachen.




Etwas weiter von der Erhebung weg, in der Senke, kommt man besser vorwärts und kann sogar spazieren. Ein verkrustetes und vom Salzwasser zerstörtes Mühlrad steht nutzlos am Strand, und in einem meterhohen dichten Ufergehölz zerrt der Wind nicht so sehr an den Kleidern. Und stets oder zumindest fast immer bleibt der strahlend weisse Leuchtturm sichtbar.




Unser Camp liegt heute an der Hamlin Bay. Nach ausführlichem Duschen erwachen meine Lebensgeister wieder, und wir machen einen langen Spaziergang dem ausladenden Strand entlang. Wir haben Zeit zum Reden und brauchen sie auch. Wir sind müde, brauchen wieder einmal einen Ort, wo wir zwei Nächte bleiben können und wollen. Irgendwie zerrt der Wind in mir eine Unruhe hervor, die nicht zu diesem wunderschönen Ort passen will. Am Strand sind wir nicht allein. Während die einheimischen Kinder herumtollen und sich in ihrem Spiel nicht stören lassen, rangeln sich die Touristen doch tatsächlich um die scheinbar “besten” Plätze für den Sonnenuntergang. Man könnte meinen, sie wähnten sich im Kino, wie sie so mit breiten Hintern auf den Überresten eines Jettys sitzen, auf dem noch bis ins 19. Jahrhundert das gewonnene Holz aus den Wäldern in die Schiffe geladen wurde. Nun, mir dienen sie als Kulisse, und während andere das Pech beklagen, dass “ausgerechnet heute” der Horizont wolkenverhangen wäre und ihre Kameras einpacken, mache ich Bilder, die mich bis heute durch ihre Intensität glücklich machen.




Menschen sind einfach manchmal kaum auszuhalten.

Der Reis, den wir aufsetzen, will einfach nicht zum Kochen kommen. Der Wind ist schuld… Der ist – für mich – manchmal auch nur schwer auszuhalten!


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Australien 2007 - Tag 31

∞  28 Februar 2009, 21:51

Erlebt am 23. November 2007 – Vom Shannon NP in den Warren National Park

Idylle mit Fussbad



Etwas ist an diesem Morgen anders. Richtig! Wir werden NICHT von Vogelstimmen geweckt. Wahrscheinlich sitzen wir zu tief im Wald. Nicht mal Krähen sind zu hören. Dabei haben wir beide nicht besonders tief geschlafen. Mir ist wohl die Geschichte noch etwas nachgegangen, die der Ranger mir erzählt hatte, als ich ihn gestern doch noch bei seinem Campingwagen mit allerlei vorgelagertem Getrödel angetroffen hatte. Er erzählte von einem Kind, das hier vor kurzem lebensgefährlich von einer Krähe verletzt worden wäre, die dem Mädchen, das ein Sandwich ass, beim Versuch, dieses zu erbeuten, den Schnabel im Sturzflug durch die Wangen getrieben hätte. Nun, im Traum begegnete mir dann Adriano, ein Tenniskollege, der mich unbedingt gegen solches Ungemach versichern wollte. Ich stammelte nur immer die Frage, wie er mich denn überhaupt gefunden hätte und überhaupt, die Krähen müssten sich selbst dabei so erschrocken haben, dass sie sich ja gar nicht mehr her trauten, oder?
Auch die Feuchtigkeit hält sich heute morgen in Grenzen. Dafür weidet ganz in der Nähe eine Känguru-Mutter mit ihrem wirklich noch sehr handlich kleinen Nachwuchs.
Der Weg über Northcliff führt durch weitere sehr schöne Alleen, die sich weiter nach Pemberton fortsetzen. Es sind traumhaft stimmungsvolle Landstrassenfahrten. Doch das ist nichts gegen den folgenden Karri-Forrest Explorer Drive – 84 km lang werden wir ihn durchfahren dürfen! Im Gloucester NP steht der Gloucester Tree. Und dass dieser eine Baum ein besonderer ist, erklärt sich aus der Tatsache, dass es sich um den einzigen in West-Australien noch in Funktion stehenden Feuerwachtbaum handelt: In luftigen 61m Höhe befindet sich der Ausguck, von dem aus die Gegend auf drohende Waldbrände überwacht wird. Der Ort ist auch Ausgangspunkt für kurze Wanderwege und Begegnungsstätte zwischen Mensch und Vogel – viele Kragensittiche und Western Rosellas haben sich hier ganz treuherzig auf die Touristen eingestellt. Umgekehrt ist das nicht immer so leicht gegeben…
Am meisten aber hat uns hier die Taube beeindruckt, deren Gefieder plötzlich schillernd in den herrlichsten Farben zu leuchten anfing, wenn sie es im Licht ein wenig spreizte.




Danach setzen wir unsere gemütliche Fahrt durch den Karri Forrest fort. Ich bin ganz still – und klage ganz bestimmt nur einmal über juckende Füsse – sie könnten herzlich gern wieder mal eine Dusche vertragen – und so schwärme ich mitten im Lichtertanz im lichten Wald von einem herrlichen Fussbad, während wir wie Sonntagsfahrer unterwegs sind, die gar nirgends anzukommen brauchen.




Im Beedleup NP wackeln wir über eine Hängebrücke und spazieren dem sehr schönen Wasserfall entlang. Sehr viel mehr Aktion ist mir nicht unbedingt gegeben, mein Oberschenkel zwickt ein wenig.




Danach zuckeln wir weiter und sind nun, kurz nach vier Uhr Nachmittags, schon in der Camp Site des Warren National Parks angekommen. Hier gibt es Feuerstellen und in den Boden gerammte Picnic-Tische, was alles auf den grossen Ansturm der Einheimischen zum Barbecue schliessen lassen könnte, aber wir sind allein! Der Platz ist wunderschön – und: Er hat einen Flusszugang samt Treppe – die absolut edelste mögliche Einladung zum Fussbad! Wir wollen gar nicht mehr aufhören mit dem Waden- und Füsseschwenken im Wasser, wobei wir betonen möchten, dass das Braun im Fluss nicht davon allein kommt, sondern doch eher hauptsächlich vom Tannin! An diesem Ort kann man wie an verschiedenen anderen Stellen im Park auch sehr nett dem Fluss entlang wandern – etwas, was sonst eher selten ist.




Wenn Du dann danach am Picnic-Tisch heissen Kaffee trinkst und Bananen-Schocko-Plätzchen isst (die so gross sind, dass “Plätzchen” eine Beleidigung darstellt), und es, wie jetzt, 17h43 ist, und Du langsam realisierst, dass niemand mehr kommt und Du in diesem Paradies mit dem liebsten Menschen allein bist – na, wenn Du dann nicht glücklich bist, nicht diesen einen Moment vollkommener Freude zusammen erlebst, dann könnte ich wohl kaum mehr allzu viel mit Dir teilen. Aber so ist es ja nicht. Mit niemandem ist teilen so schön. Der Zauber dieses Platzes wärmt mir mit Dir das Herz.
Was für ein Kochen und was für ein bewusstes Essen an so einem Ort!




Und dann sitzen wir einfach noch still am Wasser, bis die nun sehr warmen Farben der untergehenden Sonne verblassen und ganz leise und behutsam die aufkommende Kühle den Weg zum Auto und unter die Decken empfiehlt.




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Australien 2007 - Tag 30

∞  9 Februar 2009, 21:02

Erlebt am 22. November 2007 – Vom Eco Park CP (Valley Of The Giants) in den Shannon National Park

Im Schutz der friedvollen Riesen



O Mannomann, habe ich heute Schwierigkeiten, meinen Motor anzuwerfen… Dabei haben wir erstaunlich gut und vor allem sorglos geschlafen, auch wenn es zum Morgen hin empfindlich kühl wurde. Die Aussenhaut des Zeltes liegt dann auch direkt auf der inneren Membran auf, und es ist eindeutig deutlich weniger Platz da, um sich anzuziehen… Die nasse, traurige Hülle werde ich in die Originalhülle packen. Wir trocknen es dann bei nächster Gelegenheit. So als letzte Amtshandlung…
Ich mache Frühstück. Mich zu beobachten, muss sein, als würde man sich einen Film über einen Schlafwandler in Zeitlupe ansehen…
Aber dann sitzen wir in unserer offenen Küche, die nur aus der aufgeklappten Hecktür, Klapptisch und Klappstühlen besteht, und schmieren uns die süssesten und fettesten und dicksten Gummiknautsch-Weissbrotscheiben, die diese Reise bisher überhaupt gesehen hat, und das Leben verspricht einfach grossartig zu bleiben – unter nichts als blauem Himmel und einem ruhigen Tag vor uns.
Beim Verlassen des Camps fahre ich sehr langsam am Haus des Betreibers vorbei. Ich denke dabei an die Bilder “seiner” winzigen Possums, von denen ich schon weiss, dass sie bestimmt sehr gut geworden sind. Irgendwie ordne ich diese Bilder diesem alten Mann zu, verdanke sie still für mich. Kein anderer Campvermieter hat uns auf der Reise so innig die Liebe zu seinem Boden vorgelebt und die Freude verkörpert, seine Gäste informieren, lehren und versorgen zu dürfen.


Dann hat uns die Landstrasse wieder. Unser Ziel heute ist noch ein wenig offen. Erst mal fahren wir noch zum nahen Aussichtspunkt, dem “Hilltop Lookout”, wo man auf die Wasserinseln zwischen Nornalup und Walpole sehen kann.
Er liegt auf dem Weg zum “Giant Tingle Tree”, dem Vernehmen nach der älteste Eukalyptus-Baum der Welt… Und gerade klein ist er auch nicht… Um den alten Riesen ist ein wunderschön gestalteter Rundweg angelegt, und die gute Erschliessung und Begehung rund um den Riesen mit einem Umfang von 25 Metern (!) hilft mit, dass man der Natur hier sehr achtsam begegnet. Der ganze Wald ist – sprichwörtlich – ein Riesenerlebnis.




Der Tag ist voller Frieden, beinahe menschenleer sind alle Orte, und die Riesen schliessen uns in ihre Mitte ein. Am Trail Of The Three Giants, der an drei komplett parallel zu einander stehenden Eukalyptus-Riesen vorbei führt, ruht unser Blick minutenlang über dem Circular Pool, dessen Wasser jenseits der Strömung tief dunkelblau zum Stehen kommt, nichts mehr als ein Spiegel, der die leuchtenden Farben des Waldes noch kräftiger zurück wirft.




Der Weg zum Shannon National Park ist nicht weit. Und auch dieser Park hält etwas ganz Besonderes für uns bereit: Einen sehr leicht befahrbaren Drive durch den Wald – 22 Kilometer mit höchstens dreissig km/h – und Stopps, wo auch immer uns danach ist.




Und manchmal muss man einfach halten: Unvergesslich der Abschnitt, in dem uns aus den Tiefen des Waldes unzählige Blüten der Flaschenputzersträuche ihre Kelche entgegen strecken. Picnic in einem solchen Wald – das ist wie eine Andacht.




Schon am frühen Nachmittag beziehen wir unseren Rastplatz, der in einem dunklen Waldstück liegt und uns für den Rest des Tages Blätterrauschen, sicheren Schatten und Vogellaute verspricht. Auf der Anhöhe am Waldrand sind Wohnwagen in der Sonne auszumachen, der Ranger aber lässt sich nicht blicken. Das Zelt ist trocken und definitiv eingepackt verstaut. Dieses Kapitel ist abgehakt.
Wir haben Lust auf eine Wanderung. Hier soll es Quokkas http://de.wikipedia.org/wiki/Quokka geben. Das sind furchtbar putzige Tierchen, wie Thinkabouts Wife versichert, was nur so viel heisst, als dass sie ganz bestimmt Fell tragen. Ich liebe meine Frau für ihre Tierliebe und lasse mich dafür überall hin mitschleppen. Wir sehen die Kerlchen dann allerdings nicht. Es dürfte noch zu früh für sie sein um vier Uhr nachmittags. Der Wanderweg aber erlaubt die gefahrlose Pirsch durch ein höchst exotisches Stück Wald – ohne Bedrohung, aber doch mit dem Gefühl, hier nur Gast zu sein, wandern wir langsam zu einem Fluss, der an dieser Stelle sich zu einem See verbreitert und beruhigt. Er hat fast keine Strömung und spiegelt die Baumreihen an seinem Ufer wieder. Ich weiss nicht, ob ich sonst wo je in Australien eine Tafel gesehen habe, die das Fischen verboten hätte. Hier gibt es sogar das, und das will wirklich heissen: Psst, hier bist Du nur Gast.




Auf dem Rückweg ist ein schwarzer Kakadu nicht zu überhören. Diese grossen und riesigen Vögel können sich aber ganz schön unsichtbar machen, wenn sie in grosser Höhe in den Bäumwipfeln hocken. Und der kleine schwarze Vogel mit der feuerroten Brust ist auch da, um uns rechtzeitig aus dem Waldstück zu verabschieden. Den grossen Campplatz werden wir uns mit einem einsamen Biker teilen, der keinen grossen Wert auf Gesellschaft zu legen scheint. Auch recht. Für mich Gelegenheit, unseren Land Cruiser noch anders auszurichten, damit wir eine möglichst ebene Liegefläche für die Nacht bekommen. Die Bäume stehen so weit auseinander, dass ich hier in weitem Bogen am Hang vorwärts fahren kann, aber das Auto dürfte in der Kurve durch seinen Hochbau schon ein wenig schepps wirken… Auf jeden Fall fuchtelt und schreit Thinkabouts Wife draussen wild durcheinander, auch wenn sie ganz allein ist und sieht mich wie die Walnuss auf der Meereswoge kentern… Manchmal muss man sich gegen die wehklagenden Kräfte der Angst mit rauher Grobheit einfach durchsetzen, sonst breiten sie sich nur noch weiter aus. Und das tue ich dann auch und gebe so viel Gas, dass das “Cruisen” am Hang nur kurz dauert, und ich wähle die Kurve so, dass die Fliehkräfte, wenn schon, dann hangaufwärts wirken… Aber was will ich meiner Frau Physik erklären, meint sie mit Recht. Ihr stichhaltiges Argument: Ich müsse mir das ja selbst nicht von aussen ansehen…

Und mit viel Liebe und Respekt denke ich daran, wie sie mit mir auf die Tree Tops mitgekommen ist. Mutig sein, ist keine Kunst, wenn man keine Angst kennt. Aber der oder die, welche eine echte Hemmschwelle zu überwinden vermag, hat meinen allergrössten Respekt. Um so schöner, dass der Juckreiz, der sie so lange so heftig gequält hat, etwas nachgelassen hat.

Das Klima hier ist sehr freundlich. Noch um zehn ist es warm, dass man draussen sitzen könnte im Kerzenschein. Kein Wind, keine Hitze. Aber leider Moskitobiester. Also ab ins Innere. Und das haben wir nun erstmals so eingerichtet, dass ich unten schlafe. Das Gerödel ist dadurch viel grösser, dafür haben wir beide mehr Platz – und bis wir das Auto abgegeben haben, sind wir bestimmt auch hierin perfekt organisiert!



Australien 2007 - Tag 29

∞  8 Januar 2009, 23:30

Erlebt am 21. November 2007 – Eco Park CP (Valley Of The Giants)

Der totale Frust und seine Überwindung



Wir schlafen sehr, sehr gut, auch wenn wir schon um halb sieben wach sind. Aber das ist im Zelt normal. Es ist taghell unter der Kuppel. Ein kurzer Augenschein – und wir wissen, die Sonne wird uns den ganzen Tag über anstrahlen. Also bleiben wir definitiv hier – und feiern das mit nochmals 90 Minuten Tiefschlaf.
Dann hält uns nichts mehr im Zelt und wir krabbeln blinzelnd in die Welt hinaus, nachdem ich meinem einzigen und besten Kameraden ausgiebig den Rücken mit der neuen Salbe eingerieben habe. Die Schwellungen beginnen sich teilweise schuppenartig zu schälen – als hätte sie eine schwere Form von Psoriasis.
Dann geht meine Frau “ins Bad”, und ich bereite das Frühstück vor – heute bei Windstille endlich mal wider an unserem romantischen Klapptisch, der so gemütlich vor sich hin wackelt, wenn man ihn ein wenig berührt. Ich agiere in Zeitlupe, aber wir haben ja so schön Zeit. Die fröhliche Stimme von Thinkabouts Wife, mit der sie mich auf den wundervollen Morgen aufmerksam macht, berührt ganz weich meine Seele. Ich blinzle in die Sonne und lächle die Welt an. Dann amüsieren wir uns einmal mehr über die australischen Brote, die äusserst Campingtauglich sind: Grosse platte Scheiben, die man wunderbar in ein Tupperware falten kann oder eben in der Hand krümmen, ohne dass sie brechen. Und dann hören wir es: Es bricht etwas ganz Anderes: Zwei Mal ist es kurz nacheinander zu hören, das hässliche Knacken, das von einem finalen kurzen trockenen Knall verschluckt wird. Wir wissen: Nun sind gleich beide Zeltstangen gebrochen…
Nun, wir haben ja noch Ersatzmaterial – vorerst legen wir einen ledernen Arbeitsschutzhandschuh unter die Membran des Oberzelts, damit die Fiberglas-Splitter die Oberhaut nicht ganz aufreissen – und dann setzen wir uns wieder hin und frühstücken weiter.
Erstaunlicherweise lassen wir uns nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn wir natürlich schon sehr bald die Möglichkeiten diskutieren, die uns noch bleiben, um das Zelt zu flicken. Wir sind durchaus guter Dinge, denn wir haben ja noch Ersatzmaterial. Nur: Besser im Schuss ist das wohl auch nicht. Wie kann man nur einen solchen Schrott produzieren? Und: Nie mehr ein Zelt mit Fiberglas-Stangen! Es geht nix über Aluminium, das sage ich Ihnen!
Ach ja, ein Waschtag ist der heutige Tag ja auch. Leider ist der Dryer defekt. Der alte Mann bringt uns also unsere zwei AUSD wieder zurück – und lässt uns eine rostige Blechdose mit Wäscheklammern da. Eine Wäscheleine gibt es hinter dem Waschraum. Also alles paletti. Am Ruhetag, an dem wir ausspannen wollen. Immerhin muss ich nun nicht überlegen, ob wir ins Dorf fahren wollen – und in welches.
Während wir also die Wäsche in einer dieser urigen “amerikanischen” Trommel-Waschmaschinen sich selbst überlassen, machen wir uns an die Reparaturarbeiten.
Wir ziehen total drei Versuche durch. Erst ersetzen wir die kaputten Teile und Abschnitte schlicht durch “neue” aus dem ersten Zelt. Der Versuch scheint erfolgreich, und ganz enthusiastisch meint meine Liebste, jetzt wo wir den Dreh raus hätten, könnten wir ja auf Vorrat gleich noch eine Stange basteln – genau fünfundvierzig Minuten nach dem ersten Neubau weiss ich: Wir werden sie sofort brauchen können. Ich HASSE dieses Geräusch!
Wenn das Einsetzen eines Ersatzabschnitts schon nicht funktioniert, dann eben mit sieben statt acht Elementen pro gekreuzter Dachstange. Aber im Resultat hängt das Innenzelt so traurig darnieder, dass aus dem 3-Personen-Zelt ein 1-Kind-Zelt geworden ist.
Dann setzen wir aus der Vorzeltstange des ersten Zelts zwei Teile ein, die beide ein bisschen kürzer sind – so gibt es weniger Zug aufs Zelt – dennoch bricht erneut ein Teil.
Total haben wir bestimmt dreieinhalb Stunden mit diesen Episoden zugebracht. Und wenn wir uns mal wieder setzten, schwammen bestimmt schon die Fliegen im Vanilla-Chai-Kaltgetränk. Grund war also genug, zwischendurch die Wäsche aufzuhängen. Der Mensch braucht ja hin und wieder ein Erfolgserlebnis:
Die Wäsche war ja auch so was von fertig. Mit dick auftragenden Waschpulverstockflecken, weil die Wäsche in der Trommel gar nicht genügend bewegt wird, um sich genügend und locker zu durchmischen. Immerhin: Trocken wurde die Wäsche an diesem Tag, und auch wenn wir sie nicht unbedingt anziehen wollen, die üblen Gerüche sind auf jeden Fall weg…
Mir bleiben von diesem Tag die Bilder, die wir zwischendurch in unserem Frust für jeden, der uns betrachtete, abgegeben hätten: Wir hingen in den Klappstühlen, schlicht am Ende mit unserer Moral und damit hadernd, dass, kaum wollten wir uns Ruhe gönnen, eine Havarie geschehen musste, um uns genau daran zu hindern.
Die Fliegen waren deshalb nicht weniger aggressiv und meine Frau juckte das alles herzlich wenig, weil es sie eben juckte. Verflixt und zugenäht, was für ein Tag!
Und dennoch: Wir bewiesen am Ende doch moralische Stärke, flickten das Zelt so zusammen, dass wir es stehen lassen konnten oder einfach wollten, auch wenn es nun eine sehr markante gotische Spitze hatte, und machten uns auf Entdeckungsreise durch die umliegende Landschaft.




Besonders auffallend war dieser Baum, von dem man das Gefühl bekam, als würde er völlig von grossen Blüten bedeckt sein. Doch wenn Sie näher treten, können Sie bemerken, dass die eigentlichen Blüten eigentlich ganz klein sind:




Bald würde das Licht wieder weicher werden, und uns erwarteten ein paar milde Abendstunden mit schönen Begegnungen.
Wir machen uns dabei schnell klar, dass das, was uns so nervt und müde macht, in nichts wirklich ein Problem ist oder diesen Namen verdiente, zumindest das Zelt nicht, und dass wir allen Grund haben, diesen Ort zu geniessen. Und so jage ich dann also über viele hundert Meter einem immer wieder vor mir her hüpfenden Fairy Wren nach, bis ich ihn und seine Frau tatsächlich fotografieren kann. Und, Mensch, er ist wirklich ein “Splendid Fairy Wren”. Ich habe noch nie ein leuchtenderes Blau in einem Federkleid gesehen. Ist dieser kleine Kerl äusserst quirlig und kaum auf Film zu bannen, so ist der Western Rosella, dem wir begegnen, äusserst geduldig und gelassen, während eine grosse Mutter Känguru ihr Kleines nicht so richtig zeigen will, während wir alle von einem Kragensittich, der in einem von weissen Blüten verschneiten Busch thront, beobachtet werden.




Und dann kehren wir zu der Reihe von Gebüschen mit den grossen, markanten roten Blüten, die wie grosse Flaschen-Bürsten wirken, zurück. Und tatsächlich: In der Dämmerung sind sie wieder da, die emsigen, nervösen und ruhelosen kleinen Vorturner, drei, vier Zentimer grosse Honey Possums, die mit ihrer langen Zunge nach dem Nektar forschen und dabei mit ihrem Kopf tief in den roten Blütenständen versinken.




Danach zieht die Dämmerung rasch auf, und es wird empfindlich kühl – und sehr feucht. Diese Feuchtigkeit wird sich auch schnell auf die Aussenhaut des Zeltes legen – hoffentlich nur auf sie… Es ist auf jeden Fall Zeit für den Schlafsack. Gemütlichere Orte gibt es im Moment hier nicht.


°


Der Text wird in ein paar Tagen in die Sektion GEREIST verschoben.





Australien 2007 - Tag 28

∞  5 Januar 2009, 07:12

Erlebt am 20. November 2007 – Von Albany (Caravan Park)nach Nornalup (Valley Of The Giants Eco Park CP)

Ein Tag der Sensationen



Wir schlafen wie die Murmeltiere! Allerdings weckt uns die feuchte Kälte in der Luft frühzeitig. Aber die Schlafsäcke sind trocken geblieben, und die Kissen auch. Das Zelt ist pitschnass. Aber nur aussen. Es hat tatsächlich gehalten.
Wir schälen uns aus den Schlafsäcken und bringen uns mühsam auf Betriebstemperatur. Der Himmel verheisst das unverändert feuchte Wetter. Aber ich kann das Zelt abbrechen und zusammenlegen, ohne verregnet zu werden. Das nassschwere Überzelt packen wir wieder in einen der äusserst geräumigen und reissfesten schwarzen Plastiksäcke, die ich bei Woolworth gekauft habe, und legen es dann in den Fussraum der hinteren Sitzbänke im Auto. Das Müsli schmeckt richtig gut. Wir haben trockene Kleider am Leib und frieren nicht. Zumindest schlottern wir nicht. Es braucht nicht viel, um sich königlich zu fühlen. Nur die Lernphase ist manchmal etwas hart…
Noch können wir nicht wirklich wissen, wie schön der Tag werden wird, auch wenn wir die heutigen Sehenswürdigkeiten natürlich im Internet schon erkundet haben vor der Reise. Also, zumindest meine Frau. Ich bin darin nach wie vor ziemlich träge… Aber ob das auch so wäre, wenn ich nicht mehr als zwanzig Jahre lang die Erfahrung stets von Neuem gemacht hätte, dass mir mit Sicherheit gefallen wird, was sich meine Reiseführerin zusammen gestellt hat?
Unser erstes Ziel heute ist der Torndirrup National Park, knapp 10 km ausserhalb von Albany. Er ist vor allem für seine spektakulären Küstenformationen bekannt. Wir steuern einen Weg zu den Blowholes an, einem Einlass in den Uferfelsen, durch das das unterirdisch anrollende Meer durch den Druck Gischt- und Wasserfontänen hindurch schiessen soll, die dann wie eine Art Geysir zu sehen sind.


Der Weg an sich wäre eine kleine Wanderung wert, und wir wagen es schliesslich: Es ist wieder sehr bewölkt und höchst unsicher, dass es nicht regnen wird. Ein strammer Fussmarsch hin und zurück weckt dann in jedem Fall unsere Lebensgeister endgültig. Das Meer muss wohl mehr bewegt sein oder in einem anderen Rhythmus schlagen, dass man sehr viel mehr als ein paar Gischtpupser zu sehen bekommt.
Aber die Landschaft ist beeindruckend und die Steinquader erheischen in Ihrer Grösse und Stärke, die sie vermitteln, durchaus Respekt.
Dem Wetter gerecht werden die kurzen Distanzen zu den Sehenswürdigkeiten in diesem Park. Unser nächster Halt gilt dem Stony Hill Heritage Walk, wo uns ein Rundgang eine 360°-Aussicht auf Albany und das Hinterland sowie die ganze Südhalbinsel erlaubt. Das Wetter wird besser! Und die Pflanzen faszinieren uns auch hier, mit Blütenständen, wie wir sie noch nirgends zuvor gesehen haben. Der Rundgang ist sehr schön, und dass wir ihn stressfrei und bei aufklarendem Wetter absolvieren können, ist noch schöner.




Ich liebe Leuchttürme! Auch der hier von Torndirrup steht stoisch gelassen da – und ist ganz eindeutig in besserem Zustand als die Hinweistafel zu seinen Füssen…




Im Gegensatz zur Ocean Road sind die Klippen hier aus hartem Granit, so dass die Erosion des Wassers nicht zu zerkrusteten, schorfigen und zerfressenen Felsformationen führt, sondern sich vielmehr glattwandige, spiegelblanke Quader bilden, die manchmal wirken, als hätten sie als Vorlage für Inkabauten gedient. Besonders spektakulär ist The Bridge, ein Granitbogen, der sich über das Wasser spannt, oder The Gap, eine tiefe Felspalte, die vom leckenden und stampfenden Meerwasser immer tiefer und weiter ins Landesinnere getrieben wird.




Danach tanken wir in Albany und fahren dann weiter der Sonne entgegen: Über Denmark in den William Bay National Park. Bei schliesslich strahlendstem Sonnenschein und atemberaubenden Lichtverhältnissen erreichen wir den Küstenabschnitt, der nur Green Pool genannt wird. Warum? Kein Kommentar. Einfach die Bilder ansehen – und sich wie betrunken fühlen angesichts dieser Schönheit (Geduld, erst noch ein bisschen lesen, ja?).
Kilometerweise erstreckt sich der Strand, und er bietet immer wieder neue, einzigartige Ausblicke. Granitfelsen liegen wie hingeworfen zum Teil direkt am oder im Wasser, so dass man auf oder neben ihnen stehend immer wieder neue kleine Pools entdecken kann, zum Teil komplett abgeschirmt und geschützt von der rauhen Brandung, die auch hier der Küste vorgelagert grollt und dröhnt. Elephant Rocks werden diese Felsen genannt. Mächtig wie Riesenelefanten sind sie auf jeden Fall! Am ganzen Küstenstreifen zählen wir vielleicht zehn Menschen. Es ist windig und kühl, keine Saison, wir brauchen unsere Jacken. Aber hier dürfte in den heissen Jahreszeiten mächtig was los sein. Jetzt aber ruht das Auge still über der unberührten Landschaft. Das Gefühl, im Paradies zu picknicken, war in meinem Leben nie näher als an diesem Tag.




Nach ein paar Stunden können wir gar nicht mehr aufnehmen, was wir sehen, und wir verlassen den Ort mit einem tiefen und alles umfassenden Gefühl, reine Schönheit gesehen zu haben. Und gefühlt.
Und der Tag der Sensationen ist noch nicht zu Ende! Weil wir so gut in der Zeit sind und das unfreundliche Wetter zu Beginn uns unserem Tagesziel schneller nahe gebracht hat als gedacht, beschliessen wir, eine weitere Sehenswürdigkeit noch heute zu besuchen: Das Licht ist hier am Abend bestimmt sehr viel wärmer als am frühen Morgen: Im Valley Of The Giants im Walpole Nornalup National Park. Bitte nennen Sie das Valley immer mit den beiden Ortsnamen Walpole und Nornalup, wenn Sie keine Probleme provozieren wollen. Die beiden Städtchen liegen sich nämlich beständig in den Haaren, wem denn das Tal der Riesen wirklich oder zumindest mehr “gehöre“…
Allerdings haben die Menschen hier in jedem Fall einen aussergewöhnlichen Platz geschaffen: Nirgends wohl kann man so gut wie hier das Wesen und die Atmosphäre der Baumriesen erfahren: Die Tingle Trees sind eine Eukalyptusart, die bis zu fünfzig Meter hoch in den Himmel ragen. Tja, und in den Wipfeln dieser Giganten können Sie spazieren, wenn Sie wollen. Vierzig Meter über dem Boden, auf einem Rundgang in Form einer Hängebrücke aus Stahlrohren, die sich viele hundert Meter weit zwischen die Bäume spannt. Die Trassen schwanken erstaunlich wenig. Die Begehung ist auch nicht schwindelfreien Naturen wie mir durchaus zuzumuten. Es schadet ja auch nichts, wenn Mann mal ein bisschen stiller ist und wenigstens von Zeit zu Zeit die Klappe hält. Mehr als zehn Personen dürfen sich übrigens nie auf einer einzigen Querverbindung zwischen zwei Pfeilern bewegen. Ein Zeichen, dass die Macht übermässiger Schwingungen nicht unterschätzt werden darf. Aber der Walk lässt sich durchaus geniessen, und ich hoffe, auch hier Fotos beizusteuern, wie es sie in dieser Anschaulichkeit nicht so oft im Netz zu finden gibt.




Danach auf dem sicheren Boden unbedingt noch den Spaziergang durch das Ancient Empire machen! Dieser Gang entlang der mächtigen und oft bizarren Wurzelgebilde, die aus einem Fantasy-Film stammen könnten, ist der stille Abschluss einer einmaligen Erfahrung der Nähe mit Jahrhunderte alter Natur. Noch etwa 6000 ha gross ist der Abschnitt, auf dem diese Bäume anzutreffen sind. Ganz still sitzen wir zwischendurch auf einer Bank, und ganz leicht fährt meine behutsame Hand über einen gefallenen Riesen am Wegrand. Und gleich daneben bohrt sich ein nächster Turm mit geschätzten 12 Metern Umfang scheinbar wie ein ungespitzter Pfahl in den Boden.
Während wir sehr still sind, jagen zwei junge Männer an uns vorbei, balancieren auf den Strünken und johlen sich gegenseitig an. Ich kann mich erinnern, den einen von ihnen auf dem Parkplatz gesehen zu haben, mit einem Jetski auf dem Anhänger. Irgendwie sind wir Menschen wirklich verschieden gestrickt…
Je älter die Bäume sind, um so bizarrer die Wurzelformationen. In gewisse Baumstämme kann man hinein stehen, wobei sich 1m60 Körpergrösse sehr wohl verloren vorkommen können. Es wäre durchaus möglich, in gewissen Bäumen einen VW-Bus zu parken…




Unser Nachtlager ist ganz in der Nähe vorgesehen, und es erweist sich als Bijoux, passend zu diesem unglaublichen Tag:
Der Eco Park wird von einem etwa siebzigjährigen Herrn geführt, der den Ehrgeiz hat, einen ökologisch verträglichen Park aus seinem kleinen Traumrefugium entstehen zu lassen. Und mit sehr viel Liebe und Zeit erklärt er uns dann auch, was wir bei ihm an Pflanzen und Tieren erwarten dürfen.
Er hat nur ganz wenige Gäste, und für uns ist sehr schnell klar, dass wir an diesem ruhigen, naturnahen Ort zwei Nächte bleiben wollen. Und wir sind praktisch unter uns. Die Einrichtungen sind sauber, wenn auch sehr einfach, und die Landschaft verspricht abwechslungsreiche Spaziergänge. Überall laden kleine Pfade dazu ein. Es gibt auch einen kleinen See, der als Wasserreservoir dient, die Ebene ist eine Flusslandschaft, auch wenn der Fluss nur ein Bächlein ist. Und schon der Zeltplatz selbst ist jede Entdeckungstour wert:




Darin auch noch mehr Wildlife vermuten zu dürfen, macht unsere Freude einfach perfekt.
Und tatsächlich: In den Abendstunden können wir emsige Honey Possums beobachten: Eine winzige, vielleicht mausgrosse Art Opossums. Aber Bilder dazu gibt es erst am morgigen Tag. Erstens haben wir sie an beiden Tagen gesehen, und zweitens glauben Sie mir sowieso nicht, dass das auch noch an diesem Abend sein durfte.
Der Tag hielt uns nicht nur blauen Himmel bereit, sondern auch angenehmes Klima: Auch jetzt wird es zwar mit der aufziehenden Nacht kühl, aber es ist fast windstill. Wir sind überzeugt, dass wir genau hier einen Ruhetag verbringen wollen. Mal sehen, wie die Nacht sein wird…


°


Der Bericht wird in ein paar Tagen in die Sektion verschoben.




Australien 2007 - Tag 27

∞  31 Dezember 2008, 21:01

Erlebt am 19. November 2007 – Von Mt. Barker nach Albany (Caravan Park)

Weggespülte Nerven



Nicht selten sind wir von Krähen geweckt worden. Das ist hier anders. Hier sorgt der lachende Hans für nachhaltig wirksame Aufwachhilfe. Irgendwie scheint ihm das noch mehr Spass zu machen als alles andere – oder kommt es mir in meiner Schlaftrunkenheit nur so vor, dass sein Lachen heute Morgen besonders hämisch klingt? Auf jeden Fall ziehe ich die unglaubliche Vielfältigkeit seiner Geräuschpalette dem montonen und nervenden Krächzen von Krähen eindeutig vor und gönne ihm seinen Spass.

Das Frühstück im Auto ist nicht so lauschig, aber draussen ist es noch viel weniger idyllisch: Es bläst ein harscher Wind… Dass er nur ein Vorbote von noch garstigerem Wetter ist, ahnen wir noch nicht…

Ich kontrolliere das Motorenöl. Alles o.k. Aber unter dem Auto hat sich über Nacht eine kleine,verräterische dunkle Marke gebildet. Wahrscheinlich verliert die Gearbox wieder Öl.

Auch im Porongurup National Park kann man einen so genannten Scenic Drive befahren. Hier aber beeindrucken uns vor allem die Eindrücke, die wir zu Fuss gewinnen: Gefällte oder noch mit dem Boden verwachsene schwarz verkohlte Baumstämme, die einen atemberaubenden Kontrast mit einer uns völlig fremden Moosart bilden, die den Boden satt rot-orange überwuchert. Eine für unsere Augen sehr fremde Szenerie herrscht in diesen Wäldern…




Dann beginnt es zu nieseln, und wir machen, dass wir weiter kommen. Denn dieser Park hat ein paar besondere Sehenswürdigkeiten:
Ein mächtig hoher Baum wächst direkt aus einem Felsen.




Bei der Besichtigung sticht gleich hinter mit ein Kookaburra zu Boden und hüpft danach mit einem fetten Insekt im kräftigen Schnabel ins höhere Gras. Ich hab’s wirklich mit diesem Vogel auf dieser Reise!

Nun beginnt es zu regnen, dann scheint die Sonne wieder, dann haben wir beides zur gleichen Zeit… Der Platz ist von vielen Metern orangem Signalband umgeben und die Wanderwege sind abgesperrt: Das kürzliche Buschfeuer hat die Bäume so angegriffen, dass es wegen möglicherweise runter fallender Äste zu gefährlich wäre, zu wandern. Also ziehen wir uns ins Auto zurück. Gerade, als wir uns entschlossen haben, schon mal weiter zu fahren, setzt sich vor uns ein kleiner schwarzer Vogel mit feuerroter Brust auf einen Zaunpfosten. Ich habe durch die Windschutzscheibe und danach im Schutz des Informationsstandes genügend Zeit, dem Kerlchen und seiner Frau nachzustellen, auch wenn es nicht gerade hell ist – es sei denn, die Sonne scheint wieder mal unvermittelt durch Wolken- und Blätterdecke.




Dann ist es aber Zeit, tatsächlich weiter zu fahren. Wir suchen den Balanced Rock, einen stark erodierten Felsen, der auf einer Bergwanderung zu besichtigen sein müsste und ziemlich abenteuerlich aussehen soll, als käme er einem nächstens entgegen… Wir können allerdings den Weg da hin nicht finden, aber ein wenig zu wandern, wäre wirklich schön, und so machen wir uns auf den Weg. Nach etwa fünfhundert Metern (und zum Glück nicht erst nach fünf Kilometern) beginnt es plötzlich wie aus Kübeln zu giessen und wir hasten inmitten einer Schar Jugendlicher, die ihren Reisebus ansteuern, zurück zum Parkplatz. So schüttet es bei uns nur mit Blitz und Donner bei einem Gewitter – hier ist das eine Art Landregen, scheint es…

Wir legen beim Unterstand eine Verschnaufpause ein und spurten danach nasstriefend zum Auto. Das war’s dann mit dem Park und wir machen uns auf den Weg nach Albany. Es sind nur 45 Kilometer, aber wir waren schon gelassener beim Autofahren. Irgendwie ist das ein ziemlich trüber Tag.

Albany ist eine recht grosse Küstenstadt und der Verkehr auf der Einfallstrasse ziemlich beeindruckend. Dennoch finden wir für unser dickes Auto recht einfach einen Parkplatz mit Parkerlaubnis für zwei Stunden. Das Zentrum Albanys ist dann auch nicht so gross und recht übersichtlich.




Das passt: Wir möchten nämlich heute erstmals (!) ganz bewusst auswärts essen und das Kochen dann abends sein lassen. Das ist allerdings für Vegetarier und europäische Vorstellungen eines gediegenen und doch unkomplizierten Mittagsschmauses gar nicht so einfach. Aber wir finden sogar einen Italiener! Leider hat der nur abends geöffnet. Dann sind da noch ein paar Restaurants, für die wir in Camperkluft kaum zur angesagten Klientel gehören, und so hängen wir irgendwie auf der Hauptstrasse fest und fühlen uns ein wenig wie Pinguine jenseits aller Fischgründe…

Die Erlösung ist ein Schild in einem Fenster: 15-AUSD-Menus inklusive Getränk – und es gibt sogar zwei vegetarische Vorschläge im Angebot. Der Laden ist so was von busy und wuselig, dass wir da gut reinpassen als Farbtupfer, und ausserdem haben wir vorgelagert in einer Art Wintergarten ohne Garten eh unsere Ruhe. Gerade leicht ist das Futter allerdings nicht, und es liegt dann Thinkabouts Wife auch sogleich eher schwer auf dem Magen…

Dennoch bleiben wir hart im Nehmen und erfolgreich: Ich erstehe einen Hammer! Nach bald vier Wochen bin ich damit für das Campieren mit Zelt ausreichend ausgerüstet.

Wenn wir schon dabei sind, muss endlich auch etwas her, das meiner Frau gegen die Ausschläge und Stiche und das damit verbundene Jucken hilft. Der Apotheker vermutet Sandfliegen, sein Gesichtsausdruck lässt aber nicht unbedingt vermuten, dass er so was schon mal gesehen hat… Ich kann mir auch vorstellen, dass die niedlichen Possums, die Thinkabouts Wife doch ziemlich nahe kamen, ein Andenken abgeladen haben. Was weiss ich… Wir ziehen auf jeden Fall mit einem uns unbekannten Heilmittel namens “Amcal Fexo 180” (eine Tablette pro Tag), oder so ähnlich, und einer Salbe bewaffnet und mit neuer Hoffnung weiter.

Einkaufen bei Woolworth geht mittlerweile äusserst geschmiert, und genau so rasant spurten wir dann zum Auto: Es regnet wieder mal gehörig. Über Albany gibt es einen Lookout, einen schönen Aussichtspunkt, zu dem auch ein Rundgang gehört. Als wir ihn erreichen, klart es auf, und wir können spazieren.




Bis es uns auf der runden Felskuppe fast wegbläst, so schnell und kräftig frischt der Wind auf – und dann sind wir schon wieder am Rennen, halb blind und aufs Geratewohl in ungefährer Richtung, wo wir unser Auto vermuten. Wir vermuten richtig, aber langsam stinkt mir das mit dem Wetter gehörig!

Also ab zum Carpark. Und der ist sehr schön. Ich liebe seine alten, riesigen Bäume. Nur das nach wie vor ständig wechselnde Wetter macht uns richtig fertig. Zelt aufstellen oder im Auto schlafen? Zelt aufstellen.
In einer Regenpause entschliesse ich mich dazu. In einer nächsten Schonphase richte ich das Innenleben ein. Dann klärt der Himmel auf und Sonnenlicht malt alles mit Farbe an. Und dann hagelt es!
Im Nu legen sich Wasserrinnsale um die einzelnen “Concrets”, wie die Standplätze genannt werden, und rund um jeden Zelthäring büscheln sich Hagelkörner, die vom Zelt purzeln…

Im Zelt ist es feucht, aber nicht nass. Und von was? Ich sehe keine undichte Stelle. Thinkabout’s Wife wollte übrigens unmittelbar vor dem Hagel eh zu Bett gehen. Und einfach mal schlafen… Und jetzt? Wenn das so weiter geht und wir mitten in der Nacht mehr oder weniger davon schwimmen? Wir entscheiden uns trotzdem, es zu wagen.

Nun, eine Stunde später, liegt meine Frau im Zelt. Einmal hat es in dieser Zeit wieder sehr stark zu regnen begonnen. Im Moment hält der Himmel still…

“O Gott, Vater im Himmel”, beginne ich zu beten, “und der einzige Beschützer, den ich habe: Schenke meiner Liebsten gründliche Linderung ihres Juckreizes. Sie leidet so sehr. Und uns Beiden eine gute, stille und trockene Nacht. Lass mich auf der weiteren Reise die Entscheidungen treffen, die uns das Leben in den letzten zwei Wochen erleichtern, nicht erschweren. Amen.”

Ich stehe ganz still vor dem Auto. Still ist auch meine Frau im Zelt, still ist es auf dem ganzen Areal, dabei ist praktisch jeder Platz belegt. Ich atme tief durch. Ja, es ist wahr: Ich fühle mich in diesem Moment wirklich sehr weit weg von jedem Zuhause.
Mein Blick dringt durch die Blätter über mir. Kein Stern steht in der Dunkelheit. Die Wolkendecke ist zu, bleibt selbst unsichtbar. Ein schwarzes Loch über uns.

Nie galt es deutlicher:
Mein Zuhause kann nur in mir sein. Dass ich bete, ist kein Zufall. Ich blicke auf das lächerliche Häufchen Stoff vor mir, in dem meine Frau liegt. Darüber das Blattgewölbe. Und hoch darüber das Wolkengeflecht, das unsichtbare Firmament der Sterne. Ein bisschen Wasserdampf reicht also aus, mich ins Schlottern zu bringen. Ich lächle vor mich hin. Wie heilsam diese kleine feine Übung dieses Tages für mich doch ist, wie schön, zu wissen, dass nichts wirklich Bestand hat, was nicht bei und in mir bleibt, dass Ängste und Sorgen gehen und kommen wie Wolken, aber auch wie Wasser in der Sonne verdampfen, wenn es Zeit dafür ist.

Jetzt ist es Zeit, schlafen zu gehen. Ich ziehe die klitschnasse Zeltbahn der Überhaut zur Seite und zwänge mich hindurch. Mein Schlafsack wartet auf mich. Ich lausche auf den Atem von Thinkabout’s Wife. Er geht langsam, ist tief und ruhig. Es wird alles gut.

°

PS:
Auch hier funktioniert höchstens SMS. Ein bisschen, nein sehr ersehne ich die Verhältnisse zu Beginn der Reise, als ich mobil problemlos mailen konnte. Nun, ich habe hier ja auch sonst genug zu tun, um einigermassen “anständig” über die Runden zu kommen und die Wunder zu würdigen, die Gott uns jeden Tag in seiner Schöpfung sehen lässt.

PPS:
Thinkabout’s Wife hat am Abend noch Bruno angerufen. Der Autovermieter meint, der Ölverlust für die Gearbox wäre kein Problem. Glück auf also. Es sind nur noch etwas 1500 km.


°

Und irgendwie finde ich, dieser Reisetag passt ganz gut zum heutigen Datum, darum wollte ich diesen Tag jetzt auch unbedingt noch zu Ende berichten:
Ein frohes Neues Jahr wünsche ich Ihnen, in dem Sie geborgen sind, alle Tage, an genau jenem Platz, an dem Sie leben.

°

Australien 2007 - Tag 26

∞  28 Dezember 2008, 23:35

Erlebt am 18. November 2007 – Von Bremer Bay nach Mt. Barker (Caravan Park)

Vom abgebrochenen Gipfelsturm zur Camping-Rast



Wir stellen am frühen Morgen fest: Zelt okay, Auto okay. Dafür bleibt der Kaffee erst mal kalt: Kein Strom auf den Buchsen. Das ist nun allerdings wirklich eine Kleinigkeit.

Unser Weg führt über Boxwood Hills, wo wir Füchse aufschrecken, nach Amelup. Haltepunkt ist auch hier ein Roadhouse, in diesem Fall ein sehr nett geführtes. Das kann also nicht der Grund sein, dass ich mich am Ende mit einem Tomatensandwich und einer heissen Schoggi verpflege… Irgendwie passen Trink- und Essbedürfnisse im Moment einfach nicht richtig zusammen…
Aber ich muss ja zumindest Power tanken, nicht wahr, denn mir steht der Aufstieg auf einen Berg mit dem klingenden Namen Talyuberup Peak bevor. Der Berg steht im Stirling Range National Park und er ist sehr viel steiler, als der Beginn des Aufstiegs vermuten liesse…




Thinkabouts Wife ist bald einmal eindeutig mit zu kurzen Beinen ausgestattet: Die schroffen Steine werden immer grobschrötiger, grösser und scharfkantiger, und oft kann ich mich selbst nur mit den Händen höher ziehen. Zum zweiten Mal versuche ich also, einen Berg allein zu Ende zu besteigen. Warum die Felsvorsprünge hier in so scharf geschliffenen Platten über einander liegen, wird mir auch bald klar: Hier pfeift der Wind so stark und so nachhaltig, dass ich den Eindruck habe, er hält hier nie still und arbeitet ständig an der Erosion. Hinter einem hohen Felsen ist dann Schluss für mich: Erstens sehe ich nicht mehr, wo der Weg weiter gehen könnte, da der Boden plötzlich komplett überwachsen ist, und so bald ich den Schutz des Felsens verlasse, bläst es mich zweitens beinahe vom kleinen Felsvorsprung.




Also mache ich mich leichten Herzens an den Abstieg. Unten erwartet mich meine Frau, welche die Zeit zu wunderbaren Fotos der Pflanzenwelt genutzt hat, und so setzen wir uns zusammen zum Picnic, beide noch leicht betäubt von der Kraft der Natur.




Ausser Tannzapfenechsen, die auch hier immer wieder die Strassen überqueren, sehen wir keine Tiere, geniessen aber die lange Fahrt durch den Park – und sind um halb vier schon in Mt. Barker. Der Caravan Park ist, obwohl nahe an der Strasse, an der gebaut wird, sehr ruhig, mit sattgrünen Wiesen und grossen alten Bäumen, die auch bei kräftiger Sonne immer Schattenplätze bieten.

Wir tauschen mit zwei älteren Ehepaaren, die kurz nach uns eintreffen, noch schnell den Standplatz ab, damit die Beiden sich neben einander einrichten können. Dafür schnorre ich mir deren Hammer, was es doch deutlich einfacher macht, die Häringe Zeltschnüre im Boden zu fixieren.


Beobachtet werden wir dabei von allerlei Nachbarn.




Wir schauen uns unser Zelt an, beäugen seinen gebogenen Kuppelschwung, werweissen witzelnd ein bisschen über seine Stilrichtung. Wir einigen uns auf spätromanisch, auch wenn der Kuppelbogen nicht genau mittig sitzt… Klar ist allemal, dass wir beide von Gotik-Stilelementen im Zusammenhang mit Zeltbau die Nase voll haben…

Und dann ist auch Zeit und Musse für die Dusche, für den Abwasch, für alle scheinbar gewöhnlichen alltäglichen Dinge, bei denen man sich sammeln und die Eindrücke verarbeiten kann.

Zu unseren Nachbarn gehört ein noch gar nicht so altes Ehepaar mit diversen Rassehunden, die sie abwechselnd Gassi führen und bewegen müssen. Vom Herrn des Hauses bzw. des Caravans erfahre ich dann, dass es sich bei dem Unternehmen quasi um eine dreiwöchige Schnupperreise handelt. Er will herausfinden, wie er mit dem gemieteten Gefährt zurecht kommt und ob er dann nächstes Jahr während sechs Monaten mit dem exakt gleichen Modell “seinen” Kontinent umrunden kann – so, wie es sich viele Australier irgendwann in ihrer zweiten Lebenshälfte vorstellen. Auf jeden Fall hat seine Frau schon mal den Veranstaltungskalender studiert, um an möglichst vielen Hundeprämierungen in ganz Australien teilnehmen zu können (mit den Hunden natürlich).

Ein Schmankerl bietet auf diesem Campingplatz auch das Management: Streng werden wir darauf hingewiesen, dass wir morgen bis zehn auschecken müssen. Sollten wir allerdings schon vor neun los fahren wollen, so mögen wir doch bitteschön nicht stören und den Schlüssel einfach in die Box legen…


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Der Beitrag wird in ein paar Tagen in die Sektion GEREIST verschoben.


Australien 2007 - Tag 25

∞  25 Dezember 2008, 21:16

Erlebt am 17. November 2007 – Von Fitzgerald River National Park nach Bremer Bay (Caravan Park)

Ein Tag wie ein Blumenstrauss



Ich schlafe nicht besonders gut… Es ist eng im Auto, finde ich zumindest in dieser Nacht, obwohl ich unten viel mehr Platz habe als meine Frau unter dem Dach. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass es mir in der Nacht regelmässig zu warm (im Schlafsack) oder zu kühl (ausserhalb des Schlafsacks) war. Dafür geniessen wir ein SEHR gemütliches Frühstück und halten dabei unsere Nasen blinzelnd in die Sonne.

Bevor wir danach den Fitzgerald River National Park verlassen, tauchen wir nochmals in die Blumenpracht ein. Ein Wunder-Augenschmaus auf Schritt und Tritt.




Auf dem Parkplatz sehe ich zum Glück, dass die Blinker-Verschalung vorne rechts lottert – die dazu gehörenden Schrauben haben sich gelöst und irgendwo auf der Strecke selbständig gemacht. Akkurat angebrachtes Isolierband in mehreren Schichten löst das Problem, hoffe ich. Dafür haben wir anderswo eine Schraube zu viel. Thinkabouts Wife ist eine Sechskantschraube samt Unterlagsscheibe vor den Beifahrersitz gerollt, aber wir können beim besten Willen nicht ausmachen, wo die fehlen könnte.

Später, im Westen, treten wir wieder in den Park ein. Der Info-Stand ist verwaist. Kein Ranger, keine Maps. Der Weg nach Point Ann ist aber relativ offensichtlich. Wir finden problemlos hin. Der Weg führt durch eine total veränderte Landschaft mit weiten abgebrannten Ebenen – und blühenden Büschen, die sich daraus leuchtend erheben…




Von Point Ann ist der Ausblick aufs Meer besonders schön, auch wenn wir die vielen verschiedenen Panorama-Ansichten kaum mehr einordnen können. Dabei gibt es gerade hier sehr schöne Picnic-Plätze, die überdacht sind (Schutz gegen Regen und Sonne), es gibt ein WC und campen kann man wohl auch. Dennoch wissen wir ziemlich schnell, dass wir nicht hier schlafen wollen. Zu viel Wind. Nicht schon wieder, denke ich. Aber auch Fliegen hat es uns hier zu viele – dafür zu wenig Wale. Nach wie vor haben wir keine gesehen, obwohl sie noch in der Gegend sein sollen. Aber wir können keine einzige Flossenspitze ausmachen. Ich bin mir heute zum ersten Mal ziemlich sicher, dass die Tiere wohl tatsächlich weiter gezogen sind.

Wir können uns auf dem etwa einen Kilometer langen Rundgang durchs offene Gelände also durchaus auch auf den Weg konzentrieren, obwohl wir trotz Wind ständig die lästigen Fliegen aus den Augen- und Mundwinkeln wedeln müssen. So entgeht uns auch der sehr schöne Waran nicht, der sich vor uns scheinbar zur Salzsäule erstarrt in einen Busch zurück gezogen hat.




Danach heisst es also: Weiter nach Bremer Bay. Die 70 km Naturpiste sind leicht und zügig zu fahren – und der Caravan Park, den Thinkabouts Wife im Internet schon zu Hause ausgekundschaftet hat, so für alle Fälle, hat sehr schöne, sehr individuell angelegte, ins Gelände eingefügte Stellplätze.

Um zu einem schönen Inlet zu gelangen, brauchen wir nur die Strasse zu überqueren. Hier können wir das Phänomen besonders eingehend studieren: Zwischen rückgestautem See und Meeresufer liegt hier ein so breites und flaches Band aus weissem, feinkörnigem Sand, dass man grosse Lust hat, zwischen den Wassern zu flanieren. Auf der einen Seite der regelmässige Wellenschlag des Meeres, auf der anderen die ruhige, das Abendlicht reflektierende glatte Oberfläche des Sees. Auf einer Sandbank steht eine Gruppe Pelikane und trocknet sich in der Sonne das Gefieder. Wasservögel suchen in kleinen Tümpeln und im sehr niederen Wasser nach Krebsen. Der Wind bauscht immer mal wieder ihr Gefieder auf, und ganz langsam werden die Schatten länger, so dass wir uns in unseren Jacken mit aufgestellten Kragen vergraben.




Wir lassen uns so ordentlich durchpusten, dass ich anschliessend das Gefühl habe, noch nie so empfänglich gewesen zu sein für eine ordentlich dicke, heisse Reissuppe mit Karotten. Und genau die bereiten wir uns dann auch zu. Und so ist es auch heute wie von selbst 21 Uhr geworden.

Wir haben uns trotz des schönen Platzes entschieden, morgen weiter zu ziehen. Die sanitären Anlagen sind uns einfach ein wenig zu rustikal… Dabei würde Karin sich gerne wieder mal die Haare waschen – und mich juckt es wohl auch nicht nur wegen den Insektenstichen… Aber irgendwie lassen wir uns einfach die Idee nicht aus dem Kopf schlagen, dass die nächste grössere eigene Säuberungsaktion nach einem Mindestmass an Komfort verlangt.

Ach ja, übrigens: Das Zelt habe ich hier wieder aufgestellt. Und es steht noch immer. Die geborstene Querstange haben wir mit Isolierband dick zusammen geklebt. Sie biegt sich nun unter einem nur sehr leicht gespannten Überzelt… Wir sind also unverdrossen.
Und zu Hause haben die Freunde 20 cm Neuschnee.


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früher erzählt später erzählt